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Lot 3076, Auction  118, Kisch, Egon Erwin, 3 eigenhändige und maschinenschriftliche Briefe an Jarmila Haasová

Kisch, Egon Erwin
3 eigenhändige und maschinenschriftliche Briefe an Jarmila Haasová
Los 3076

Zuschlag
700€ (US$ 753)

Details

Aus dem Pariser Exil - "Es sieht traurig aus - Auch Ossietzky ist völlig gebrochen."
Kisch, Egon Erwin. 3 eigenhändige und maschinenschriftliche Briefe an Jarmila Haasová in tschechischer und deutscher Sprache mit Unterschrift "Egonek" 1 S. 21 x 27 cm. Paris 1933.
Haupt, Kisch, S. 119f. – Konvolut bedeutender Briefe des die Welt verändernden Jahres 1933, das am 30. Januar mit der Machtergreifung Adolf Hitlers begann und in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar sein erstes 'Brandmal' bekam. Unmittelbar nach dem Brand des Berliner Reichstags, direkt am 28. Februar, wurde Egon Erwin Kisch (1885-1948) um 5 Uhr morgens im Rahmen einer sich anschließenden 'Säuberungswelle' verhaftet und nach einer Vernehmung in der "Roten Burg", dem Polizeipräsidium am Alexanderplatz verhaftet und in die Festung Spandau verbracht, wo er u. a. mit den Journalisten Heinz Pol (1901-1972) Carl von Ossietzky (1889-1938) elf Tage einsaß bis zu seiner Abschiebung nach Prag. Die New Yorker Times berichtete am 15. März: "Als erstes wurde der Romancier Heinz Pol eingeliefert. Die Nazis rissen das Manuskriopt seines eben vollendeten Romans in Fetzen und zwangen ihn, diese zu essen. Er ist noch immer nicht in der Lage zu gehen. Auch Ossietzky ist völlig gebrochen" (zit. Patka S. 138).

Am 25. Juni war Kisch, der Gisela in Zürich getroffen hatte, über Basel und Mühlhausen nach Paris gereist, dann nach London, aber immer wieder nach Paris, von wo aus er Jarmila Haasová zusammen mit Gisl mehrere inhaltsreiche Briefe schreibt, die eindrucksvoll die Lage der Exilanten wiedergibt:

Paris. 6. Juli 1933.
1 S. Tschechisch. Auf einem masch. Brief von Gisela Lyner auf Deutsch mit Unterschrift "Gisl": "Paris, VI, 2, rue St. Sulpice, Hotel de Grand Condé - Liebste Jarmilko, am Tag, nachdem ich Dir zuletzt schrieb, bekam ich von Egonek eine Nachricht, dass er aus London wieder herkommt, weil kein Mäzen zu finden war, der uns eingeladen hätte, einige Zeit auf seinem Landsitz zu verbringen. Egonek hat sich also entschlossen, unbedingt noch den 14. Juli hier zu verbringen ... Wohin, ist allerdings noch fraglich, aber ich glaube, es wird vorläufig nichts mit einem Aufenthalt an der See, weil er vorher noch ein paar Reportagen machen muss, und twar [sic] im Süden von Frankreich und in der Schweiz".

Sie erkundigt sich nach der Veröffentlichung eines Textes Kischs, in der er über seine Haft im Spandauer Zuchthaus berichtete: Hitlerův zajatec erschien 1933 im Verlag Levá fronta in Prag, in der Übersetzung der Haasová: "Jarmila, kannst Du mir schreiben, ob die Broschüre vom Egonek nun endlich erschienen ist? Ich glaube beinahe, die haben das schon aufgegeben, weil es ja beinahe schon vier Monate sind, daß sie das Manuskript haben. Hörst Du was aus Berlin? Und was ist mit der neuen Zeitung? Haben die schon zu arbeiten angefangen?"

In tschechischer Sprache führt Kisch handschriftlich in blau-schwarzer Tinte fort: "Mily Jarmiláčku, das ist ein Leben, pfui Teufel. Da fliege ich nach London, schwätze und muß wieder zurück. Und hier ist eine solche Hitze, daß der Mensch sich nicht einmal bewegen kann. Gestern war ich mit diesen lustigen Surrealisten zusammen ... Schade, daß ich Bornstein nicht sehe - ich sah ihn an dem Tag, als Rost ankam und ich nach London abfuhr. Ich hielt dort Reden in englisch, alle Zeitungen lobten, wie wunderbar es war. Küsse, mein Äffchen, von Egonek".

Paris, 6. August 1933. 2 S., 1 S. masch. Brief mit Unterschriften "Egonek" und "Gisl". "Liebste Jarmila, zuerst diktiert der Egonek ... Vor drei Wochen, als Dir B[ornstein] schreib, Du sollst jetzt nicht nach Paris kommen, war hier so irrsinnig heiß, daß die Hitzen, die ich voriges Jahr in den chinesischen und vor zwei Jahren in den südrussischen Tropen erlebte, nichts dagegen waren ... Man kann überhaupt nichts arbeiten und nirgends mehr hingehen. Vierzehn Tage lang war Sinai [der Freund Hugo Sinaiberger, geb. 1986, Chefredakteur der Prager Filmzeitschrift Internationale Filmschau] hier, er ist Freitag, nachdem wir die Nacht in den Hallen verbracht haben, über Deutschland nach Prag geflohen. Er hatte den Nečas in der Hand, das heißt dessen Führer von Paris, und ich sagte ihm gleich, daß ich Nečas persönlich kenne. Es war übrigens ein Bekannter von Prokop, und er erzählte mir, daß von unserer Broschüre Zajatec Hitlera gleich in den ersten Tagen 2000 Exemplare verkauft worden sind ... ich habe die Broschüre überhaupt nicht gesehen. Gestern war ich zum erstenmal bei B[ornstein] im Büro und habe einen Artikel abgeliefert".

Der in Krakau geborene Journalist Joseph Bornstein (1899-1952) hatte nach Carl von Ossietzky zusammen mit Leopold Schwarzschild die Weltbühne herausgegeben. 1933 war er über die Schweiz nach Paris emigiert. Kisch versuchte, mit seinen Reportagen seine prekäre finanzielle Lage zu verbessern: "Wenn wir ein bißchen Geld hätten, möchten wir aufs Land fahren, aber da müßte man zuerst das Hotel bezahlen, Fahrkarten kaufen, Zahnartztrechnungen usw. und dann noch Geld für den Aufenthalt haben. Es sieht traurig aus".

Gisela Lyner schreibt dann noch präzisierend: "... wir haben uns entschlossen, vorläufig hierzubleiben ... Vor ein paar Tagen hatte Egonek einen Vortragsabend hier mit Weinert [der Schriftsteller Erich Weinert; 1890-1953] gemeinsam ... Ein französischer Schriftsteller Renaud de Jouvenel [1907-1982] hat eingeleitet ... Von Nico [Rost] haben wir öfters Post...".

Paris, 1. September 1933. 2 S. Ausführlicher masch. Brief mit Unterschrift "Egonek" über seine Texte und Publikationen Letem světem, Hitlerův zajatec, Pasák (der Mädchenhirt), Asien gründlich verändert ... "Auch die Tvorba mit dem Auszug meines Briefes über das Eiserne Kreuz hätte ich gern gehabt ... Was das Braunbuch anbelangt, so habe ich damit gar nichts zu tun. Es ist von einem großen Kollektiv eines Hilfskomitees gemacht worden. Es sind fast 400 riesige Seiten, die Übersetzung muß in allen Ländern von mehreren Leuten durchgeführt werden, da auch die anderssprachigen Ausgaben noch bis Oktober erscheinen sollen ..."

Auch wenn seine persönliche finanzielle Lage schwierig war, zeigt Kisch sich den Verlagen gegenüber großzügig: "Was das Übersetzungshonorar für Zajatec H ... anbelangt, so widerstrebt es mir, jetzt von dieser Organisation Geld zu verlangen, wo sie jeden Heller brauchen ..." In Prag wird jetzt bei Wieland Herzfelde eine große literarische Zeitschrift erscheinen, Neue Deutsche Blätter ... Das, was man hier für unsere Blätter arbeitet, wird nicht bezahlt, und mein Leben ist daher sehr ärmlich, was in Paris besonders wenig angenehm ist. Aber die Stadt ist so schön, und es gibt immer etwas Neues zu sehen, - wenn man nur mehr Zeit hätte". – Wenige Knitterspuren, auf dünnem Luftpostpapier. - Beiliegt ein Blatt eigenhändiges Konzept von Egon Erwin Kisch, wohl eine Liste mit Stichpunkten der zu erledigenden Arbeiten und Aufgaben bzw. Ideen, wie in Paris an bezahlte Arbeit heranzukommen wäre, welche Personen zu kontaktieren seien.

Lot 3077, Auction  118, Kisch, Egon Erwin, Eigenhänder Brief.

Kisch, Egon Erwin
Eigenhänder Brief.
Los 3077

Zuschlag
800€ (US$ 860)

Details

"Weil sich im letzten Jahr [1933!] nicht nur alle Maßstäbe und alle Perspektiven, sondern auch alle Tatsachen geändert haben."

Kisch, Egon Erwin, und Gisela Lyner. 2 maschinenschriftliche Briefe an Jarmila Haasová in deutscher Sprache mit Unterschrift "Egonek" bzw. "Gisl".Zus. 3 S. 27 x 21 cm. Mit 2 Kuverts. San Sebastian (Spanien) und Malines (Belgien) 1933.
Haupt, Kisch, S. 128ff. – Zwei Brief von Reisen nach Spanien und dann nach Belgien, in denen sowohl Egon Erwin Kisch, als auch seine Lebensgefährtin und fleißige Maschinenschreiberin Gisela Lyner von ihren Erlebnissen und Problemen im Exil berichten.

San Sebastian, 6. Oktober 1933. "... nach verschiedenen Aufregungen, die wir wegen des Aufenthaltes in Paris hatten, sind wir also weggefahren. Ich will hier ein Buch fertig machen und dann zurück nach Paris, möglichst schnell. Ich schätze so Anfang November. Und auch so lange kann ich nur bleiben, wenn ich in Madrid ein Übersetzungsrecht verkaufen kann. Chance - minimal! ... Zwei tschechische Briefe hatte ich übrigens kurioserweise über den Hitlerbrief in Letem světem. Die Leser scheinen begeistert zu sein. Vergiß nicht, mir die Broschüre Hitlerův Zajatec aufzuheben. Deutsch ist sie wohl nicht erschienen?" Lyner setzt hinzu: "Die letzten Wochen in Paris waren ein einziger, ununterbrochener Trubel, wie selbst wir ihn nicht gewohnt sind. Auf der Herreise haben wir uns drei Tage in Lourdes aufgehalten, ich bin jetzt noch betäubt von der dortigen Atmosphäre..."

Mechelen 10. Januar 1934.
Aus dem 'Hôtel de la Couronne in Malines, Belgique': "Ich mache jetzt ein Reportagebuch, darin auch alte Artikel, wie z. B. Monte Carlo, Korsika, Seide aus Lyon usw. vorkommen werden. Du hast keine Ahnung, wie man jede Zeile umarbeiten muß, weil sich im letzten Jahr nicht nur alle Maßstäbe und alle Perspektiven, sondern auch alle Tatsachen geändert haben." Kisch erwähnt seine Reportagen Brühl in Leipzig, Quecksilber, Abenteuer in Lourdes und seine Romane China geheim, Asien gründlich verändert. "Ich bin wirklich aufrichtig froh, daß Neřas ein Theaterstück schreibt. Du mußt ihn aber ermutigen, daß er wirklich bis zum Schluß durchhält. Das ist die Hauptsache: daß man etwas fertig macht. Und wenn es noch so schlecht ist, kann man es dann sehr leicht ändern. Aber wenn man in der Mitte aufhört, um später weiterzuarbeiten, so arbeitet man nie mehr weiter. Wenn er Zweifel an seiner Arbeit bekommt, so richte ihm von mir aus, daß es, wenn es ihm noch so mißglückt wäre, noch immer nicht so eine Scheiß sein wird, wie das, was überall gespielt wird ... Nico [Rost] übersetzt jetzt Toller und Feuchtwanger und redigiert unser holländisches Literaturblatt ..." – Mit beiden Kuverts, davon eines maschinenschriftlich, das andere in der gewohnen hübschen Kalligraphie von Egon Erwin Kisch.

Lot 3078, Auction  118, Kisch, Egon Erwin, Postkarten von Kisch, Lyner und anderen. 5 eigenhändige Karten

Kisch, Egon Erwin
Postkarten von Kisch, Lyner und anderen. 5 eigenhändige Karten
Los 3078

Zuschlag
380€ (US$ 409)

Details

"Tout de suite and tooter the sweeten!" - "Kisch fand sogar einen Prager Juden in Gheel."

Kisch, Egon Erwin. - Postkarten von Kisch, Lyner und anderen. 5 eigenhändige Karten an Jarmila Haasová in deutscher Sprache, mit Unterschrift "Egonek", "Gisl" etc. Jeweils 9 x 14 cm. Frankreich und Belgien 1933-1936.
Kisch wieder in Europa: Er besucht Trouville, Gheel, Brügge, Brüssel und den Badeort Bredene an der belgische Küste. Von überall sendet er seiner Jarmila herzlichste Grüße.

1) Trouville-sur-Mer, Frankreich, ohne Datum, wohl 1933. Auf Deutsch aus dem Grand Hôtel de France: "Das Zimmer (warmes Wasser) mit Verpflegung 35 Frcs, er wollte 40 (Pro Person). Die großen Hotels nur alle geschlossen, von der Ferne leuchten die Lichter von Havre. Dort sprach ich einen Herrn Koriack aus Slané (Schlan) der mich vor 14 Jahren auf einem Sopha im obigen Hotel de France unterbrachte, was ich allerdings vergessen hatte. Er nicht. Küsse! Egonek." Aus Trouville hatte Kisch in seiner Hetzjagd durch die Zeit berichtet. Im grüner Tinte mit Tintenwischern, adressiert an "Mme. Jarmila Bornstein").

2) Gheel, Belgien, 22. Januar 1934. Lieber Jarmilatsch, Niko und ich sind in diesem Ort, der eine staatliche Kolonie ist, - 3000 Irre! Das wird eine Reportage! Herzlichst gegrüßt Dein Egonek". Und von der Hand des Freundes, des niederländischen Journalisten, Übersetzers und Antifaschisten Nicolaas Rost (1896-1967): "Liebe Jarmila, Alles in Butter. Kisch fand sogar ein Prager Jude [sic] in Gheel. Ob ich noch mal nach Prag komme [?] Komme doch nach Paris".

3) Brügge, 19. September 1935. Postkarte von Gisela Lyner: "Wir haben heute einen wunderbaren Ausflug gemacht und grüßen Dich sehr herzlich. Deine Gisl" mit weiteren Unterschriften "Paul" und "Yvonne". Auf Fotopostkarte "Le Beffroi Bures - Brugge Halletoren".

4) Brüssel, 2. Oktober 1935. Fotopostkarte mit Ansicht des Pavillons der Tschechoslowakei auf der "Exposition de Bruxelles 1935". Mit einem Gruß von Nico Rost, einer Beischrift von Gisela Lyner und einer weiteren (ohne Kisch).

5) Bredene, 16. September 1936
(im Brief mit demselben Datum). Auf einer Bildpostkarte des "Hotel d'Anvers", in Bleistift: "Nochmal dieselbe Karte und dieselben herzlichen Grüße! Egonek" und auf der Rückseite von Gisela Lyner: "Liebe Jarmila, Unser Hotel ist nicht am Meer, hohe Dünen sind zwischen uns und dem Strand - aber es ist trotzdem ganz hübsch hier" sowie Beischrift von John Fisher, dem australischen Freund und Kollegen: "With love Dein John, Auf Wiedersehen - tout de suite and tooter the sweeten! Please write". – Postalisch gelaufen, mit Stempeln und Marken, Gebrauchsspuren. – Beiliegt eine weitere, unbeschriebene Karte aus Brünn.

Kisch, Egon Erwin
Geschichten aus sieben Ghettos
Los 3079

Zuschlag
2.600€ (US$ 2,796)

Details

Die sich um die jüdische Lebenswelt drehenden Reportagen Egon Erwin Kischs
Kisch, Egon Erwin. Geschichten aus sieben Ghettos. 216 S., 2 Bl. Mit Illustrationen von P. L. Urban. 23,4 x 15,4 cm. Graubraunes Grobleinen (kaum berieben, minimal geworfen) mit schwarzgeprägtem RTitel und VDeckelillustration von P. L. Urban, rotbrauner Kopfschnitt. Amsterdam, Allert de Lange, 1934.
Melzwig 364.1. – Erste Ausgabe der im Amsterdamer Exilliteratur-Verlag von Allert de Lange erschienenen Reportagen mit Illustrationen von dem Münchner Illustrator P. L. Urban (geb. 1901).

Der 1880 gegründete Verlag Uitgeverij Allert de Lange wurde nach der Machtergreifung von dessen Sohn Gerard de Lange (1896-1935) durch eine eigene Abteilung für deutsche Exilliteratur erweitert, die von dem emigrierten Verleger des Kiepenheuer-Verlags Walter Landauer (1902-1944) geleitet und von dem Schriftsteller Hermann Kesten (1900-1996) lektoriert wurde.
Walter Landauer wurde 1943 nach Bergen-Belsen deportiert, wo er an Verhungerung starb. Kesten gelang es, 1933 aus Deutschland zunächst nach Paris, Sanary-sur-Mer, London, Brüssel, Oostende und schließlich nach Amsterdam fliehen. 1940 bekam er dann ein Visum für die USA.

1934 veröffentlichte der Verlag Allaert de Lange eine Zusammenstellung der sich um die jüdische Lebenswelt drehenden Reportagen Egon Erwin Kischs, die dieser bei seinen Reisen aufgezeichnet hatte: Auswanderer, derzeit Amsterdam; Schime Kosiner verkauft ein Grundstück; Lobing, pensionierter Redakteur; Romanze von den Bagdad-Juden; Ex odio fidei; Die Messe des Jack Oplatka; Dantons Tod und Poppers Neffe; Des Parchkopfs Zähmung; Der kabbalistische Erzschelm; Der tote Hund und der lebende Jude; Notizen aus dem Pariser Ghetto; Den Golem wiederzuerwecken. – Gedruckt auf festem Papier, sauber. Titel mit Widmung des Autors "für Jarmila herzlichst und, wie immer, mit guten Wünschen. April 1935. Egon Erwin Kisch". Seinen Namen hat Kisch dann selbst durchgekreuzt und unter die Verlagsangabe noch viel wärmer hinzugesetzt: "omylem: jen Egon" (soviel wie "versehentlich" bzw. "Eschuldigung: Dein Egon").

Lot 3080, Auction  118, Kisch, Egon Erwin, Eigenhändige Postkarte aus Indien in deutscher Sprache

Kisch, Egon Erwin
Eigenhändige Postkarte aus Indien in deutscher Sprache
Los 3080

Zuschlag
140€ (US$ 151)

Details

"Also jetzt bin ich in Indien und erst am Anfang der Reise sozusagen..."
Kisch, Egon Erwin. Eigenhändige Postkarte an Jarmila Haasová in deutscher Sprache, mit Unterschrift "Egonek". 9 x 14 cm. Udaipur (Indien), 25. Oktober 1934.
Die einzige Postkarte, die Egon Erwin Kisch seiner Übersetzerin und Freundin Jarmila Haasová (1896-1990) aus Indien nach Paris sandte und die auch wohlbehalten ankam. Die Bildseite zeigt eine Sepia-Fotografie "The City Udaipur", der berühmten indischen Metropole im Süden des Bundesstaates Rajasthan, auch damals schon zu den von Reisenden meistbesuchten Zielen des indischen Subkontinents gehörte. Kisch adressiert an "Mrs. Jarmila Bornstein, Paris XVII.e 4 Square Gabriél Fauré - France". Jarmila war bei seinem Freund und guten Kollegen, dem Jounalisten, Herausgeber und Redakteur Joseph Bornstein untergekommen, seitdem dieser sich in Paris exiliert hatte, gleich 1933 mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten.
Kisch schreibt: "Udaipur (Indien) 25. Oktober 1934. Lieber Jarmilatsch, also jetzt bin ich in Indien und erst am Anfang der Reise sozusagen. Und was wird weiter? Aus Marseille schrieb ich Dir. Grüße alle, die es gut mit Dir meinen. Hubička Egonek" – Mit Briefmarke und Stempeln, postalisch gelaufen.

Kisch, Egon Erwin
Eintritt verboten. Paris 1934
Los 3081

Zuschlag
240€ (US$ 258)

Details

"Menschen im Quecksilber, Quecksilber im Menschen"
Kisch, Egon Erwin. Eintritt verboten. 239 S. Weißes Leinen mit dunkelblauer Titelprägung auf dem Rücken und VDeckel (der lädierte, fehlstellenhafte VDeckel der OBroschur liegt bei). Paris, Edition du Carrefour, 1934.
Melzwig 363.1 – Erste Ausgabe der Reportagen aus Frankreich, Belgien u. a. mit den Titeln Menschen im Quecksilber, Quecksilber im Menschen, Ich bade im wundertätigen Wasser, Gablonz oder Glanz und Elend der Kinkerlitzchen, Belgisches Städchen mit 300 Irren, Das Räderwerk von Monte Carlo, Bei den Diamantenscheifern von Antwerpen udn Amsterdam, Seide aus Lyon, Der Stier und seine Gegner etc.
Der Entwurf zum Schutzumschlag stammt von dem deutsch-französischen, 1933 nach Frankreich emigierten Graphiker Jean Leppien (1910-1991), der unter seinem Pseudonym "lépine" Buchumschläge in Paris für Emigrantenverlage schuf. Er hatte 1929 bis 1930 am Bauhaus in Dessau bei Josef Albers, Wassily Kandinsky und Paul Klee studiert, war dann nach Berlin in an die Itten-Schule gegangen, wo er u. a. Fotografie bei Lucia Moholy und László Moholy-Nagy studierte. – Nur wenige Bleistiftanstreichungen der Übersetzerin Haasová, der Kisch das Exemplar auf dem Titel widmete: "Jarmilačkovi ve Versailly. Stary Egonek. Le 21 août 1934" (Meiner Jarmila in Versailles. Dein alter Egonek").

Lot 3082, Auction  118, Kisch, Egon Erwin, 5 Briefe des Jahres 1934 auf 4 Bögen, eigenhändig und maschinenschriftlich

Kisch, Egon Erwin
5 Briefe des Jahres 1934 auf 4 Bögen, eigenhändig und maschinenschriftlich
Los 3082

Zuschlag
1.000€ (US$ 1,075)

Details

"Ich habe mich ziemlich mit Klaus Mann angefreundet."
Kisch, Egon Erwin, und Gisela Lyner. 5 Briefe des Jahres 1934 auf 4 Bögen, eigenhändig und maschinenschriftlich an Jarmila Haasová in deutscher Sprache mit Unterschrift "Egonek" bzw. "Gisela". 21 x 27 cm. Mit 4 Kuverts. Versailles 1934.
Haupt, Kisch, S. 132ff. – Briefe aus dem Exil in Frankreich aus dem ersten Jahr nach der Machtergreifung 1934. Gisela Lyner und Egon Erwin Kisch hatten eine Wohnung in der Rue du Jeu de Paume 2 in Versailles gefunden, die sie von 1934 bis 1939 bewohnten. Darüber schrieb Bruno Frei (1897-1988), der sie besuchte: "Den Freunden erschloß sich der wahre Kisch in Versailles. Wir kamen sonntags mit Frau und Kind. Er bewohnte ein banal möbliertes Zimmer in einem kleinen Hotel. Wurden die Kinder vorzeitig müde, legte man sie in das Bett des 'rasenden Reporters' schlafen. Frau Gisl kochte unvorstellbare Mengen Kaffee für den ständig sich erneuernden Strom der Besucher." Und Ernst Bloch (1885-1977) berichtete: "Es war in der ersten Zeit des Faschismus, als ich Kisch nach längerem wiedersah. Wir trafen uns in Versailles, wo er damals wohnte, übrigens von der französischen Polizei belästigt, die nicht erst auf Vichy zu warten brauchte. [Er sagte] 'Ich habe dreißig Bücher geschrieben, aber ich brauche nicht einmal einen Schreibtisch, um Sachen herzustellen, die nicht schlechter sind als das hier [gemeint ist der Roman Der rasende Reporter].' So eigentümlich also beurteilte ein weitgeliebter, weltberühmter Schriftsteller die ihm eigene Form seiner Kunst, eine Form überdies, die zum revolutionären Kampf dermaßen tauglich und wirksam war ... Dieser rasende Reporter war in Wirklichkeit der langsamste, nämlich sorgfältigste - kraft des Willens zur großen Form in der kleinen" (zit. Patke, S. 149).

Versailles, 5. März 1934. 1 S. masch. Über seine Publikationen in Prag und Jarmilas Übersetzungen und Vermittlungen mit den Verlagen, die Pflicht, in der Tschechoslovakei Steuern auf seine Honorare zahlen zu müssen und seine Projekte. Er schließt mit dem Wunsch, Jarmila möge nach Versailles kommen "Gerade gegenüber von uns ist das Jeu de Paume, das Lokal, wo am 20.6.1789 der Dritte Stand die Große Revolution begann, und auch sonst sind herrliche Dinge hier, besonders der Park..." Verso auf demselben Bogen ein weiterer Brief:

Versailles, 7. März 1934. 1 S. eigenh. "Bevor der Brief geklopft war, ist die Schreibmaschine geplatzt, wir mußten uns eine andere ausborgen, auch sonst viel Rummel, son daß er liegen blieb. Inzwischen kam Brief ´von Arnold mit der Steuervorschreibung ... daß bei Melantrich auch die Russen erscheinen [seine Asien-Reportagen beim Prager Verlag Melantrich] ... Was macht Laco, Záviš, wer macht die Tvorba?".

Versailles, 22. März 1934. "Liebe Jarmila! Am besten wäre es, wenn Du gleich mit einem Prager Verlag einen Vertrag machen würdest auf drei oder vier Bücher (Asien, China, Eintritt verboten und Geschichten aus sieben Ghettos). Für das Buch müßte mit Landauer (jawohl, der ist der vom Kiepenheuer-Verlag) der Abschluß getätigt werden ... Mit Amerika verhandle ich jetzt direkt, aber natürlich, Geld habe ich noch nicht gesehen ... Wenn Du Erika Mann kennenlernen oder treffen solltest, so grüße sie herzlich von mir, ich war jetzt sehr viel mit Klaus Mann in Amsterdam beisammen und habe mich ziemlich mit ihm angefreundet. Ihr Freund ist (Diskretion!) der Landshoff, der mit Landauer bei Kiepenheuer war ... Mein Buch Eintritt verboten wird diese Woche fertig ..." Gemeint sind die Verleger Fritz Landshoff (1901-1988) und Walter Landauer (1902-1944).

Versailles, 12. April 1934. 1 S. masch. von Gisela und eigenh. von Kisch: "Liebster Jarmilatsch, bevor die Gisl in Prag ist, wirst Du wohl schon mit Landauer gesprochen haben. Wenn Toužimský die Gesammelten Schriften übernehmen würde, das wäre glänzend ... So ein Lümpchen wie Willy H. gibt Gesellschaften, während hier die anständigsten [durchgestrichen: Mensch, korrigiert] Emigranten Hungers sterben". Gemeint ist der Publizist, Filmkritiker und Drehbuchautor Willy Haas (1891-1973), ihr Ex-Mann, über den Jarmila wohl berichtet hatte.

Versailles, 5. Mai 1934. 1 1/2 S. eigenh. in blauer Tinte. Umfangreiche Stellungnahme zu Jarmilas Versuchen, seine Romane bei Verlagen unterzubringen. "Sfinx will eventuell ein Buch nehmen ... Toužimský eventuell 3 bis 4, aber er ist schäbig und auch sonst nicht gut; Asien will er nicht ... Es hat auch gar keinen Sinn, daß man mit jedem neuen Buch nachher von Verlag zu Verlag hausieren muß ... Kanst Du nicht Janda anrufen ..." Er nennt die Verleger Toužimský ("aber er ist schäbig") und Bohumil Janda, den Eigentümer des Prager Sfinx-Verlags sowie Touz und Pokrok. – Mit den maschinenschriftlichen Umschlägen.

Lot 3083, Auction  118, Kisch, Egon Erwin, 6 Briefe des Jahres 1935, davon 3 (2 eigenhändige, 1 masch.) Briefe Kischs

Kisch, Egon Erwin
6 Briefe des Jahres 1935, davon 3 (2 eigenhändige, 1 masch.) Briefe Kischs
Los 3083

Zuschlag
1.200€ (US$ 1,290)

Details

Physische und mentale Verarbeitung des Australien-Erlebnisses - Leben im Exil

Kisch, Egon Erwin, und Gisela Lyner. 6 Briefe des Jahres 1935, davon 3 (2 eigenhändige, 1 masch.) Briefe Kischs und 3 masch. Briefe Lyners an Jarmila Haasová in deutscher (5) und tschechischer (1) Sprache mit Unterschrift "Egonek" bzw. "Gisl". 16 S. auf 9 Bl. 28 x 22,5 cm. Mit 5 Kuverts. Versailles, Frankreich 1935.
Haupt, Kisch, S. 142ff. – Konvolut besonders umfangreicher Briefe von Kisch, aber auch von seiner Lebenspartnerin, Mitarbeiterin und emsigen Maschinenschreiberin Gisela Lyner, die Jarmila Haasová von den erheblichen, nicht nur finanziellen Mühen des Exils in Frankreich berichtet.
Den Briefen des Jahres 1935 geht die dramatische Australienreise des Journalisten voraus, der in Melbourne am Gesamtaustralischen Antikriegskongress teilnehmen wollte, dem aber vor Ankunft das einst schon ausgestellte Aufenthaltsvisum wieder verweigert wurde: "Am 13. November 1934 um zwei Uhr sprang ein Mann von dem Schiff Strathaird achtzehn Fuß tief auf den Kai des Hafens von Melbourne hinab und brach sich ein Bein. Beinahe über Nacht verwandelte sich die Bewegung gegen Krieg und Faschismus in Australien, die bis dahin nur von einer kleinen Gruppe getragen wurde, in eine große Massenbewegung. Der Name des Mannes war Egon Erwin Kisch" (Frank Hardy, zit. Patka S. 160).

1) Les Sablettes bei Toulon, 12. April 1935. Aus dem Hôtel de la Plage. 1 S. masch. mit Unterschrift "Gisl", 2 S. eigenh. von Kisch mit Unterschrift "Egonek", auf 2 Bl. Kisch ist nach seiner Australien-Reise, bei der er bei der Landung vom Schiff gesprungen war, wieder nach Frankreich zurückgekehrt. Lyner fragt sich, "wie lange wir mit unserem Geld auskommen, und dann ..., ob die diversen Freunde nicht schon vorher seine Rückkehr verlangen. Andererseits ist Egonek ziemlich kaputt; vor allem ist das Bein noch gar nicht in Ordnung ... Die Australierin und ihr Sohn sind übrigens mit uns hier (sie sind übrigens reizend) und heute fahren sie weiter nach London ... Außerdem hat Egonek noch einen jungen australischen Journalisten mitgebracht, der jeden Tag drei Artikel schreibt". Gemeint ist John Fisher (1910-1960), ein Sohn des ehemaligen australischen Premierministers Andrew Fisher (1862-1928).

Kisch schreibt dann eigenhändig über sein Australienerlebnis, bei dem die Regierung ihn gewaltsam auf die deutschen Schiffe Mosel bzw. Leuna bringen werden, die ihn in das faschistische Deutschland verschleppt hätten, was sicherlich inzwischen Lebensgefahr bedeutet hätte (vgl. Haupt S. 147): "Wir dürfen keine Pessimisten sein, auch wenn es fast nicht anders geht. Glaube mir, der ganze Rummel in Australien mit den großen Gefahren (zum Beispiel: die Regierung wollte mich auf einen deutschen Dampfer bringen) hat mich nicht so aufgeregt, wie die Nachrichten, die hier auf mich gewartet haben. Die Rosner-Affäre, der Tode meines Freundes Štricha, Briefe von Freunden us. ... Über Australien habe ich fast noch gar nichts ausgearbeitet, ich lasse das, bis Du hier bist ... Aus Australien habe ich Dir öfter geschrieben, aber Du hast nichts bekommen ... Bis dahin küsse ich Dich, Jarmilatsch, und bin Dein Fünfzigjähriger (im Abrahamsalter!) Egonek".

2) Versailles, 18. Juni 1935. 1 1/2 S. masch. Über die Teilnahme am 'Ersten Internationalen Schriftstellerkongreß zur Verteidigung der Kultur' in Paris: "Gestern war ein gewisser Ryland aus Australien hier, er wohnte bei Fishers in London ... Sag John [Fisher], daß die Delegationen länderweise bestimmt werden, zum Beispiel stellte England auch die Schriftsteller aus Canada zusammen, die zum Kongreß eingeladen wurden ... André Gide spricht, Barbusse, Malreaux, Feuchtwanger, Heinrich Mann, Mike Gold, Forster, Huxley, Karin Michaëlis, Brecht, Seghers, Becher, Weinert, Karel Čapek, Nezval und Kisch, so wie viele andere. Die Zeitungen allerdings zeigen kein großes Interesse für die Sache".

Über Paris und London, wo Jarmila Haasová gerade weilt und über eine Ausstellung in Moskau zum 50. Geburtstag von Kisch. Gisl fügt hinzu: "... ich muß beim Kongreß stenografieren und die Kasse verwalten und Broschüren verkaufen?".

3) Versailles, 3. August 1935. Ausführlicher masch. Brief von Gisela Lyner, 2 S. "Es wundert mich sehr, daß John [Fisher] von Hanns Eislers momentaner Anwesenheit in M[oskau] schreibt, denn ich hörte in Wien, und sogar schon vor meiner Abreise von hier, dass er bereits seit Wochen in Dänemark bei Brechts ist, am 1. September muss er seine Professur in Newyork antreten...".

4) Bredene sur Mer, 26. September 1935. Noch umfangreicherer masch. Brief von Gisela Lyner, aus Bredene (Brèinienge; sie schreibt "Breedene"), einem Ort an der belgischen Küste, 3 1/2 dicht beschreibene Seiten. Gisela versucht eine Verstimmung zwischen ihr und Jarmila aufzulösen und sich zu erklären. Es geht viel um die Artikel Kischs "Dann kommt die Sache mit den Australien-Artikeln: ich habe Dir doch in fast allen Briefen geschrieben, dass ausser der Bodyline kein einziger Artikel auch nur halbwegs druckreif ist ... Und damit komme ich zu dem Haupt-Vorwurf, den Du mir machst: dass ich Dir eine Komödie vorspiele in bezug auf deinen persönlichen Konflikt mit E[gonek]...".

Es geht viel um ausstehende Zahlungen und sehr interessant auch um die komplizierte Abwicklung der Honorare für die Artikel Kischs: "Auch das mit dem Geld in der SU. ist ein Missvderständnis. Es ist ganz unmöglich, daß E. über das Geld verfügen kann, wenn er nicht selbst dort ist ... Ich will Dir ausführlich erklären, wie das mit dem Geld ist, damit Du es nicht noch einmal missverstehst. Die Honorare werden nachdem man sie verlangt, auf das Konto, das man hat, geschickt, und dann kann man es dort mit einem sozusagen Scheckbuch mit persönlicher Unterschrift abholen. Aber dieses Scheckbuch darf man nicht mit ins Ausland nehmen, und wir mussten es bei unserer Abreise von der Grenze zurückschicken. Uebrigens waren nur ein paar Rubel darauf, weil die verschiedenen Honorare von E. noch gar nicht angefordert waren...".

5) Versailles, 11. Dezember 1935.
Ausführlicher masch. Brief von Gisela Lyner 3 S. "Die Anna S. [die Schriftstellerin Anna Seghers; 1900-1983 ] sehe ich nur selten, nämlich bei den Schrifst. und da kann man sich kaum unterhalten, sie arbeitet jetzt auch sehr viel, sodass sie nie zu uns und wir nie zu ihr kommen ...Von Otto [der tschechische Schriftsteller Otto Katz; 1895-1952] haben wir eine Ansichtskarte bekommen, die erste, seit er weg ist, Ilschen ... ist jetzt allein in Newyork, er ist im Flugzeug von Chicago nach Los Angeles gereist ... Hab ich Dir geschrieben, dass auch die Lotte Jacobi [die Fotografin Johanna Alexandra Lotte Jacobi; 1896-1990, die u. a. Kisch portätiert hatte] dort ist?"

Dann folgt viel über Kischs Publikationen, über China geheim, über Landung in Australien, das tatsächlich dann erst 1937 bei Allert de Lange in Amsterdam erscheinen konnte: "Du bist ja eine Optimistin, Jarmila, dass Du glaubst, das Australienbuch kommt vor Weihnachten heraus; ja vielleicht kommt es vor Weihnachten heraus, aber im nächsten Jahr ... Ich will auch noch an die Duschkos [d. i. Theodor Balk] heute schreiben, wann ich die anderen Briefschulden erledigen werde, weiß der Himmel, an Irma, Pully, Nico, Nell und Kev, ganz abgesehen von den Australiern in Australien und diverse sogenannte geschäftliche Briefe...".

6) Versailles, 11. Dezember 1935.
Eigenh. Brief von Egon Erwin Kisch. 1 S. mit Unterschrift "Egonek". "Aus diesem Plagiat im České slovo [die Tageszeitung der Nationalsozialistischen Partei in Prag, etwa 'Tschechisches Wort'] mache ich mir nichts, ich bin solche Dinge gewohnt und werde nicht reagieren Fragebogen liegt beantwortet bei ... Und grüße den alten Vincek, und wenn ich nach Prag komme, werde ich ihm den Allerwertesten beim Billard so jagen, daß er es bis zu seinem Tode nicht vergißt ... Wenn Dein Artikel erscheint, schicke ihn mir und sei ungerührt, - es gibt eben dumme Leute und schreibe (s. oben). Daß der Frey Dich deswegen nicht gern hat, bezweifle ich. Wenn Du ihn siehst, so grüße ihn und auch den Kurt Kersten". Er meint seinen Kollegen und Freund, den Journalisten, Publizisten, Schriftsteller und Historiker Kurt Kersten (1891-1962) sowie den Schriftsteller Alexander Moritz August Theodor Frey (1881-1957), dessen Werke 1933 auch der nationalsozialistischen Bücherverbrennung anheim fielen und dann nach Basel ins Exil ging. – Kaum Gebrauchsspuren, die teils eigenhändigen Kuverts mit üblichen Rissen.

Kisch, Egon Erwin
Abenteuer in fünf Kontinenten. 2. Aufl.
Los 3084

Zuschlag
140€ (US$ 151)

Details

"Dedié par Egonèque"
Kisch, Egon Erwin. Abenteuer in fünf Kontinenten. (Mit Vorwort von Theodor Balk). 251 S. 19,4 x 13 cm. Blaugraues OLeinen (abgegriffen, stärker fleckig, bestoßen, unfrisch) mit Rücken- und VDeckeltitel in Dunkelblau. Paris, Editions du Carrefour, 1936.
Melzwig 366.2. – Als zweite Ausgabe in Paris herausgebrachter satzgleicher anastatischer Abdruck der in Moskau gedruckten Erstausgabe mit dem Copyright-Vermerk "1935" und Druckvermerk "Druckerei-Agentur A/S Samtryk, Oslo". – Gelenke locker, Innengelenke teils eingerissen, Buchblock gelockert, teils gebrochen, vereinzelt etwas stärker fleckig oder mit Gebrauchsspuren der Übersetzerin der Werke Egon Erwin Kischs, seiner Freundin Jarmila Haasová, deren Bleistiftanstreichungen und Kommentare sich in dem Band finden. Titel mit scherzhafter Widmung Kischs in französischer Sprache: "Dedié par Egonèque".

Lot 3085, Auction  118, Kisch, Egon Erwin, 5 (3 eigenhändige) Briefe an Jarmila Haasová aus dem Exil in Versailles

Kisch, Egon Erwin
5 (3 eigenhändige) Briefe an Jarmila Haasová aus dem Exil in Versailles
Los 3085

Zuschlag
1.800€ (US$ 1,935)

Details

"Wir sind einfach Schweine, aber unfreiwillige." - "Es ist zum Kotzen."
Kisch, Egon Erwin. 5 (3 eigenhändige) Briefe an Jarmila Haasová aus dem Exil in Versailles in deutscher und tschechischer Sprache, jeweils mit Unterschrift "Egonek". etc. 27 x 21 cm. Mit 4 Kuverts. Versailles 1936.
Haupt 154ff. – Bedeutende, inhaltsreiche Korrespondenz von Egon Erwin Kisch und seiner Partnerin Gisela Lyner aus dem Exil in Versailles an Jarmila Haasová, bei der es um die Arbeit, die Korrekturen seiner Reportagen und Bücher, deren Veröffentlichung, aber auch um die immer schwierigere Situation der Exilanten in Frankreich geht. So können die beiden nicht mehr frei reisen, brauchen Visa und haben dennoch Grenzprobleme, hinzu kommen die Geldsorgen - aber auch Erfolge und vor allem viele Besuche von Freunden, Bekannten, bedeutenden Kollegen, Journalisten, Schriftstellern, Kommunisten und Widerständlern gegen die deutsche Diktatur.

1) 24. Januar 1936. Eigenh. auf Deutsch. "Mily Jarmiláče! Anbei Fragebogen retour. Sonst heute nichts Neues. Außer, daß ich auch meine Füllfeder verloren habe. Weiskopf schreibt mir heute, er will etwas gegen den Boykott meiner Bücher in Prag schreiben. Sonst scheint er an das Honorar nicht zu denken, will aber den 'Case' bringen, will schon jetzt Reklamenotiz. Ich würde das alles von Woche zu Woche druckreif machen. .." Der Schriftsteller Franz Carl "F.C." Weiskopf (1900-1955) schrieb in deutscher Sprache und stammt wie Kisch aus Prag. Seine Mutter war Tschechin, sein Vater ein jüdisch-deutscher Bankangestellter. Mit dem 'Case" meint Kisch den ersten Teil seines "Buches Landung in Australien, in dem Kisch über seine Überfahrt, Verhaftung und Inhaftierung, über die Kampagne zu seiner Freilassung sowie den gegen ihn geführten Prozeß - also über die eigenen Erlebnisse - berichtet, bevor er dann in Reportagen über Geschichte und Leben in Australien schreibt" (Haupt S. 154 Anm.).

2) 5. März 1936. Masch. auf Deutsch. Unten auf einem umfangreichen Brief von Gisl Lyner an Jarmila. Diese berichtet von der Rückkunft nach einem Aufenthalt Kischs in Prag: "Inzwischen ist auch Egonek eingetrudelt, aber erzählen tut er sehr wenig, was immer man ihn fragt, wie geht es dem, was macht der, immer antwortet er: ich weiß nicht. Und sagt nur, daß er eigentlich mit keinem Menschen richtig reden konnte, dasselbe, was Du auch sagst. Seit seiner Ankunft bis gestern haben wir ununterbrochen die nächste Fortsetzung für die A.I.Z zurechtgemacht ..." Sie schreibt von Problemen der Wiedereinreise nach Frankreich und Visaproblemen und hofft, "daß alles geregelt wird, damit wir nicht beide beim Zurückkommen uns an der Grenze herumstreiten müssen, und vielleicht das nächstemal ohne Erfolg ... Ich würde nichts sagen, wenn nicht so miese Zeiten wären". Sie erwähnt Lene Radó, Paul Eisner, John Fisher Tom Fitzgerald und F. C. Weiskopf und schließt ein "Diktat von Egonek" an: "Den Brief ans Deutsche Theater habe ich schon geschrieben, wenn Duschko ihn haben will, kann ich ihn ihm schicken". Mit Duschko ist der Schriftsteller Fodor Dragutin (1900-1974) gemeint, der unter seinem Pseudonym Theodor Balk schrieb. Es folgt eine kleines Erlebnis: "Den Stich von Versailles scheine ich in Prag vergessen zu haben. Im Zug saß zwischen mir und meinem Freund, mit dem ich nicht sprach, ein Mann, der sich als Detektiv entlavte und es dann auch gar nicht leugnete. Er stieg in Horní Dvořiště aus. Warum er mitgefahren ist, weiß ich nicht. Aber wie man doch achtgeben muß! ... Machs hübsch, Jarmilatschku, old Egonek".

3) 15. März 1936.
Eigenh. Brief auf Tschechisch mit einigen Zeilen von Lyner auf Deutsch. mit Unterschriften "Gisl" und "Egon". Er schreibt von den zahlreichen Besucher in Versailles - Kisch und Lyner waren zu einer der Informations-Drehscheiben im Exil geworden. So besuchte sie 1936 auch der Schriftsteller Bruno Frank (1887-1945), der als Sohn einer jüdischen Bankiersfamilie schon am Tag nach dem Reichstagsbrand seine Heimat verlassen hatte.

"Gestern war der Frank hier ... außerdem natürlich viele andere, Gisl mußte 5mal Kaffee kochen. Lene [Radó] war auch hier. Du hast wohl meinen Brief nicht bekommen, in den Lene die Fotografie von ihrer Freundin für Johnny H. [d. i. John Heartfield] beigelegt hat? Das war gerade der sogenannte 'Kollektivbrief' ... Der Zwischenfall von Kaspar mit diesem Deutschen im Kino ist wirklich erstaunlich. Arbeiten kann ich hier nicht, wenn sich solche Burschen wie der Frank hier einnisten. Am Sonnabend war ich in einem Chaplin-Film, weil Bornstein, der mich gebeten hat, darüber zu schreiben, nicht wieder ablehnen wollte. Es wird übermorgen im Tagebuch erscheinen."

4) 25. März 1936. Überaus ausführlicher, langer und inhaltsreicher masch. Brief auf Deutsch mit Unterschrift "Libá Té Jarmiláčku Tvůj Egonek" (eingerissen und mit farbigen Anstreichungen). "Liebste Jarmila, Du kannst Dir keinen Begriff machen, wie es hier zugeht, und wir denken ernstlich daran, mit Hinterlassung all unserer Habe einfach zu flüchten. Wahrscheinlich zu Yvonne nach Holland. Obwohl wir uns ausser zu Versammlungen fast nicht wegrühren, sind wir nicht imstande mehr als eine Fortsetzung für die A.I.Z. per Woche druckfertig zu machen ... Nevertheless bist Du die Einzige, mit der wir überhaupt in brieflichem Kontakt sind.

Deinen Brief an Anna [Seghers] haben wir weitergegeben, sie wird Dir antworten, auch sie flüchtet heute oder morgen vor dem Betrieb". Erwähnt John Fischer, Otto Katz, Willy Münzenberg, Olga Ossip, F. C. Weiskopf (meist nur mit Vornamen). "Deine Übersetzung der Chassjad Mirkulan [eine Reportage aus Abenteuer in 5 Kontinenten] habe ich wirklich gelesen, sie gefiel mir glänzend ..." und zu anderen seiner Werke, dem 'Case' [Landung in Australien]: "Es ist zum erstenmal, daß Du ein ungedrucktes Buch von mir übersetzt, und deshalb kann man alle Anregungen noch in die deutsche Originalausgabe hineinarbeiten ... 'H. M. S. Strathaird'. Das ist falsch 'H.M.S. (His Majesty Ship) sind nur die Kriegsschiffe. Streich es als heraus und laß nur 'Strathaird' stehn ... Ich erinnere mich deshalb daran, weil der Schneidermann den 'Case' [Landung in Australien] ins Jiddische übersetzt, und er sagte, die ersten drei Seiten waren eine Teufelsarbeit, erst dann kam er in den Stil hinein. Er ist wahrsceheinlich nicht gewohnt, so konzentrierte Sachen zu übersetzen".

Weiter über John Fisher, der in Moskau weilt: "Ich bin neugierig, ob sich John F. nicht doch noch in M. halten wird. Vor einem Jahr waren wir beide noch auf dem Schiff, damals dachte ich kaum, daß er in M. eine Arbeit finden wird ... An Tom, Nell und Kev [gemeint ist Tom Fitzgerald und seine Familie] haben wir seit Monaten nicht geschrieben, wir sind einfach Schweine, aber unfreiwillige." Auf Verdacht der Zensur seiner und der Briefe seiner Bekannten: "Es ist wirklich auffallend, daß gerade der Kollektivbrief mit dem Foto verlorengegangen ist. Meiner Ansicht nach ist es nur ein Zufall; aber es ist doch komisch, daß es immer Briefe mit merkwürdigen Sachen, wie z. B. das Foto verlorengehen".

5) 29. März 1936. Eigenhändiger Brief von Lyner und Kisch auf Deutsch: "Ich will Dir nur in aller Eile mitteilen, daß wir aus Holland wieder ausgeladen sind. Wir haben aber doch Abreisepläne, falls wir etwas Geld bekommen. John schrieb uns gestern aus M[oskau]". Und Kisch: bei schwerer mehrstündiger Arbeit können wir täglich nicht mehr als 2 bis 2 1/2 Seiten zu Ende korrigieren! Das bedeutet bei einem Buch von etwa 370 Seiten, daß wir knapp vor Weihnachten fertigwerden, wenn keine Störungen eintreten. Es ist zum Kotzen!".

Lot 3086, Auction  118, Kisch, Egon Erwin, 5 Briefe an Jarmila Haasová in deutscher Sprache aus Belgien und Holland,

Kisch, Egon Erwin
5 Briefe an Jarmila Haasová in deutscher Sprache aus Belgien und Holland,
Los 3086

Zuschlag
950€ (US$ 1,022)

Details



Kisch, Egon Erwin, und Gisela Lyner. 5 maschinenschriftliche Briefe an Jarmila Haasová in deutscher Sprache aus Belgien und Holland, mit Unterschrift "Egonek" und "Gisl". 27 x 21,5 cm. Mit 4 Kuverts. Gent und Rotterdam 1936.
Umfangreiche Korrespondenz in deutscher Sprache in maschinenschriftlichen Briefen, die meist zusammen von Kisch und Lyner abgefasst und unterschrieben wurden und die zeigen, wie schwierig das Leben der Exilanten ist, die mittels der Briefe die einzige Möglichkeit nutzen, ihr riesiges Netz von Bekanntschaften, Journalisten-Kollegen und Schriftstellern aufrecht zu erhalten. Besonders interessant die Erinnerungen an ein Treffen mit Maxim Gorki.

1) Gent, 16. April 1936. Gisela Lyner schreibt masch. aus dem "Hotel Excelsior" und Egonek setzt einen eigenh. Gruß hinzu: "Liebste Jarmila, wie angekündigt, sind wir abgereist, zuerst nach Brügge ... sind jetzt in Gent ... Es ist nur wichtig, dass Du uns schreibst, umsomehr als wir von der Welt abgeschnitten sind ... wir sind fast ganz ohne Geld weggefahren, weil der Verkehr in Versailles unerträgliche Ausmasse angenommen hatte. Ein Zimmer habgen wir dort behalten müssen, sonst hätten wir nicht gewusst, wohin mit all unseren Sachen ... Deine Gisl". "a Egonek, který té líbá" ("und Egonek, der dich küsst").

2) Gent, 27. April 1936. Ausführlich dieselbe. Masch. Brief mit Unterschrift "Gisl". "Leider kann ich Deine Artikel ja nicht lesen, und der Egonek ist viel zu faul, sie mir zu übersetzen ... Was Du über die Fehler im 'Case' [das Manuskript Landung in Australien] sagst, die Entfernung beim Rekordflug und Preis des Telegramms etc., hat der John [der australische Journalist Fisher; 1910-1960; Sohn des dortigen Premierministers Andrew Fisher] dem Egonek auch gesagt, und es wird mit roter Tinte korrigiert. Das Buch vom Tom [Fitzgerald] (On the Pacific Front) haben wir schon bestellt ... Mein Visum ist nur bis Mitte Mai, und das Verlängern macht schreckliche Laufereien und Schwierigkeiten. Vielleicht gehen wir dann noch nach Holland ... Von Lene [Radó]haben wir viel Post, sie ist ganz gebrochen über die Ereignisse in Südamerika, und wirklich ist das, was man von dort liest, ganz grauenhaft und erschütternd."

3) Rotterdam, 18. Mai 1936. Umfangreicher masch. Brief von Egon Erwin Kisch im Diktat von Lyner, mit Unterschrift "Egonek" und "Gisl" sowie 5-zeiliger eigenhändiger Beischrift von Kisch. Kisch schreibt: "Seit acht Tagen sitzen wir jetzt in Holland, es geht uns, da wir eingeladen sind, recht opulent, und materiell sorglos, aber das bezahlt man wieder mit soviel verlorener Zeit, daß wir sofort wegfahren würden, wenn uns Paß- und Geldverhältnisse solches gestatteten". Weiter über Wolfgang Langhoffs (1901-1966) Bericht über 13 Monate im Konzentrationslager Moorsoldaten (1935 erschienen), sie erwähnt Feuerstein, Schörpner, Paul Eisner, Nico Frost, John Fisher, John "Johnny" Heardfield".

4) Rotterdam, 23. Mai 1936. Masch. Brief von Lyner mit Unterschrift "Gisl" und eigenhändiger Beischrift von Kisch: "Schöne Blödheiten, schreibt da die Gisl. Du musst ja direkt glauben, daß ich krank bin. Rede nicht bei mir zuhause davon. Líbá Té Starý E." ("Ich küsse Dich, Dein alter E."). Gisl berichtete über Fotos für die Artikel in der A.I.Z. und die Korrekturen zur Landung in Australien: "Dieser Tage werden wir mit dem Case fertig werden ... wenn wir etwas Geld kriegen, will der Egonek wieder nach Belgien zurück ... Gestern war der Arzt hier (Freund von Sanders) und hat den Egonek sehr ordentlich untersucht, es fehlt ihm gar; gar nichts, nur muss er eine richtige Diät haben, um abzunehmen, d. h. er darf alles essen, nur kein Fett, keine Kartoffeln, kein Brot und keine Sauce, also alles, was er gern isst...".

5) Rotterdam, 7. Juni 1936. Langer masch. Brief von Kisch mit Unterschrift "Egonek u. Gisl". Kurz vor der Abreise aus Rotterdam: "... wir machen gar nichts, eingeladen sein ist zwar billig und schön; aber doch auch wieder teuer, indem man nicht zum Schreiben kommt ... Wir gehen irgendwohin bei Ostende ... Vielleicht gehen wir wieder nach Breedene. Da die Artners und die Fitzgeralds auch im Sommer nach Belgien gehen, werden wir sie vielleicht dort treffen ... Gestern lasen wir, daß Maxim Gorki im Sterben liegt, es wäre schrecklich für die Literaturfront, wenn das wahr wäre; er ist nicht nur ein Name, sondern wirklich ein großer Mensch, der sich um das Kleinste kümmert.

Wie lange ist es doch schon her, daß wir bei ihm in Saarow-Pieskkow waren, und schon damals hatten wir doch das große Gefühl, einem historischen Menschen gegenüberzustehen. Du solltest einmal über diesen Besuch schreiben, vor allem darüber, wie er, der damals in unzweifelhafter Opposition zu den Sowjets stand, über das Gedicht von Majakowski, das die kleine Neumannová vortrug, begeistert war, und wie positiv er über alles in Rußland sprach".

Dann folgen Anmerkungen zu Übersetzungen Jarmilas, über die A.I.Z. und Julian Smiths Bericht On the Pacific Front. The Adventures of Egon Kisch in Australia, das 1936 in Sidney erschien.

Lot 3087, Auction  118, Kisch, Egon Erwin, Abenteuer in fünf Kontinenten

Kisch, Egon Erwin
Abenteuer in fünf Kontinenten
Los 3087

Zuschlag
380€ (US$ 409)

Details

"Wir leben in einer schweren Zeit. In einer blutigen Zeit."
Kisch, Egon Erwin. Abenteuer in fünf Kontinenten. (Mit Vorwort von Theodor Balk). 251 S. 19 x 12,2 cm. Beigefarbenes OLeinen (etwas gebräunt und braunfleckig) mit Rücken- und VDeckeltitel in Braun sowie mit zweifarbig illustriertem OSchutzumschlag (mit kleinen Randaus- und einrissen, etwas angestaubt). Moskau, Verlagsgenossenschaft ausländischer Arbeiter in der UdSSR, 1936.
Melzwig 366.1. – Erste Ausgabe einer Zusammenstellung von 21 Reportagen aus der ganzen Welt, die Kisch in Moskau drucken lassen konnte, mit den genauen Angaben im Impressum bis hin zum Papierformat: "In Arbeit: 15.IV.1935 - In Druck 22.II.1936 - Druckbogen: 15 3/4 - Druckzeichen pro Druckbogen: 33.000. Autorbogen: 10 1/4 ... Druckerei 'Iskra Rewoluzi' Moskau, Filippowski Pereulok 13. Auflage: 6100".

Das Vorwort des serbisch-deutsch-jüdischen Schriftstellers Theodor Balk (1900-1974) ist eine Hommage an den 50-jährigen Autor: "Kisch ist der große Reporter-Ankläger des kämpfenden Proletariats, (Noch mehr wäre er, wenn er, im Gegenstande des Kunstwerks selbst, der Reporter der großen revolutionären Schlachten des Proletariats sein würde. Doch ist dies Buch kein Nekrolog.) Und wenn wir heute zu diesen 50 Jahren Leben unseres Freundes objektiv Stellung nehmen, so wissen wir, daß es nur eine Ueberschau über die durchlaufenen Etappen ist. Und wir warten auf die nächste, auf die höchste Etappe im Werke Kischs. Wir leben in einer schweren Zeit. In einer blutigen Zeit. In einer - ja das kann man sagen - in einer großen Zeit. Wir leben im dreißigjährigen Krieg der sozialen Revolution. 'Schreib das auf, Kisch', rufen wir ihm zu. Und wir wissen: er wird es aufschreiben" (S. 29). – Vorsätze etwas schattig und fleckig, sonst nur geringe Gebrauchsspuren, kleiner Einriss. Titel mit Widmung Kischs: "gewidmet vem Jarmiláč von Egonek.", an die geniale Übersetzerin Jarmila Haasová, deren Lese- wie Arbeitsexemplar das vorliegende war. So finden sich vor allem im Vorwort zahlreiche Einträge, Streichungen und eigenhändige Notizen. Sehr seltene Leinenausgabe (mit der Rückdeckelblindprägung im Rückdeckel: "Preis 3,5 Rubel - Einband 1 Rubel") mit dem originalen Schutzumschlag.

Lot 3088, Auction  118, Kisch, Egon Erwin, 5 maschinenschriftliche Briefe an Jarmila Haasová in deutscher Sprache aus Bredene

Kisch, Egon Erwin
5 maschinenschriftliche Briefe an Jarmila Haasová in deutscher Sprache aus Bredene
Los 3088

Zuschlag
1.600€ (US$ 1,720)

Details

"Reportage und Kommunist, das ist den Kritikern zu viel" - "Spanien, wo sich unser Schicksal entscheidet."

Kisch, Egon Erwin, und Gisela Lyner. 5 maschinenschriftliche Briefe an Jarmila Haasová in deutscher Sprache aus dem belgischen Küstenort Bredene in der Provinz Westflandern. Mit Unterschrift "Egonek" bzw. "Gisl". Jeweils 9 x 14 bis 10,5 x 15 cm. Mit 4 Kuverts. Bredene, Belgien 1936.
Die zeitgeschichtlich bedeutende Bredener-Briefe des politischen Umbruchjahres 1936. In den Sommermonaten zogen sich Gisela Lyner und Egon Erwin Kisch zum Arbeiten zurück in den belgischen Küstenort Bredene, sie schreiben als Absender "Breedene sur Mer Hôtel d'Anvers". Dort treffen sie u. a. die Autorin Irmgard Keun und viele andere, kommen aber mehr zum Arbeiten als in Versailles.

1) 22. Juni 1936.
1 1/2 S. von Egon Erwin Kisch mit Unterschrift "Tvůj starý Tě líbající Egonek" ("Dein alter, Dich küssender Egonek") und eigenhändiger Nachschrift "Beide, leider, haben wir kein Photo gefunden, Trotz allem Suchen E." Jarmila hatte sich für eine Publikation ein Foto erbeten (ggf. für ein Frontispiz). Es geht um eine wohl von dem tschechischen Redakteur und Übersetzer František Schörpner (1904-1941) abgelehnten Veröffentlichung von Kischs Reportagen in Prag. Schörpner, der auch für seine Karl May Übersetzungen bekannt war, verlor sein Leben am 29. März 1941 im Konzentrationslager Dachau.

"Die Sache mit Schörpner nimmst Du viel zu tragisch, ich möchte auch keinesfalls, daß die Schuld an meinem Boykott, welcher teils ein politischer, teils einer der literarischen Ahnungslosigkeit ist (die Leute halten eben immer noch Reportage für etwas weniger Feines), daß dieser Boykott so hingestellt wird, als sei er nur aus Konkurrenzgründen eines Herrn Schörpner oder wegen Honorarforderungen veranlaßt. Wir müssen einen Verlag finden, wenn nicht jetzt, so später, und das wird die Antwort sein".

Über die amerikanische Verlegerin Blanka Knopf, die Frau des New Yorker Verlegers Alfred A. Knopf, die ihn nach Paris bittet, Kisch lobt Jarmila für ihre Übersetzungen, aber auch für ihre eigenen Texte, von denen sie immer mehr verfasste: "Dein Artikel über Ostrowski ... ist ganz brillant ... Du beklagst Dich immer, daß man Deine Arbeit nicht anerkennt ... Das Zitat am Schluß, Lenins Worte, lassen den Artikel etwas zu parteijargonmäßig abklingen..."

2) 22. Juni 1936. 2 S. eng beschriebenes Blatt von Lyner am selben Tag. Sie berichtet über die Flucht aus dem Deutschen Reich nach Israel, die immer schwerer wird: "Das mit dem Zionismus ist komisch, aber ich höre das jetzt oft, von Leuten, die erst jetzt herauskommen, daß sie sich darauf verlegen". Ausführlich schreib Gisela über die Publikationsarbeit, Korrekturen und Abschriften mit der Maschine und berichtet interessant von den Lebensumständen in Belgien, wobei sie zahlreiche Preise nennt: "Pension zahlen wir pro Person 30 belg. Francs täglich ... ein Kaffee kostet 1.50 bis 2.50, je nach dem Lokal und eine Schachtel mit 25 Zigaretten 2.20".

Lyner schreibt von ihrem Kontakt mit der Autorin Irmgard Keun (1905-1982): "Und in Ostende (10 Minuten mit der Elektrischen von hier) wohnt eine neue Verlagskollegin von Egonek, die erst vor kurzem herausgegangen ist, vielleicht kennst Du sie dem Namen nach: Irmgard Keun. Sie hat Das kunstseidene Mädchen und Gilgi, eine von uns geschrieben. Also direkt einsam sind wir hier leider nicht, aber es ist doch ein großer Unterschied zu Versailles".

Über die am 5. Dezember 1936 im VIII. außerordentlichen Sowjetkongress der Sowjetunion verabschiedete Verfassung durch die Kommunistische Partei der Sowjetunion unter Josef Stalin, in der weder die Möglichkeit zu freien Wahlen noch die Wahrung von Menschenrechten faktisch vorgesehen waren - und die UdSSR von Stalin immer mehr zu einer Diktatur umgebaut wurde. "Hier im Land geht jetzt allerlei vor, wenn's doch nur auch mit einem so guten Erfolg enden würde wie in Frankreich! Und die neue Verfassung in USSR ruft auch großes Erstaunen hervor".

3) 15. Juli 1936. 2 S. masch. Brief mit Unterschrift "Egonèque" und 9-zeiliger Nachschrift, gezeichnet "Deine Gisl". Über die Situation in Bredene als Zufluchtsort der deutschen Intellektuellen, über seine Bücher und vieles mehr: "...vor allem wollten wir endlich den Kisch-Case [Landung in Australien] abschicken, es war ja schon zum Kotzen dieses Herumgemache daran. Jetzt ist es weg, und es kommt die zweite Hälfte des Buches, und das wird wohl noch ärger ... Gestern schickte ich Dir On the Pacific Front, das Buch von Tom [Fitzgerald], mit einer Widmung ... es ist wirklich ausgezeichnet! ... Du kannst Dir vom Rummel hier keinen Begriff machen, unter anderem sind in Ostende und Breedene: Joseph Roth, Hermann Kesten, Stefan Zweig, Irmgard Keun, Arthur Koestler, Lou Eisler, Artners, ein paar Arbeiter-Genossen, darunter proletarische Schriftsteller, denen es natürlich fürchterlich geht. Auch verdächtige Subjekte schleichen herum ... Eisner ... ist der einzige Mensch auf der Welt, der noch über mich schreibt, - Reportage und Kommunist, das ist den Kritikern zu viel ... Die Lou erzählt, daß sie Dir wegen Übersetzungen von Brecht und Paul Fischauer, dessen Biographie von Beaumarchais in Amerika ein Bestseller ist, schreiben ließ ... ".

4) 24. Juli 1936. 1 S. masch. Brief mit Unterschrift "Dein Egonek", bedeutender, zeitgeschichtlich interessanter Brief über sein Buchprojekt Landung in Australien, über neue Buch- und Reisepläne, aber auch über die aktuelle politische Situation, die er und Gisela Lyner aufmerksam verfolgten. So erwähnt Kisch die Tagung des Völkerbunds (die sog. Genfer Liga) und macht sich ernste Sorgen über den Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs, der in der Woche zuvor durch die Militärrevolte in Spanisch-Marokko am 17. Juli 1936 begonnen hatte.
"Liebste Jarmila, nachdem Du also in jugendlichem Optimismus darauf bestehst, daß wir Dir die korrigierten Exemplare von Case aufheben, weil Du so sicher bist, einen Buchverlag dafür zu finden, so heben wir Dir die Manuskripte auf." Die Landung in Australien soltte dann tatsächlich 1937 bei Allert de Lange in Amsterdam erscheinen.

"Ich habe auch zwei Artikel von den Australien-Reportagen fast fertig, der eine, über die Botany Bay, ist mehr eine Einleitung zu dem Buch ... Der andere hat 15 Seiten und handelt von den Eingeborenen. Du fragst, was 'Orford' ist? Das weiß ich selbst nicht." Es handelt sich um den Dampfer, "mit dem Kisch Anfang März 1935 von Australien aus die Heimfahrt nach Europa antrat" (Haupt). "Fitzgeralds erzählen, daß John [Fisher] nach Genf fährt fährt zur Völkerbundstagung als Spezialberichterstatter für eine australische Zeitung ... Ich habe Pläne für ein neues Buch und eine neue Reise ... Wir sind alle sehr bedrückt wegen Spanien. Es wäre schrecklich, wenn dort die Reaktion siegen würde".

5) 18. August 1936. 1 1/2 S. masch. Brief mit Unterschrift "Egonek" und von Lyner "und Gisl", mit 4-zeiligem eigenhändigen Nachsatz von Kisch: "P.S. Du bist uns einen Brief schuldig, sehe ich gerade! Also schreib!". Ein Brief an Jarmila Haasová "... obwohl uns nicht zum Briefeschreiben zumute ist. Vor allem wegen Spanien, wo sich unser aller Schicksal entscheidet und von wo man noch nichts entscheidend Gutes zu hören bekommt ... Apropos: vor einigen Tagen waren einige Tschechen hier, die in der Nähe auf den Dünen in einem antifaschistischen Camp Sommerferien machten. Ganz junge Burschen, sie sprachen ganz begeistert von der Australienreise in der Tvorba, sie sagten, sie hätten nur deshalb jede Woche das Blatt gekauft ... Daß die A.I.Z. jetzt Volks-Illustrierte heißt, wirst Du schon wissen, außer dem Titel hat sich nichts geändert." Und privater von Gisela und Egonek: "Erinnerst Du Dich noch an den miesen Jack Lewi aus Holland, Mann der Maria Ballenberger, der in Berlin die miesesten Affären gehabt hat? Nina Kuh wird sich sicher an ihn erinnern. Lucie Lania erzählte, was für ein großer Mann er in London ist, englischer Staatsbürger, Korrespondent südafrikanischer Blätter mit einer Prachtwohnung, noblem Verkehr, und neulich hat er anlässlich der jüdischen Konfirmation seines Sohnes ein Bankett für 50 Personen gegeben etc. etc." – Mit vier Umschlägen, davon einer eigenhändig, drei maschinenschriftlich.

Kisch, Egon Erwin
11 Briefe in deutscher Sprache, "Egonek"
Los 3089

Zuschlag
2.800€ (US$ 3,011)

Details

"... meiner Ansicht nach ein großartiger Antinaziroman, der viel Aufsehen machen wird."

Kisch, Egon Erwin, und Gisela Lyner. 11 Briefe (9 maschinengeschriebene und 2 eigenhändige) in deutscher Sprache, mit Unterschrift "Egonek" bwz. "Gisl". Jeweils 27,5 x 21,5 cm. Mit 11 Kuverts. Versailles 1936-1937.
Haupt S. 195ff. – Umfangreiches Konvolut von acht veröffentlichten Briefen und einem unveröffentlichtem von Egon Erwin Kisch (1885-1948) und Gisela Lyner (1895-1962) aus Versailles an die gemeinsame Freundin und Übersetzerin Jarmila Haasová (1896-1890) in Prag. Nach der arbeitsreichen Sommerpause im belgischen Bredene verbrachte Kisch zusammen mit seiner Lebensgefährtin wieder in Versailles, in ihrer kleinen Wohnung in der Rue du Jeu de Paume 2, wo sie ihre Arbeit fortsetzten, aber offenbar auch immermehr vereinsamten und sich Sorgen über die immer schlechter werdende, sich zuspitzende Lage der Demokratien Europas machten. Die Angst um die Freiheit Spaniens vor der drohenden Diktatur schwebt 1936 über allem.

1) 16. September 1936. 2 S. dicht beschriebener eigenhändiger Brief von Egon Erwin Kisch und - ebenfalls eigenhändig - von Gisela Lyner. Kisch schreibt: "In den Abenteuern aus fünf Kontinenten scheint mir aber doch viel zuviel enthalten zu sein, was schon in anderen tschechischen Büchern drinsteht, Redl, Hopfenpflücker, Drina-Übergang etc. Und die Einleitung von Duško ist für Prag nicht ganz richtig, dort müßte man gegen die Totschweigetaktik polemisieren. Wenn Du das Buch machen willst, würde ich Dir Material für eine Einleitung schicken und auch eine afrikanische Sache, vielleicht Port Said, das ich auf meiner Australienreise berührt habe. Aber würden sie nicht China oder Asien als Buch nehmen?Jedenfalls sollen sie im gleichem Format und Satz wie die Pokrok-Bände drucken, damit sie die ganze Serie neu herausbringen können". Gemeint ist der Verlag der tschechischen Zeitschrift Pokrok (Fortschritt), die der Schriftsteller, Dichter und Verleger Václav Kaplický (1895-1982) herausgab. Der Duško ist der Schriftsteller Theodor Balk.

"Wenn Du Pasáci, pasáci machst, so schlage mir Änderungen vor ... In Rußland ist auch ein Sammelband von mir erschienen. Leta i Ljudi oder so." Bei Pasáci handelt es sich wohl um die Zuhältergeschichte aus Prag, die 1914 unter dem Titel Der Mädchenhirt erschien.

Lyner schreibt noch ausführlich mit Ergänzungen: "Egonek mußte auf einen Tag zum Kongreß, alle Leute, hunderte, hat er dort getroffen, nur den Nico [Rost] nicht ... In Spanien ist Richard Kisch, der Junge vom Daily Worker verwundet worden. In Moskau scheint man zu glauben, daß es Egonek ist...".

2) 23. September 1936. 2 masch. S. mit Unterschrift "Hubička! Dein alter Egonek" und 12-zeiliger eigenhändiger Nachschrift sowie einer masch. Beischrift von "Gisl". Intensive Arbeit an den tschechischen Ausgaben seiner Reportagen, die Jarmila Haasová übersetzte, aber auch redaktionell betreutet - bis hin zu der Auswahl der Reportagen, die für einen Band vorgesehen waren, wobei ihr Kisch weitgehend freie Hand lässt, aber Vorschläge macht:

"Mir wäre ja am liebsten gewesen, wenn Du einfach Eintritt verboten herausgegeben hättest, vermehrt um das Pariser Ghetto, Hitler-Brief und vielleicht noch etwas. Dann hätten wir den schlechten Afrika-Artikel vermieden und auch dem Australien-Buch nicht vorgegriffen ...War denn Lenins Zimmer noch in keinem tschechischen Buch? ... Eine zweite Lösung wäre, daß Du aus China und Asien einen Band machst, etwa unter dem Titel China und Sowjetasien. Durch dieses Buch würde sich ebenso wie durch Eintritt verboten die Einleitungsfrage erledigen ... Du fragst, wie Du Parchkopf übersetzten sollst? Das weiß ich nicht. Vielleicht läßt Du das deutsche Wort, erklärst ..." Gemeint ist Kischs Reportage Des Parchkopfs Zähmung aus dem Buch Geschichten aus sieben Ghettos, das 1934 bei Allert de Lange in Amsterdam erschienen war ... Den Namen Ellen würde ich lassen, die mährischen Juden geben ja so deutsche Namen, und in einer tschechischen Übersetzung wirkt das wie ein gerechter Angriff. - Hillelsgeduld ist eine Geduld wie die, die den Propheten Hillel ausgezeichnet hat." Und über die Besuche in Versailles: "auch Piscator war einmal hier, und man hat mir schon wieder Vorträge aufgehalst, obwohl ich auf den Knien gebeten habe, mich noch einen Monat in Frieden zu lassen."

3) 16. September 1936. 1 1/4 S. eigenhändiger Brief in flüchtiger kleiner Handschrift mit braunschwarzer Tinte und Unterschrift "Grüß den Duško herzlichst. Und sei selbst gegrüßt und geküsst von Deinem alten Egonek". Übersetzungsprobleme, die Kisch für Jarmila zu lösen sucht, ein eindrucksvolles Zeugnis, wie genau an jedem einzelnen Wort gefeilt wurde: "Aber es ist auch für mich schwer, bestimmte Wendungen gehören zu bestimmten Komplexen 'Felle wegschwimmen' z. B. zum Pelzhandel, 'Nabelschnur' zum Kabel, sonst ist die Sache fast unvollständig, - dort, wo der Ursprung einer abgebrauchten Metapher liegt, oder eine abgebrauchte Metapher einen neuen Sinn bekommt, muß man das sagen, auch wenn man sich wiederholt". Erwähnt werden Willy Haas, Leo Lania, Schörpner, Kostja Z. (wohl der Sohn von Clara Zetkin, lt. Haupt S. 201) etc. Mit ausführlicher eigenhändiger Beischrift von Gisela Lyner (16 Zeilen).

4) 29. Oktober 1936. 1 masch. S. mit Unterschrift "Egonek". "Begeistert, absolut begeistert bin ich über Dein Referat über die Töchter der Revolution. Ich war bei der Lektüre so gespannt und so gaufgeregt und so gerührt, als hätte ich den Film selbst gesehen ... Kostja Z[etkin] ist der einzige, der uns in dieser Zeit zweimal besucht hat ... Unser Telefon ist gestört, und so haben wir nicht einmal drahtliche Verbindung mit der Welt ...". Ausführlichst schreibt Lyner ihrer Freundin, u. a. "Ansonsten ist mir ziemlich mies, was aber nur mit der Weltlage zusammenhängt...".

5) 2. November 1936. 3/4 S. masch. Brief mit Unterschrift "Egonek Líbá Tě" (ich liebe Dich). Kisch präzisiert Passagen zur Übersetzung: "Erst nach dem Barbusse-Zitat etwas über den Geburtstag ... Die Freunde Egoneks, welche Namen: Romain Rolland, Maxim Gorki, Charlie Chaplin, André Gide, André Malraux, Upton Sinclair, Lion Feuchtwanger, ... Festnummer der Neuen Deutschen Blätter, der Internationalen Literatur, der Literaturnaja Gazeta. Die grosse Feier im der [sic] Salle de l'encouragement in Paris. Eine Kisch-Ausstellung in Moskau ...".

6) 9. November 1936. 1 1/3 masch. S. mit Unterschrift "Hubičku! Egonek". "Da dieser Idiot Schörpner über mich einen Artikel in unserem Blatt schreibt, ist wirklich schlimm. Aber man muß erst abwarten, was er da zusammengekleistert hat. Die Anekdoten über mich sind alle aus einer ganz anderen Zeit und haben mit meinem heutigen Ich gar nichts zu tun; es ist echt pragerisch, die Menschen immmer gleich zu sehen". Gemeint ist der Übersetzer und Schreiber František Schörpner (1904-1941). "In der Par[iser] Tageszeitung erschien der Roman von Irmgard Keun: Nach Mitternacht, meiner Ansicht nach ein großartiger Antinaziroman, der viel Aufsehen machen wird .. Das Buch erscheint bei Allert [sic] de Lange".

Verso 1/3 masch. S. von Gisela Lyner, die über die Einsamkeit und finanziellen Schwierigkeiten im Exil in Frankreich hinzufügt: "... mit Sehnsucht warte ich darauf, daß wir endlich mit dieser Hetzarbeit fertig werden ... Wir leben jetzt noch zurückgezogener und einsamer wie in Gent, wo wir keinen Menschen kannten: manchmal vergeht eine ganze Woche, ohne daß uns auch nur jemand anruft, oder wir jemanden, weil man ja auch mit dem Telefongeld sparen muß ... Gisl".

7) 14. November 1936. 1 masch. S. mit Unterschrift: "Egonek. Hubičku!" ("Ich küsse Dich!"): "Dein Artikel über Spanien fängt wieder so lokalnotizenhaft an, statt daß Du in einem Satz gesagt hättest: 'Spanien, Spanien, Spanien, das ist die Devise der denkenden Menschheit, das ist der Kampf zwischen Reaktion und Humanität, Spanien, Spanien, Spanien, daran denkt man bei Tag und wenn man einschläft' oder so etwas. Verstehst Du, was ich meine? Der erste Satz soll eine Sentenz enthalten."

8) 29. November und 30. November 1936. 1 masch. S. mit Unterschrift "Dein (hubičku) Egonek" und 1 masch. S. von "Gisl". Unveröffentlichter (nicht bei Haupt abgedruckter) sehr interessanter Brief über den Rechtsdruck der tschechischen Presse. "Hast Du gehört von der Richtungsänderung im Prager Tagbl.? Im Tage-Buch habe sie etwas aus den Druckbogen abgedruckt ... Auch in der Weltbühne war ein gekürztes Kapitel ... Was Du über das T.-B. [das Prager Tagblatt] schreibst, ist vollständig richtig, ich bin froh, dass ich Dir darüber nichts geschrieben habe, sonst hätte Bo. [wohl der befreundete Journalist und Kollege Joseph Bornstein; 1899-1952] geglaubt, dass ich Dich beeinflusse. Du bist aber von selbst auf den richtigen Standpunkt gekommen. Sie haben sich da wegen Morus in diese Position hineingeritten, sodass sie heute ein Organ gegen Hitler, gegen die Einheit der Emigration und gegen die S.U. sind, oder wie sie glauben, gegen Stalin, ohne daran zu denken, dass eine erschütterte Position der Regierung die ganze S.U. erschüttern müsste und Spanien] sofort kaputt ginge. Jetzt haben sie einen alten Artikel von Bernh. herausgegraben, zum Beweis, das er im Krieg für den deutschen Sieg war, was würden sie sagen, wenn man ihre alten Artikel heraussuchen würde! Mareu macht sich gross, dass er die Hinrichtung von André mit der Verhaftung von Radek in Zusammenhang gebracht und auch anderes Material über die Stalinverehrung dem T.-B. gesteckt hat. Du schreibst, dass Spann in Paris ist, aber niemand hat von ihm eine Spur gesehen oder gehört. Auch Ernst Popper soll hier soll hier sein, aber er hat sich bei mir nicht gemeldet und ich weiss auch nicht bestimmt, ob es wahr ist ..." Ausführliche Beischriften von Gisela Lyner.

9) 8. Dezember 1936.
1 1/3 masch. Brief mit Unterschrift "Hubičku! Egonek." und 2/3 masch. Beischrift von "Gisl". Ausführlich über die von Jarmila Haasová übersetzte und redaktionell betreute tschechische Ausgabe des Sammelbands Abenteuer in 5 Kontinenten, für die sie auch die Werbung organisierte: "Liebste Jarmila, das war eine Überraschung, nach so vielen Jahren wieder ein Buch von mir in Tschechisch ... Sag ihnen ... daß der Titel des Buches und der Name des Autors so groß sein müssen, daß jemand vor dem Schaufenster auf drei Meter Entfernung es lesen können muß, auch bei schlechtem Licht. Das ist das oberste Prinzip der Buchausstattung ... Die Kritik wird in einer miesen Lage sein. Einerseits reizt die Einleitung zum Widerspruch, andererseits werden sie sich fürchten, einen so gefeierten Mann zu beschimpfen..." Mit ausführlicher Schilderung der Aktivitäten (Louvre- und Kinobesuche in Paris) von Lyner.

10) 23. März 1937 und 30. April 1937. 2 unveröffentlichte masch. Briefe von Gisela Lyner, je 1 1/3 S. mit Unterschrift "Gisl". Sie schreibt an Jarmila Haasová und sorgt sich um Egonek, der noch in Prag geblieben war, wo Gisela und er das Frühjahr verbrachten: "Ich mache mir Sorgen, was mit ihm los ist, da Du auch noch schreibst, dass er noch nervöser ist als vorher ..." Sehr umfangreich, erwähnt Hanns Eisler, der anrief und sie besucht, Theodor Balk, ferner über trügerische Hoffnung in Spanien "Das einzig erfreuliche sind die guten Nachrichten aus S[anien]" – Mit 2 eigenhändigen adressierten Briefkuverts, alle mit interessanten Briefmarken.

Lot 3090, Auction  118, Kisch, Egon Erwin, 2 e. Briefe in deutscher und tschechischer Sprache

Kisch, Egon Erwin
2 e. Briefe in deutscher und tschechischer Sprache
Los 3090

Zuschlag
1.300€ (US$ 1,398)

Details

Kisch, Egon Erwin. 2 eigenhändige Briefe an Jarmila Haasová in deutscher und tschechischer Sprache, mit Unterschrift "Egonek". Je 25,5 x 20,5 cm. Mit 1 Umschlag. Madrid 1937.
Haupt 214ff. – Im Juni reiste Egon Erwin Kisch (1885-1948) nach Madrid, zunächst, weil er am Schriftstellerkongress teilnehmen wollte, dann aber auch, um den Freiheitskampf des Spanischen Volkes gegen den Faschismus mit seinen Reportagen zu unterstützen und von der Front zu berichten. Der Zweite Internationale Schriftstellerkongresses zur Verteidigung der Kultur geht auf die Initiative des Ilja Grigorjewitsch Ehrenburg (1891-1967) zurück. Er fand zunächst in Valencia, dann in Madrid und endlich in Paris statt.

6. Juni 1937. 2 S. eigenh. auf Deutsch mit Unterschrift "Egonek". Kisch schreibt seiner Jarmila "... ein Brief aus Spanien. Vom Schauplatz. Zu schreiben hätte ich so viel, daß ich - o dialektischer Gegensatz - gar nichts schreiben kann. So viel Eindrücke, so viel Menschen, daß das Gehirn zu bersten droht. Der Gedanke, dass es erst drei Wochen her ist, seit Mutter starb, ist mir unfassbar ... wahrscheinlich werde ich bald tschechisch im Radio sprechen (von der Front), und das wird dann vorher unserer Presse in Prag gemeldet werden ... Die Stimmung ist überall glänzend, sehr optimistisch, die Ausbildung der Truppen, davon habe ich mich überzeugt, wird von Tag zu Tag besser, - die großen Fehler, die am Anfang des Krieges vorkamen, können sich nicht mehr wiederholen. Hoffentlich kommt auch zwischen den Arbeiterparteien eine starke Einigung zustanden ...".

18. Juli 1937. 2 S. eigenh. auf Tschechisch und Deutsch mit Unterschrift "Dein alter Egonek". Er schreibt: "Milý Jarmiláči ...", also "Liebe Jarmilatsch, die Landsleute und Genossen Jaroslav Kratochvil und Laco Novomeský fahren heute in friedlichere Gebiete, und es wäre von mir nicht schön, wenn ich ihnen nicht einen Gruß für Dich mitgeben würde. Sie werden Dir alles sagen, wie wir zusammen fast ungeschützt an den gefährlichsten Frontabschnitten in der Casa del Campo waren und wo auf uns geschossen wurde, und wie wir uns auf der Plaza del Castella von einem Straßenfotografen fotografieren ließen und hinter uns der Franco geflogen ist und wir das nicht gesehen hätten, wenn uns nicht die Wolken der Flugabwehr-Artillerie seinen Weg gezeigt hätten. Aber daß Du nicht denkst, daß der Franco dort persönlich dringesessen hat, da mache ich nur einen Witz".

Er schreibt von seinen zahlreichen Kontakten, die er auch in Madrid pflegte und zu seinen Publikationen in der Tvorba und V.I., der Volks-Illustrierten, Nachfolgerin der A.I.Z., die bis 1938 in Prag erscheinen kionnte "und dann aufgrund der Bredrohungen durch das faschistische Deutschland nach der Okkupation des Sudetenlandes ihr Erscheinen ein[stellte]" (Haupt, S. 215 Anm.). "Ich wohne in Madrid, Calle del Marues de Duero 7 ... Neben mir sitzt Regler ... Hat [F. C.] Weiskopf meinen Brief für die V.K. bekommen?".

Gemeint ist der Journalist und Schriftsteller sowie Kommunist Gustav Regler (1898-1963), der 1933 emigriert war und dessen Buch The Great Crusade, (deutsch: Das große Beispiel. Roman einer internationalen Brigade), das sich mit dem spanischen Bürgerkrieg auseinandersetzt, 1940 in einer Übersetzung von Whittaker Chambers und mit Einleitung von Ernest Hemingway in New York erscheinen sollte. – Der Umschlag ist eigenhändig kalligraphisch von Kisch adressiert an "Señora Donna Jarmila Haasová - Praga - Praha, Bučková 49 - Chescoslovakia" und geschickt mit "Correo Aéreo".

[*]: Regelbesteuert gemäß Auktionsbedingungen. [^]: Ausgleich von Einfuhr-Umsatzsteuer.

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