Los 877
Johann von Indersdorf
(1382-1470)Die Tobiaslegende. Deutsche Handschrift auf Papier.
Schätzung
42.000€ (US$ 45,161)
Abgabe von Vorgeboten möglich
Datierte Buxheimer Handschrift der Tobiaslehre in einem Einband der Ulmer Dinckmut-Werkstatt
Johann von Indersdorf. Die Tobiaslegende. Deutsche Handschrift auf Papier. 174 Bl. Ca. 20-26 Zeilen. Schrift: Kursiva in Sepia und teils in Rot. Schriftraum: meist 15,8 x 11 cm. Format: 21,5 x 15,2 cm. Mit durchgehender Rubrizierung, roten Zwischentexten, Überschriften, Kapitalstrichelung und Unterstreichungen. Blindgeprägtes braunes Kalbsleder d. Z. (mit Kratzern, Fehlstellen, Ergänzungen, Abrieb und Bestoßungen) über 3 Doppelbünden und kantigen Holzdeckeln (ohne die Schließe, sauber restauriert). Süddeutschland (Schwaben, Kartause Buxheim) datiert 1487.
Saubere und vollständige Handschrift mit zwei Werken des Augustiner Chorherren und Propst des oberbayerischen Klosters Indersdorf, Johann Rothuet von Indersdorf (1382-1470): "Von dreierlei Wesen der Menschen" und "Fürstenlehren mit Tobiaslehre". Während vom erstgenannten Werk noch 43 Handschriften vorhanden sind, sind die "Fürstenlehren mit Tobiaslehre" in nur 12 Handschriften erhalten geblieben. Johannes von Indersdorf hatte einen hervorragenden Ruf als Klosterreformator bayerischer Augustinerstifte. Sein literarisches Schaffen stand im Dienst der Klosterreform und der Seelsorge. Ab 1436 war er Beichtvater und Seelenführer des Herzogs Albrecht III. von Bayern-München. Zur geistig-mystischen Orientierung des in schweren seelischen und dynastischen Nöten geratenen Herzogs Albrecht und seiner Frau Anna von Braunschweig, schrieb Johann 1440 "Von dreierlei Wesen des Menschen". Die "1437 entstandene 'Tobiaslehre' behandelt und erläutert die fürstlichen Standespflichten und deren Zusammenhang mit der gottgewollten Weltordnung vor allem durch Beispiele aus dem neuen Testament" (Stöllinger-Löser). Die "Tobiaslehre" wurde anhand dieser Handschrift 1963 von Gerhard Eis veröffentlicht (Neophilologus 47 (1963), S. 198-209).
Bemerkenswerter Weise nennt sich der Schreiber der Handschrift, die in flüssiger und sehr leserlich geschriebener kursiver Schrift in Sepia und teils in Rot abgefasst wurde, als "Ulrich Dorelin" (Bl. 163r). Somit wurde die Handschrift fertiggestellt "am Festtag der heiligen Dorothea" (6. Februar) 1487 (Bl. 163r und 174v).
"Die sogenannte 'Tobiaslehre' ist zusammen mit den Fürstenlehren von dem Indersdorfer Augustiner-Chorherrn Johannes Rothuet für Herzog Albrecht III. von Bayern-München verfasst worden [...]. Johannes Rothuet war 1436 als Beichtvater und Seelenführer für den jungen Herzog berufen worden, nachdem dessen unstandesgemäße Gemahlin Agnes Bernauer durch seinen Vater hingerichtet worden war. Albrecht hatte sich durch diese morganatische Ehe an seinen Standespflichten als Fürst vergangen. Die 1437 entstandene 'Tobiaslehre' behandelt und erläutert die fürstlichen Standespflichten und deren Zusammenhang mit der gottgewollten Weltordnung vor allem durch Beispiele aus dem Alten Testament. Nur das erste Kapitel basiert auf den an seinen Sohn gerichteten Lehren des sterbenden Tobias (Tb 4,2-20); die Kapitel 2 bis 6 beziehen sich mit Negativbeispielen auf die zwei Bücher der Könige (I und II Sm; über Hely, Saul, David, Salomon und Roboam), Kapitel 7 handelt von frommen Herrschern früherer Zeiten, deren geistliche Stiftungen von ihren Nachfahren nicht mehr beachtet werden, Kapitel 8 und 9 unter Berufung auf (Pseudo-)Augustinus über den Tugendadel im Gegensatz zum gesellschaftlichen Adel, der nur äußerlich in Namen und Wappen als solcher erscheine, das abschließende Kapitel 10 belehrt über rechte Kindererziehung und den Umgang mit Kinderlosigkeit. Die Lehren des Aristoteles an Alexander sind in mehreren Handschriften zusätzlich eingefügt, jeweils an unterschiedlichen Stellen (vgl. Gehr [1926] S. 21 ff.)" (Christine Stöllinger-Löser, in: Geistliche Lehren und Erbauungsbücher, KdiH-Band V, 44.7).
Überliefert wurde der Text in bis heute 25 bekannten Handschriften inklusive der vorliegenden (vgl. Bernhard D. Haage: Johannes von Indersdorf. In: 2VL 4 [1982/83] Sp. 647-651). Vgl. Gerhard Eis, Die Tobiaslehre des Johannes von Indersdorf, Neophilologus 47 (1963), S. 798-209. – Vorsätze mit Einträgen und hinten mit Federproben, kaum fleckig, selten mit Gebrauchsspuren, bemerkenswert breitrandig und im urprünglichen Einband einer Ulmer Buchbinderwerkstatt, die mit der Druckerei und Werkstatt des Konrad Dinkmuth zu Ulm identifiziert werden kann (EDB w000070 Kyriss 126). Die markante, wunderschöne Drachenrolle mit mehreren Tieren wie Hunden, und die beiden Hälse kreuzenden Drachen verwendete (EDB 500086s und r000133), die hier zwischen fünfachen Fileten die Einbanddeckel rahmt. Derselben Werkstatt können wir folgende Stempel zuweisen: Steigender Hirsch (m002157), Rautenranken mit Besatz gefiedert (s005199; Kyriss 126, Tafel 253, 2 und 6), Lilie in Raute (s004973), Knospenstaude (s004995). Vgl. auch Schwenke-Schunke II, 261.
Provenienz: Exemplar der Kartause Buxheim, dann Privatsammlung Eduard Langer, Braunau (Böhmen), Ms. 374 und schließlich Sammlung Prof. Dr. Gerhard Eis, Heidelberg, Hs. 113, der die Handschrift 1957 in dem Wiener Antiquariat Heinrich Hinterberger erworben hatte. Mit dem Stempel von Eis auf dem VDeckel und dessen Einträgen. Vgl. den Beitrag von Gerhard Eis. Altgermanistische Beiträge zur geistlichen Gebrauchsliteratur. Bern 1974, S. 190-201. Beschreibung im Handschriftencensus Nr. 8524.
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