Los 5343
Friedrich, Caspar David
(1774 Greifswald - 1840 Dresden)Knabe auf einem Grab schlafend
Schätzung
75.000€ (US$ 80,645)
Abgabe von Vorgeboten möglich
Aus dem Katalog
Druckgraphik des 15. bis 19. Jahrhunderts
Auktionsdatum 27.11.2024
Knabe auf einem Grab schlafend. Holzschnitt auf Velin von Friedrichs Bruder Christian Friedrich. 7,7 x 11,4 cm. (1802/03). Helmut Börsch-Supan, Karl Wilhelm Jähnig: Caspar David Friedrich. Gemälde, Druckgraphik und bildmäßige Zeichnungen, München 1973, Nr. 62.
Warum die Frag ist oft an mich ergangen
Wählst Du zum Gegenstand der Malerei
So oft den Tod, Vergänglichkeit und Grab?
Um ewig einst zu leben,
muß man sich oft dem Tod ergeben.
(Sigrid Hinz (Hrsg.): Caspar David Friedrich in Briefen und Bekenntnissen. Berlin 1974, S. 82)
Das druckgraphische Werk Caspar David Friedrichs ist überschaubar. Neben achtzehn eigenhändigen Radierungen verzeichnen Börsch-Supan und Jähnig in ihrem Werkverzeichnis lediglich vier Holzschnitte, die der jüngste Bruder Christian Friedrich (1779-1843) nach Vorlagen Caspar Davids anfertigte. Alle Graphiken sind nur in kleinsten Auflagen gedruckt worden. Von den Holzschnitten soll es laut Börsch-Supan jeweils etwa 10 Abzüge geben. Von dem hier angebotenen Blatt des Knaben auf einem Grab liegend, können wir zwölf Exemplare in Museen nachweisen (Berlin, Kupferstichkabinett; Bremen, Kunsthalle; The Chicago Art Institute; Dresden, Kupferstichkabinett, zwei Exemplare; Pommersches Landesmuseum Greifswald; Hamburg, Kunsthalle, hier wird auch der Original-Druckstock verwahrt; München, Staatliche Graphische Sammlung; New York, Metropolitan Museum; Ottawa, National Gallery of Canada; Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek und Wien, Albertina). Auf dem Auktionsmarkt oder im Kunsthandel dürfte dagegen unser Blatt, eine Bilderfindung, die für die deutsche Frühromantik von zentraler Bedeutung ist, das letzte Exemplar im Handel sein.
Caspar David Friedrichs Leben und sein künstlerisches Schaffen waren von tiefer Melancholie und zeitweise starken Depressionen geprägt. Bereits als Sechsjähriger muss er den Verlust der Mutter betrauern und von seinen neun Geschwistern überleben ihn, obwohl sechstgeborener, nur drei. Die vielleicht prägendste Tragödie ereignet sich am 8. Dezember 1787: Beim Versuch, den ins Wasser gefallenen Caspar David zu retten, ertrinkt sein um ein Jahr jüngerer Bruder Christoffer. Die Familie des Malers berichtet, dass die beiden Jungen am Greifswalder Wallgraben mit einem kleinen bootsähnlichen Fahrzeug gekentert seien (Kurt Wilhelm-Kästner u. a.: Caspar David Friedrich und seine Heimat, Berlin 1940, S. 28). Dieser tödliche Unfall, für den er sich verantwortlich fühlt, überschattet das ganze Leben des Malers. Friedrichs enger Freund, der königliche Hofarzt, Psychologe, Hochschullehrer und Maler Carl Gustav Carus (1789-1869), der den Künstler persönlich 1817 in Dresden kennenlernt, erwähnt in seinen Lebenserinnerungen sogar einen nicht näher datierten Selbstmordversuch Friedrichs, den dieser "immer in ein tiefes Geheimniß" gehüllt haben soll (Carl Gustav Carus: Lebenserinnerungen und Denkwürdigkeiten, Leipzig 1865, S. 206). Vermutlich ereignet sich diese zum Glück gescheiterte Tat im Frühjahr 1801 (vgl. Helmut Börsch-Supan: Caspar David Friedrich. Seine Gedankengänge, Trier 2023, S. 264). Anfang Mai zieht sich Friedrich über Neubrandenburg zur Familie nach Greifswald zurück. Es folgen drei Wanderungen nach Rügen. Die dabei entstandenen Kunstwerke begründen ab 1802 Friedrichs Ruf.
Auf der Dresdner Akademie-Ausstellung 1804 zeigt Friedrich sechs Arbeiten, darunter „Drey Holzschnitte gezeichnet von C.D. Friedrich und geschnitten von J. C. Christian Friedrich“. Der Holzschnitt Knabe auf einem Grab schlafend von 1803/04 gilt einhellig als Verarbeitung des Todes des Bruders Christoffer. "Caspar David Friedrich (genauso alt wie er zum Zeitpunkt des Unglücks war), schlummert am Grab von Christoffer, dessen Seele als Schmetterling über den Kopf des Bruders fliegt." (Börsch-Supan 2023, S. 47). Der Komposition geht die Sepiazeichnung des liegenden Knaben vom 16. Januar und 28. Februar 1802 aus dem kleinen Mannheimer Skizzenbuch in der Kunsthalle Bremen voraus (vgl. Christina Grummt: Caspar David Friedrich. Die Zeichnungen. Das gesamte Werk, München 2011, Nr. 282), während die Pflanzenblätter sich an der Zeichnung des kleinen Rügener Skizzenbuchs vom 14. Juni 1802 (ebd., Nr. 327) aus Privatbesitz orientieren.
Die beiden anderen ausgestellten Holzschnitte waren „Die Frau mit dem Spinnennetz zwischen kahlen Bäumen“ sowie „Die Frau mit dem Raben am Abgrund“ (Börsch-Supan/ Jähnig, Nr. 60 und 61). "Die drei nach seinen Zeichnungen gefertigten Holzschnitte, die in ihrer Bedeutung für das Verstehen des Malers kaum zu überschätzen sind, waren wohl als Bilder für eine Sammlung seiner Dichtungen in Buchform gedacht, zu der als Autorenportrait noch ein Holzschnitt mit dem Profil nach rechts gehört." (Börsch-Supan 2023, S. 179 ff.) Dass Caspar David Friedrich die Vorzeichnungen für diese Bilderfindungen seinem jüngsten Bruder Christian direkt auf die grundierten Holzstöcke zeichnete ist in höchstem Maße wahrscheinlich.
Am 5. August 1803 schreibt er in sein Tagebuch: „Glücklicher wie ich mich jetzt dünke kann wohl keiner sein, Gott sei Dank.“ (zit. n. Karl-Ludwig Hoch: Caspar David Friedrich - unbekannte Dokumente seines Lebens, Dresden 1985, S. 26).
Prachtvoller, farbsatter und präziser Druck mit schmalem Rand um die Einfassungslinie. Minimalster Oberflächenschmutz, an der Oberkante horizontal auf einem Bereich von ca. 7 mm durchgehend auf einem alten, hellbraunen Untersatzpapier mit Einfassungslinien in schwarzer Feder montiert. Insgesamt in vollkommen unberührter, unverpresster Originalerhaltung mit außergewöhnlich schönem Relief des Hochdruckes verso. Von allergrößter Seltenheit.
Caspar David Friedrich
Boy Sleeping on a Grave.
Woodcut on wove paper cut by Friedrich's brother Christian Friedrich. 7.7 x 11.4 cm. (1802/03). Helmut Börsch-Supan, Karl Wilhelm Jähnig: Caspar David Friedrich. Gemälde, Druckgraphik und bildmäßige Zeichnungen, Munich 1973, no. 62.
Caspar David Friedrich's oeuvre of prints is small. In addition to eighteen etchings by his
own hand, Börsch-Supan and Jähnig list only four woodcuts in their Catalogue Raisonné, which were carved by his youngest brother Christian Friedrich (1779-1843) after Caspar David's drawings. They were printed in very small editions. According to Börsch-Supan, there are around 10 impressions of each woodcut. Twelve impressions of the print offered here can be found in museums (Berlin, Kupferstichkabinett; Bremen, Kunsthalle; The Chicago Art Institute; Dresden, Kupferstichkabinett (2 impressions); Pommersches Landesmuseum Greifswald; Hamburg, Kunsthalle (there exists also the original printing block); Munich, Staatliche Graphische Sammlung; New York, Metropolitan Museum;
Ottawa, National Gallery of Canada; Wolfenbüttel, Herzog August Bibliothek and Vienna, Albertina). Our sheet, an artistic invention that is of central importance for early German Romanticism, is likely to be the last example known on the art market.
Caspar David Friedrich's life and his artistic work were marked by deep melancholy and at times severe depression. As a six-year-old, he had to mourn the loss of his mother and of his nine siblings, only three survived him, although he was the sixth-born. Probably the most tragic event occurred on December 8, 1787: while trying to save Caspar David, his brother Christoffer, who was a year younger, drowned. The painter's family reported that the two boys had capsized in a small boat-like craft on the Greifswald moat (Kurt Wilhelm-Kästner et al: Caspar David Friedrich und seine Heimat, Berlin 1940, p. 28). This fatal accident, for which he felt responsible, overshadowed the painter's entire life. Friedrich's close friend, the royal court physician, psychologist, university lecturer and painter Carl Gustav Carus (1789-1869), who first met the artist personally in Dresden in 1817, even mentions in his memoirs a suicide attempt by Friedrich, which always remained a deep secret (Carl Gustav Carus: Lebenserinnerungen und Denkwürdigkeiten, Leipzig 1865, p. 206). This fortunately
unsuccessful act probably took place in the spring of 1801 (see Helmut Börsch-Supan: Caspar David Friedrich. Seine Gedankengänge, Trier 2023, p. 264). At the beginning of May, Friedrich returned to his family in Greifswald via Neubrandenburg. This is followed by three trips to Rügen. From 1802 onwards, the works he created during these trips established Friedrich's reputation.
Friedrich exhibited six works at the Dresden Academy exhibition in 1804, including “Drey
Holzschnitte gezeichnet von C.D. Friedrich und geschnitten von J. C. Christian Friedrich”. The woodcut “Boy Sleeping on a Grave” from 1802/04 is unanimously regarded as a attempt to deal with the death of his brother Christoffer. “Caspar David Friedrich (the same age as he was at the time of the accident) sleeps at the grave of Christoffer, whose soul flies over his brother's head as a butterfly.” (Börsch-Supan 2023, p. 47). The composition is anticipated by the sepia drawing of the reclining boy from January 16 and February 28, 1802 from the Small Mannheim sketchbook in the Kunsthalle Bremen (see Christina Grummt: Caspar David Friedrich. The Drawings. Das gesamte Werk,
Munich 2011, no. 282), while the plant leaves are based on the drawing from the Small Rügen sketchbook of June 14, 1802 (ibid., no. 327) from a private collection.
The other two woodcuts were “The Woman with the Spider's Web between Bare Trees” and “The Woman with the Raven on the Abyss” (Börsch-Supan/ Jähnig, no. 60 and 61).“These three woodcuts made after his drawings whose importance for the understanding of the painter can hardly be overestimated, were probably intended as illustrations for a printed collection of his writings which also included a woodcut of the author's portrait in profile.”(Börsch-Supan 2023, p. 179 ff.) It is likely that Caspar David Friedrich drew the preparatory sketches of these pictorial inventions directly onto the primed woodblocks for his brother Christian. On August 5, 1803, he wrote in his diary: “No one can be happier than I am now, thank God.”(quoted from Karl-Ludwig Hoch: Caspar David Friedrich - unbekannte Dokumente seines Lebens, Dresden 1985, p. 26).
Excellent, rich and precise impression with narrow margins around the borderline. Very minimal surface dirt. Mounted horizontally at the upper edge in an area of approx. 7 mm throughout on an old, light brown backing paper with borderlines in black pen. Overall in completely untouched, unpressed original condition with exceptionally beautiful relief of the woodcut printing on the verso. Of utmost rarity.
Provenance: Private collection France.
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