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Lot 2330, Auction  120, Hauptmann, Gerhart, Brief 1912 an Paul Schlenther

Hauptmann, Gerhart
Brief 1912 an Paul Schlenther
Los 2330

Zuschlag
400€ (US$ 430)

Details

Hauptmann, Gerhart, Dramatiker und Erzähler, Nobelpreisträger (1862-1946). Diktierter Brief m. U. "Dein Gerhart Hauptmann". 2 S. Doppelblatt. Gr. 8vo. Santa Margherita Ligure, Castello Paraggi, 29.II.1912.
An seinen Freund und Förderer Paul Schlenther, Literatur- und Theaterhistoriker, Burgtheaterdirektor und seit 1910 wieder Kritiker beim "Berliner Tageblatt" (1854-1916). Über die bevorstehende Uraufführung von Hauptmanns Drama "Gabriel Schillings Flucht", insbesondere die Besetzung der Rolle der Hanna Elias, wofür die Schauspielerinnen Irene Triesch und Tilla Durieux in Erwägung gezogen werden. Beide waren zu dieser Zeit bei Otto Brahm am Lessing-Theater in Berlin engagiert. "... Ich habe Brahm gebeten, sich wegen Irene Triesch und Wien Dir gegenüber zu äussern. Wenn ihre Mitwirkung unsicher wird, ist natürlich der Verzicht geboten. Frau Durieux bringt vielleicht die äussere Weichheit und scheinbare Passivität nicht von vornherein mit, die der Hanna Elias eigen ist, aber wir würden etwas in seiner Art ebenso Bedeutendes, wie von Irene Triesch zu sehen bekommen ... Und zum Beispiel der vierte Akt würde sie in einem furchtbaren Glanz zeigen. Habe die Güte ... nach Rücksprache mit Brahm, Deine Maassnahmen, meines Einverständnisses sicher, ganz nach freiem Ermessen zu treffen ... Deine Gewissensfrage angehend, möchte ich Dich bitten, mir einfach ein Rundschau Exemplar mit 'Gabriel Schillings Flucht' zugehen zu lassen, wo mit Rotstift die Dir problematischen Stellen bezeichnet sind. Ohne diese Rotstiftstriche würde ich mir nur den Kaopf darüber nutzlos zerbrechen, was Du meinst und vielleicht fälschlich Stellen anätzen. Ich nämlich halte die Arbeit für einheitlich im Stil, und wenn sich die Haltung des Dialogs von meiner sonstigen Art unterscheidet, so muß ich für mein Teil darin das wiedersehen, was von mir beabsichtigt ist ...". - Die Uraufführung des Stückes am 14. Juni 1912 im Bad Lauchstedter Goethe-Theater fand tatsächlich mit Tilla Durieux (und Helene Thimig) statt. Die Bühnenbilder entwarf Max Liebermann.

Lot 2331, Auction  120, Hemingway, Ernest, Albumblatt 1956

Hemingway, Ernest
Albumblatt 1956
Los 2331

Zuschlag
1.700€ (US$ 1,828)

Details

Hemingway, Ernest, amerikan. Schriftsteller, Nobelpreisträger (1899-1961). Eigh. Albumblatt m. U. "Ernest Hemingemingway". 1 S. Gr. 8vo. Paris 18.XII.1956.
"To Anna chez elle à où qu'elle se trouve - de son ami Ernest Hemingemingway". - Auf einem Blatt eines Gästebuches; rückseitig eine andere französische Widmung aus demselben Jahr. Was Hemingway zur scherzhaften Verlängerung seines Namens bewogen hat - vielleicht ein Glas zu viel - ist uns nicht bekannt.

Lot 2332, Auction  120, Herzog, Wilhelm, Brief 1952 an Tilla Durieux

Herzog, Wilhelm
Brief 1952 an Tilla Durieux
Los 2332

Zuschlag
340€ (US$ 366)

Details

Herzog, Wilhelm, politisch linksgerichteter Schriftsteller, Publizist, Dramatiker, Pazifist und Enzyklopädist, emigrierte 1933 in die Schweiz (1884-1960). Brief m. U. "Wilhelm Herzog". 2 S. Gr. 4to. Basel 27.I.1952.
An die Schauspielerin Tilla Durieux, die sich, nach beiderseitiger Emigration, erkundigt hatte, wie es ihm seit 1933 ergangen sei. Herzog gibt ausführlich Auskunft. "... Es gaebe nicht einen Brief, sondern ein Buch, wollte ich Ihnen Ihre Frage beantworten: 'Wo sind Sie überall gewesen?' Kurz: 1939 von Basel, wo ich zum zweiten Mal heiratete, nach Frankreich (Sanary). Zwei Jahre mit Werfels zusammen. Dreimal im Konzentrationslager. 1941 auf dem Weg nach USA auf hoher See nachts gekapert von einem hollaedischen Kanonenboot. Nach Trinidad gebracht. Zur Pruefung unserer Papiere. Das sollte 2-4 Tage dauern. Wir hatten von Einstein und Thomas Mann besorgte gueltige Visa! Statt 4 Tage blieben wir 4 Jahre auf dieser tropischen Ozeaninsel. Landschaftlich ein Paradies. Aber dennoch eng benachbart der Teufelsinsel, wo Dreyfus 41/2 Jahre schmachtete. 1945 konnten wir endlich nach USA, gingen nach Californien, wo ich Werfels, Heinrich und Thomas Mann traf. 1947 zurück mit 2 Kindern nach Europa. In 30 Stunden geflogen von Los Angeles nach Genf. - Ich freue mich, dass Sie die Kraft gehabt haben, alle Abenteuer zu ueberstehen. Was ist dagegen der 'Candide' Voltaire's? Ich habe viel in der Hoelle gearbeitet. Unter andern ein kleines Buch, betitelt: 'Die Welt kann garnicht besser sein oder Candide im 20. Jahrhundert'. Der erste Band der auf 4 Baende berechneten 'Kritischen Enzyklopaedie' - abgeschlossen im Manuskript und druckfertig - konnte vor Weihnachten wegen Papiernot in der Schweiz (!) nicht erscheinen ...". Erörtert dann die Möglichkeit, Tilla Durieux in Jugoslawien zu besuchen und spricht von literarischen Kontakten zwischen der Schweiz und Jugoslawien.

Lot 2334, Auction  120, Hesse, Hermann, Postkarte 1957 + Beigaben

Hesse, Hermann
Postkarte 1957 + Beigaben
Los 2334

Zuschlag
220€ (US$ 237)

Details

"das Bild meiner schönen Heimstätten"
- Masch. Postkarte m. U. "H Hesse" (Bleistift). 1 S., eng beschrieben. 8vo. (Montagnola 20.V.1957).
An die Literatur-Übersetzerin Gisela Jockisch, Schwägerin Carl Zuckmayers in Cambridge (Mass., USA), die vorgeschlagen hatte, einen Bildband über Hesses Leben herauszugeben. "... Ihr lieber Brief meint es gut und hat mir Freude gemacht. Aber eben erst hat das Museum in Marbach um Erlaubnis gebeten, ein Bildbändchen (allerdings nur mit Porträtfotos aus späterer Zeit) zu machen, und hat diese Erlaubnis bekommen. Da einer meiner 3 Söhne Fotograf ist, möchte ich einen Bildband auch nicht von einem andern Fot. machen lassen. Und dann: es ist vom Bilde meiner Jugendstätten wenig übrig. Durch den Krieg ist weniges zerstört, eigentlich nur Stuttgart, aber durch Neubauten, Fluss- und Strassenkorrektionen, Industriebauten etc. etc. ist z. B. das Bild meiner schönen Heimstätten in Calw, in Basel, in Bern so geändert und verarmt, dass ich seit vielen Jahren keine mehr aufgesucht habe ...". Doch wenn sein Verleger und Freund Suhrkamp ihn in Kürze besuche, werde er ihm den Brief mit dem Projekt vorlegen. "... aber nach meinem Tode haben Sie freie Hand, doch nur in Zusammenarbeit mit meinem Sohn und mit Suhrkamp ...". -
Diverse Beilagen: 4 Sonderdrucke mit Aufsätzen Hermann Hesses ("Der Trauermarsch", mit eigh. Widmung "Für Gisela Jockisch. H H."; "Klage und Trost"; "Malfreude, Malsorgen" und "Wiederbegegnung mit zwei Jugendgedichten") sowie 3 Ansichts-Postkarten (ohne Autograph, aber mit 2 mit Hesse-Porträts); ferner der eigh. Umschlag (etwas beschädigt) für die ganze Sendung in die USA.

Lot 2335, Auction  120, Hesse, Hermann, 3 Gedichte

Hesse, Hermann
3 Gedichte
Los 2335

Zuschlag
300€ (US$ 323)

Details

- 3 Gedichte, davon 2 signiert (Tinte und Bleistift). Verschied. Formate. 1954-1962.
I. Ein zweifarbig gedruckter Neujahrsglückwunsch für 1954. Doppelblatt. Schmal-gr. 8vo. O. O. (1953/54). - "Nachtgefühl". 3 Strophen zu je vier Zeilen. Am Schluß mit Bleistift signiert "H Hesse". - Am oberen Rand des ersten Blattes von anderer Hand mit Kugelschreiber datiert und nummeriert. - II. "Verse in der Stadt". 4 Strophen zu je 4 Zeilen. Typoskript auf dünnem Papier. 1 S. Gr. 8vo. Dez. 1961. - Darunter mit Tinte handschriftlich von Hermann Hesse: "Gruss von H Hesse. Geschrieben in einer Grippe, auch jetzt noch krank. II.62". - In sehr krakeliger Schrift, ein halbes Jahr vor seinem Tod. - III. "Kleiner Gesang". 10 Zeilen. Nicht signiertes Typoskript auf dünnem Papier. Kl. 8vo. Mit Maschine datiert: Mai 1962. - "... Blüten vom Sturm gefegt, / Kränze auf Gräber gelegt, / Heiterkeit ohne Dauer, / Stern der ins Dunkel fällt, / Schleier von Schönheit und Trauer / Über dem Abgrund der Welt."

Lot 2336, Auction  120, Hesse, Hermann, Aquarell eines Schmetterlings

Hesse, Hermann
Aquarell eines Schmetterlings
Los 2336

Zuschlag
1.800€ (US$ 1,935)

Details

- Orig.-Aquarell mit der Darstellung eines Schmetterlings (Pfauenauge). Auf ein gelbliches Kärtchen geklebt und unter dem Bild mit Tinte beschriftet. 8vo. O. O. (wohl um 1956).
"Dank und Glückwunsch von H H". - Ein selteneres Hesse-Motiv; wohl für den Maler Joseph Eschenlohr bestimmt. - Kleine Leimspur, sonst ordentlich erhalten.

Lot 2338, Auction  120, Hugo, Victor, Broschüre mit Widmung

Hugo, Victor
Broschüre mit Widmung
Los 2338

Zuschlag
500€ (US$ 538)

Details

Victor Hugo im Deutsch-Französischen Krieg
Hugo, Victor, franz. Dichter und Politiker, Hauptvertreter der frz. Romantik, Mitglied der Académie Française und Pair de France (1802-1885). Eigh. Widmung m. U. "Victor Hugo". - Auf dem Titelblatt einer Sammlung von 3 Flugschriften Hugos anläßlich des Deutsch-Französischen Krieges. Bedruckter Umschlag und 14 S. Gr. 8vo (23,5 x 15,5 cm). Paris, Bureaux du Rappel, 1870.
"A Mademoiselle Thurel - Hommage Victor Hugo". Auf dem Titel der Broschüre "Victor Hugo: Aux Allemands. - Aux Français. - Aux Parisiens." Die drei Flugschriften sind datiert: 9. Sept., 17. Sept. und 2. Okt. 1870. Das hintere Umschlagblatt enthält noch den Text einer kurzen Ansprache Hugos, als er am 5. September bei der Rückkehr nach 8jährigem Exil am Gare du Nord von einer begeisterten Volksmenge empfangen wurde. - Der Erlös der Broschüre, 5 Centimes, war "au profit des blessés" bestimmt, und so war auch die Empfängerin von Hugos Widmung, Mlle Thurel, die Leiterin einer Krankenstation. - Heftung gelöst; Gebrauchsspuren.

Lot 2340, Auction  120, Jandl, Ernst, Albumblatt 1991

Jandl, Ernst
Albumblatt 1991
Los 2340

Zuschlag
650€ (US$ 699)

Details

Jandl, Ernst, österr. experimenteller Lyriker, Büchner-Preisträger (1925-2000). Eigh. Albumblatt m. U. "Ernst Jandl". 1 S. Gr. 4to. O. O. 13.III.1991.
"lichtung". Sein berühmtes Sprachspiel mit R und L: "manche meinen / lechts und rinks / kann man nicht / velwechsern. / werch ein illtum."

Lot 2341, Auction  120, Karsch, Anna Louisa, die Karschin, Albumblatt 1784

Karsch, Anna Louisa, die Karschin
Albumblatt 1784
Los 2341

Zuschlag
800€ (US$ 860)

Details

Karsch, Anna Louisa, die "Karschin", Dichterin, von den Zeitgenossen als "deutsche Sappho" verehrt (1722-1791). Eigh. Albumblatt mit 8zeiligem Gedicht und U. "A. L. Karschin, geborne Dürbach". 1 S. Quer-gr. 8vo (12 x 18,5 cm). Goldschnitt. Berlin 18.VI.1784.
Säuberlich auf festem Bütten geschrieben: "Seelig ist des Greises Glük / Deßen Haar wie silber glännzet / sieht Er hinter sich zurük / Seiner Jugend Bild gecrännzet / Vonn zwo Schwestern himmlischschön / Unnschuld, heißen Sie, und Tugend - / Wohl Dir wenn Sie Deiner Jugend / stets zur Seite gehn -".

Lot 2342, Auction  120, Rühle von Lilienstern, Otto, Signiertes Gedichtmanuskript

Rühle von Lilienstern, Otto
Signiertes Gedichtmanuskript
Los 2342

Zuschlag
800€ (US$ 860)

Details

Kleist-Umkreis. - Rühle von Lilienstern, Otto August, preuß. Generalleutnant und Militärschriftsteller, Maler und Kunstsammler, mit Heinrich von Kleist lebenslang eng befreundet, half u. a. bei der Finanzierung des "Phöbus" (1780-1847). Eigh. Gedicht-Manuskript m. U. "Zu freundlichem Andenken empfiehlt sich Otto Rühle von Lilienstern, Generallieutenant". 1 S. Doppelblatt, quer gefaltet. Quer-4to. Berlin 5.VIII.1845.
17 Zeilen, ohne Titel. "Ihr Thoren, die ihr diese Welt verschmähet, / und ewig unbefriedigt rastlos weiter stürmet; / stets Wunsch auf Wunsch, Verlangen auf Verlangen thürmet: / und, weil ihr sie zu fassen nicht verstehet, / ihr Thoren, klagt nicht, daß sie euch verloren gehet! ... Ward euch ein Aug', um was in tausend Farben spielt, / zu sehn; ein Herz, zu fühlen, was das Aug' gesehen, / und dann ein Geist, der was das Herz gefühlt, / das Aug' entzückt, den Busen wärmt, die innre Glut gekühlt, - / kurz all die Wunder, die euch glanzvoll rings umstehen / in Wortgedanken ausgeprägt, aufnimmt in seines Wesens tiefsten Tiefen; / sie fest da hält, noch dann, wenn Aug' und Herz schon längst entschliefen." - Im Gegensatz zu seinem Freund Kleist gelang Rühle von Lilienstern eine glänzende militärische und wissenschaftliche Karriere: 1819 wurde er Chef des Großen Generalstabs in Berlin, 1835 wurde er zum Generalleutnat und 1837 zum Direktor der Allgemeinen Kriegsschule in Berlin befördert; 1844 wurde er zugleich Generalinspektor für das Militärerziehungs- und Bildungswesen. 1846 ernannte man Rühle zum Ehrenmitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. - Faltenrisse unauffällig unterlegt. - Von großer Seltenheit.

Lasker-Schüler, Else
12 Briefe, 1 Postkarte, 1 Gedicht
Los 2344

Zuschlag
19.000€ (US$ 20,430)

Details

Lasker-Schüler, Else, Dichterin (1869-1945). Sammlung von 12 eigh. Briefen und 1 eigh. Postkarte m. U. "Jusuf", "Jussuf" oder "Else Lasker-Schüler" sowie 1 Gedicht-Typoskript m. eigh. U. "Else Lasker-Schüler". Zus. ca. 36 S. (Tinte und Bleistift). Mit 2 mehrfarbigen Zeichnungen ("Jusuf"-Köpfe) und einem Blumen-Lackbildchen im Briefkopf. Außer der Karte alles gr. 4to. O. O. 1917-1920.
Größtenteils umfangreiche Briefe an die Schauspielerin Tilla Durieux und ihren Ehemann, den Kunsthändler und Verleger Paul Cassirer, der in den Jahren 1919-1920 Lasker-Schülers 10bändige Werkausgabe herausbrachte. In dem ihr wohlgesonnenen Verleger entdeckte die Autorin einen Mäzen, der geeignet schien, ihr aus ihren ewigen Finanznöten zu helfen. So überschüttet sie ihn in ihrer sprunghaften Art mit phantasievollen Plaudereien, Welt- und Selbstbetrachtungen, die nicht immer leicht zu deuten sind. Schon der erste datierte Brief, vom 28.X.1917 aus der Schweiz, umfasst 10 Großquart-Seiten, eng und flüchtig mit Bleistift auf Briefpapier des "Elite-Hotels Zürich" geschrieben; er sei hier exemplarisch in Auszügen zitiert: Der Brief ist
großenteils mit Nachrichten aus ihrem Theben-Phantasieland gefüllt, als dessen künftigen "Alleinherrscher" sie sich bezeichnet. Weiteren Raum nimmt die Sorge um ihren Sohn Paul ein: "... Mein Knabe Paul ist ein Stück von mir und wir ähneln uns auf ein Haar, nur daß ich 1000 und 14 Jahre bin, er aber 18 Jahre alt ist und ich die 1000 Jahre bei ihm gestrichen habe ... Ich aber überschaue ihn und leite ihn und weiß was ich zu tun habe, denn ich bin nicht allein seine Mutter, ich bin auch sein Freund, sein Arzt und sein Kaiser der Abigail Jussuf, von dessen Lebensgeschichte einzelne Menschen, hoffe ich, verblüfft sein werden einmal. Hochverehrter Herr Paul Cassirer, jeder Gipfel hat seine Aussicht und seine Erde und seinen Himmel, ich hoffe daß Sie auch heute noch an die Höhe meiner Kunst glauben, an Mich. Es kommt nur darauf an, wie oft ich noch mich recken kann; und - daß ich Bewegungsfreiheit habe. Diese Freiheit hängt mit der Gesundheit des Körpers zusammen ... Ich, die ich nun ein halbes Leben für mich und meinen Sohn sorge, mich oben hielt, meinen Sohn äußerst gut hielt - ja warum all dieses Mißtrauen. Ich will einen eisernen starken Menschen erziehen - ich will daß mein Sohn zunächst körperlich befestigt wird, nicht an Schwindsucht endet wie es das Loos meiner Verwandten war ... Es handelt sich heute darum ihn zu befestigen und zwar, daß ich nicht kleinlich bin sondern ihn erhalte. Ich konnte es selbst durch verschiedene Dinge in Friedenszeiten in Deutschland, nun aber auf Anraten der Ärzte, fremder Krankenhausärzte, etc. sandte ich, der Kaiser von Theben, ihn meinen Sohn nach der Schweiz, zunächst ihn sich, aber dann ihn Mir zu erhalten. Ihr Karlchen (ich mache keinen Unterschied zwischen Mensch und Bild) würde ich auch zu erhalten suchen, zumal ich verliebt in Karlchen bin, ich denke an Karlchen ... (ich liebe die Puppen wie ein Kind), und ich bitte Sie und Tilla Durieux immer dieses goldene Karlchen zu zu pflegen, auch wenn es mal alt wird 1000jährig wie der Malik von Theben. Mein Sohn Paul ist mir der teuerste Mensch, den ich kenne, er ist schön, er ist gutherzig, er ist stolz, er ist fleißig, er ist kindlich, er ist ein entzückender Lausejunge wie die Freunde, die eigentlich alle meine Söhne sind. Ich weiß was ich tue, und mein erster in Theben ist der Vicemalik, der Herzog von Leipzig, mein teurer, weitsichtiger, kühldenkender Hans Adalbert von Maltzahn, der mich an meine Brüder erinnert ... Ich habe lieb: Franz Marc, Fritz Wolff, Leo Kestenberg, Frau Prof. Herrmann und Ihre liebe Frau, Frau Prof. Otto, Fürstin Wied ... und meine Freunde in Berlin, meine Spielgefährten, ihre Liebe wird mich nie verlassen im Leben und Tode nicht. Wer mein Kind hier so verleumdet, schlagen wir mit der Axt tot. Mein Kind hat eben die Manieren eines bescheidenen Menschen mit Takt und vielleicht übertriebener Höflichkeit eines feinen, oft schüchternen Menschen ..." (etc.). - Man gewinnt den Eindruck, daß der Brief auf eine pekuniäre Bitte hinausläuft, aber dann heißt es: "Ich nehme nichts. Ich bin frei. Ich dachte Ihnen den Malik von Tiba zu verkaufen, ein Buch seinesgleichen mit Illustrationen von mir mit 6-7 Kronen, Modelle von Franz Marc für den Kaiser von Theben, Campendonk, Kaiser, Richter (nicht Hans Richter, der andere), Lederer ...".
Ein undatierter Brief an Tilla Durieux, auf dem gleichen Hotel-Papier, wird noch materieller: "... im Schaufenster sah ich drei blassrosa geschnitzte Korallenbroschen. Ich hatte mich schrecklich gefreut, Ihnen eine davon zu bringen, aber ich kann auch hier in diesem Fall selbst nicht mehr so leichtsinnig sein. Sie sind teuer, aber wunderschön alle drei für das graue Kleid. Mir geht es noch immer miserable! Mein Körper gebrochen. - Inl. Ehrenkarte zu meinem Abend daran kein Stern hängt. Mein Zimmer sieht ebenso verstaubt und verfahren aus wie ich ...".
Die übrigen Briefe mit vielen Themen beiderseitigen Interesses: Tilla Durieux' Bühnenrollen, Elsas und ihres Sohnes Leben, eigene Dichtungen ("Meine Wupper wird März aufgeführt Berlin"), Essays und Zeichnungen, Konflikt und Probleme mit Paul Cassirer (61/2 S.), Nachrichten von Freunden und Bekannten, Gedanken über eigenes Dasein und Schaffen, Dank für Wohltaten der Cassirers und manches andere.
Ein undatierter Brief mit "Jusuf"-Kopf am Beginn ist charakteristisch für Else Lasker-Schülers Stil und Gehalt in der hier vorliegenden Briefreihe. "... Wie Sie mir das Budget für meinen Thon gaben, rührte mich tief, ich meine die Art und Weise. Daß Sie als Ehrensache betrachten, meine Bücher in Ihren Verlag zu nehmen, weiß ich und macht mich stolz. Ich möchte Ihnen beiden noch etwas Gutes sagen: Wie Paul Cassirer verschiedenartig hin und gegenfließt ist elementar. Er ärgert sich selbst über eigene Belehrungen und wird den Primaner nicht los und Sie Frau Durieux sind ein Schelm im Geben. So bleiben Sie gut dem Strandräuber von Theben Jusuf". - Das Gedicht-Typoskript, betitelt "Tilla Durieux", umfasst 15 Strophen zu je 3 Zeilen (3 Bl., einseitig beschrieben, mehrfach textlich verbessert und am Schluß signiert: "Else Lasker-Schüler") und ist eine vorzügliche poetische Beschreibung der ganzen Persönlichkeit der Schauspielerin: die bekanntesten Rollen und ihre Interpretation, die körperliche Wirkung der Künstlerin und ihre Verewigung durch Ernst Barlach. - Sehr schöne, gehaltvolle und bisher unveröffentlichte Briefreihe, die mehrere Jahre aus dem Leben drei sehr unterschiedlicher, aber jeweils in ihren Sphären gleichermaßen berühmter Persönlichkeiten beleuchtet. – Alle Teile gelocht; wenige Bl. mit Randschäden.

** English **

Provenienz:
Die Dokumente gingen von der Künstlerin an Ihre Freundin Hertha Olga Kučera (1902-1984), mit der Sie auch noch aus Deutschland einen regen Briefwechsel unterhielt. Hertha Kučera war die Schwiegertochter des berühmten kroatischen Astronomen Oton Kučera (1857-1931) und dessen Frau Jelena (Jelka) Kučera sowie die zweite Ehefrau deren Sohn Vlaho Kučera (1898-1983). Wahrscheinlich hatte Tilla Durieux ihr die Briefe als Andenken geschenkt, denn sie finden sich nicht als inventarisiert in der sog. „Protected Collection“, die unter der Museums of the Department of Art and Culture of the Ministry of Education of the Federal Republic of Croatia direkt nach Ende des Krieges eingezogen worden waren. Vielmehr befanden sich die Unterlagen im Privatbesitz der Kučera-Familie bzw. dann physisch auch in Deutschland.
Lediglich die Kunstwerke, die unter dem Protektorat des Kroatischen Staates (Jugoslawien) standen, stellte Tilla Durieux dann auch in Zagreb in einer Dauerausstellung öffentlich aus, die Briefe und sonstigen schriftlichen Unterlagen waren auch hier nicht Teil der Sammlung (vgl. dazu MK-UZKB-KOMZA, Privatne zbirke, Zlata Lubienski Collection, document no. 25406-III-1- 1945, of November 13th , 1945. 22 MK-UZKB-KOMZA, Privatne zbirke, Zlata Lubienski Collection, document no. 315-1945; SLADE ŠILOVIĆ 1995, pp. 73-81. 23 GZZSKIP-DTD, document no. 02-1028/1-1967. Decision of registration of Tilla Durieux collection in Nation register of moveable Cultural Heritage, of November 9th, 1967. In 1948 a list of items in the collection was made).
So waren die originalen Typoskripte der Memoiren der Durieux, die die Grundlage waren für die Publikation (1954 eine sehr stark gekürzte und bearbeitete Ausgabe unter dem Titel "Eine Tür steht offen" und 1971 eine wieder ganz veränderte und durch Fortsetzung ergänzte "Meine ersten 90 Jahre"), auch teilweise erst nach dem Kriege in Berlin entstanden, wo sie dem Verlag als Grundlage dienten, sie befanden sich also zusammen mit den anderen Dokumenten in Deutschland.
Die rechtmäßigen Eigentümer der uns vorliegenden Dokumente, die Erben der Kučera-Familie, verkauften sie, nachdem die Dokumente zunächst dem genannten Museum in Zagreb angeboten worden waren. Über den Verkauf gibt es von einem staatlich vereidigten Notar („Republika Hrvatska Zabreb Za vršitelja dužnosti bilježnika predsjed“) eine Urkunde, die nicht nur das Eigentumsrecht der Kučera-Familie bestätigt, sondern auch den Verkauf der sich schon in Deutschland befindenden Dokumente offiziell bestätigt (auf Anfrage in Kopie erhältlich).


Provenance:
The documents were sent by the artist to her friend Hertha Olga Kučera (1902-1984), with whom she also maintained a lively correspondence from Germany. Hertha Kučera was the daughter-in-law of the famous Croatian astronomer Oton Kučera (1857-1931) and his wife Jelena (Jelka) Kučera and the second wife of their son Vlaho Kučera (1898-1983). Tilla Durieux had probably given her the letters as a souvenir, because they are not found as inventoried in the so-called "Protected Collection", which had been confiscated under the Museums of the Department of Art and Culture of the Ministry of Education of the Federal Republic of Croatia immediately after the end of the war. Rather, the documents were legally in the private possession of the Kučera family or then physically also in Germany.
Only the works of art that were under the protectorate of the Croatian state (Yugoslavia) were then publicly exhibited by Tilla Durieux in a permanent exhibition in Zagreb; the letters and other written documents were not part of the collection here either (cf. MK-UZKB-KOMZA, Privatne zbirke, Zlata Lubienski Collection, document no. 25406-III-1- 1945, of November 13th , 1945. 22 MK-UZKB-KOMZA, Privatne zbirke, Zlata Lubienski Collection, document no. 315-1945; SLADE ŠILOVIĆ 1995, pp. 73-81. 23 GZZSKIP-DTD, document no. 02-1028/1-1967. Decision of registration of Tilla Durieux collection in Nation register of moveable Cultural Heritage, of November 9th, 1967. In 1948 a list of items in the collection was made).
Thus the original typescripts of Durieux's memoirs, which were the basis for the publication (in 1954 a very much abridged and edited edition under the title "A Door Stands Open" and in 1971 a "My First 90 Years", again completely changed and supplemented by continuation), were also partly written after the war in Berlin (after 1951) where they served as the basis for the publishing house, so they were in Germany together with the other documents.
The rightful owners of the documents in our possession, the heirs of the Kučera family, sold them after the documents had first been offered to the aforementioned museum in Zagreb. There is a deed from a state-sworn notary ("Republika Hrvatska Zabreb Za vršitelja dužnosti bilježnika predsjed") confirming not only the ownership of the Kučera family, but also officially confirming the sale of the documents already in Germany (copy available on request).

Lot 2346, Auction  120, Lühe, Caroline von der, Brief an Daniel Friedrich Parthey

Lühe, Caroline von der
Brief an Daniel Friedrich Parthey
Los 2346

Zuschlag
160€ (US$ 172)

Details

-
Lühe, Caroline von der, geb. v. Brandenstein, Komponistin und Dichterin, Gemahlin des Gothaer Kammerherrn Joachim Friedrich Ernst v. d. Lühe, Erzieher des Erbprinzen August von Sachsen-Gotha, gehörte mit ihrer Tochter Dorette zum Freundeskreis der Familie Parthey in Berlin (1757-1813). Eigh. Brief m. U. "C. L ..." sowie mit Adresse und Lacksiegel. 2/3 S. 4to. (Wohl Berlin um 1795).
An den Buchhändler, Musiker und preußischen Hofrat Daniel Friedrich Parthey (1745-1822), Schwiegersohn Friedrich Nicolais, in Berlin, den sie mit "Mein theurer Freund" anredet. "... da ich von zwey Orten die Nachricht aus Gotha erhalte, daß meine Angelegenheit besorgt ist, So kan ich nicht mehr zweiflen, daß jene an H. Okel gezahlte 150 Thl mir obschon falsch angezeigt sind. es geht heut ein Brief von mir nach Gotha ab, wo ich melde daß dieses ihnen angekündigte Geld nun von mir in Empfang genommen wird. Schluß der Woche bitte ich um einen Theil deßelben. Möchten Sie theurer Freund und die Ihrigen wohl seyn. ich bin es leider nicht und zittre für unsern Goeking [d. i. der Dichter Leopold Friedrich Günther von Goeckingk], den ich mit allen seinen Eigenheiten nicht gern miße. Dorette ist gottlob leidlich und grüßt herzlich ...". - Carolines Gedichte erschienen im Teutschen Merkur, im Berliner Musenalmanach von 1791, in Voß' Musenalmanach, in der Mannheimer Schreibtafel und im Schwäbischen Magazin. - Kleiner Eck-Abriss vom Öffnen der Versiegelung. - Dabei: Wilhelmine von Boguslawski, geb. v. Radecke, Berliner Salonière, Gemahlin des Generals, Übersetzers und Autors Carl Andreas von Boguslawski, Dame des Luisenordens (1769-1839). Eigh. Brief m. U. "ergebene Dienerin v Boguslawski geb v Radecke". 2 S. 4to. Berlin 19.I.1822. - Gleichfalls an Friedrich Parthey, mit der Bitte, ihren 19jährigen Sohn, der seinen einjährigen Militärdienst mit seinem Universitätsstudium in Einklang bringen will, für einige Monate ein Zimmer in Partheys Haus zur Verfügung zu stellen, da sie ihr "hübsches Quartier vor dem Rosenthaler Thore" verliere und daher vorläufig nach Dresden umziehe. Ihr Sohn hätte dann ein leuchtendes Vorbild in Partheys Sohn Gustav. Ihr machte er im übrigen "bisher nur die größte Freude. Mit 17 Jahren als primus omnium und Nr 1 vom grauen Kloster zur Universität entlassen, erfüllte sein Zeugniß die höchsten elterlichen Erwartungen ...".

Lot 2347, Auction  120, Mann, Erika, 3 Briefe

Mann, Erika
3 Briefe
Los 2347

Zuschlag
400€ (US$ 430)

Details

Mann, Erika, Thomas Manns Tochter, Kabarettistin, Schriftstellerin und Journalistin (1905-1969). 3 Briefe m. U. "Erika Mann". Zus. 3 S. auf 4 Bl. Mit den Umschlägen. Gr. 4to. Kilchberg bei Zürich 1956-1958.
An die Literatur-Übersetzerin Gisela Jockisch, später Schwägerin Carl Zuckmayers, die ihr ein Thomas-Mann-Projekt vorgeschlagen hatte, nachdem sie Erikas Buch "Das letzte Jahr. Bericht über meinen Vater" (1956) gelesen hatte. "... ist es mir wirklich ein Trost und eine immer wieder ganz überraschende Genugtuung, wenn jemand einigen aufrichtigen Gefallen gefunden hat an meiner kleinen Schrift. Man begegnet - wie Sie wissen werden - so vielem hämischen Unverstand, so vieler Gehässigkeit und bösartigen Narretei, dass die Zeugnisse der Teilnahme sehr wohltuend sind. Natürlich darf man sich sagen, dass man Dinge, wie dieses "Letzte Jahr" ja ausschliesslich für Freunde schreibt, und dass es also nicht wunder nehmen darf, wenn die Uebelgesinnten ihr Mütchen an einem kühlen. Statt einem aber die Widerwärtigkeiten verdaulicher zu machen, indem ihre Urheber sich auch noch - mehr oder weniger offen - gegen T. M. richten, bringen sie es merkwürdigerweise fertig, einen dadurch noch tiefer zu verstimmen ... Leider ist es ganz und gar nicht angängig, was Sie vorschlagen. Ich fürchte, Sie haben sich die ungeheuren Schwierigkeiten, die einer solchen Unternehmung - an sich schon, und sogar, wenn T. M. ihr quasi 'vorgestanden' hätte - sich in den Weg türmen, nicht lebhaft genug vor Augen gestellt ... Schon ein Mensch wie Albert Schweitzer, von dem ich persönlich keineswegs glaube, dass er, über sein Lambarene-Unternehmen hinaus, zu grosser Initiative gestimmt und aufgelegt wäre, verfügte kaum über die 'Beredsamkeit' (um ein bescheidenes Wort zu wählen), welche den Rest mitzureissen vermöchte ... Ich bin nicht die Figur, die dafür in Frage käme, Glauben Sie mir: meine Erfahrung ist zu gross und ich verstehe ganz einfach zuviel von der Technik und dem Mechanismus dieser Art von Unternehmungen, als dass ich mich zu der Don Qixoterie verstehen könnte, dergleichen meinerseits anzugehen ..." [9.IX.1956]. - Die folgenden Briefe behandeln ihre Drehbuch-Arbeit an einem zweiteiligen "Buddenbrooks"-Film, ihre Bettlägerigkeit infolge eines komplizierten Fußbruchs und schließlich die Blumen, die Frau Jockisch ihr - wohl bei einem Besuch - hatte zukommen lassen. "... Seien Sie ... von Herzen bedankt für die zaubervollen Blumen. 'Langweilig' nennen Sie meine Lieblingswicken? Nicht doch! Es gehören diese zarten, durchsichtigen wie tänzerischen Blüten für mein Gefühl zu den reizendsten Erzeugnissen der Natur ..." [29.V.1958). - Beiligend ein handschriftlicher Zettel, der sich wohl auf den Besuch bezieht: "Bin Ende Mai dort gewesen, war sehr schön, interessant, harmonisch."

Lot 2348, Auction  120, Mann, Heinrich, Brief Jan. 1920 an Tilla Durieux

Mann, Heinrich
Brief Jan. 1920 an Tilla Durieux
Los 2348

Zuschlag
1.200€ (US$ 1,290)

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"das schädliche Abentheuer der Rätherepublik"
Mann, Heinrich, Bruder Thomas Manns, Schriftsteller (1871-1950). Eigh. Brief m. U. "Heinrich Mann". 3 S. auf 2 Bl. 4to. München 14.I.1920.
Sehr interessanter, umfang- und inhaltsreicher Brief an die Schauspielerin Tilla Durieux über ihr beiderseitiges politisches Verhalten während und nach der Münchener Räterepublik. Die Schauspielerin, die in München Ernst Toller und andere politisch linksgerichtete Personen unterstützte, hatte einen wohl etwas vorwurfsvollen Brief an Heinrich Manns Ehefrau geschrieben, die sich aber in Prag aufhielt, so dass Heinrich selbst den Brief beantwortet und seine passive Haltung verteidigt: "... Erinnern Sie sich, bitte, an die allgemeinen Umstände damals, als in München der bürgerliche Zorn sich gegen Sie wandte. Die Dinge lagen so, daß Jeder stündlich erwarten konnte, vom Fleck weg verhaftet und beim Transport auf der Straße totgeschlagen zu werden. Was wollten Sie damals mit papiernen Protesten machen? Und dazu als Einzelner? Denn so viel ich umherfragte, Niemand hielt ein Eingreifen für möglich. Gegen die Verdächtigung des 'Bolschewismus' durfte Niemand öffentlich auftreten. Mir, der ich selbst ein Verdächtiger war, würde man es garnicht erst erlaubt haben. Bedenken Sie, daß zu derselben Zeit ein alter Mann, obendrein eine Art Heiliger der kapitalistischen Ordnung, Lujo Brentano, zu mir kam und mir berichtete, bei ihm sei Alles durchsucht und er selbst mit Verhaftung bedroht worden: Alles nur wegen eines Wortes. Auch in meiner Wohnung war, noch im Sommer, eine heimliche Durchsuchung ... Sie brauchten mich nicht daran zu erinnern, daß mein 'Untertan' mir nicht vergessen wird. Das hat mich aber nicht abgehalten, jetzt auch noch mein Buch 'Macht und Mensch' herauszubringen, das ich Ihnen verehre. Wenn Sie den Essai 'Kaiserreich und Republik' gelesen haben werden, den ich inbeirrt während der Räthezeit und nach dem Ausbruch der Gegenrevolution schrieb, werden Sie mich hoffentlich nicht für muthlos halten. Nur ist es meine Auffassung von Muth, dort zu handeln, wo es irgend einen Nutzen verspricht. Hätte ich aussichtslos protestieren wollen, dann würde ich mich vor Allem gegen das schädliche Abentheuer der Rätherepublik aufgelehnt haben, das der Gegenrevolution erst Vorwand und Gelegenheit geliefert hat. Aber diese wie jene waren wohl unvermeidbar, in einem politisch besonders haltlosen Volk ...". Sie beide würden doch unter der kulturpolitischen Reaktion leiden: "... Wenn die vorgeblich herrschende Partei, die Sozialdemokratie, hier zur Zeit keine öffentlichen Versammlungen mehr abhalten darf, wollen wir uns dann wundern, daß München Wedekind verbietet, die größte Schauspielerin [gemeint ist Tilla Durieux] entfernt und meine Wenigkeit auszieht? ... Ich habe die Hoffnung, Sie bald, recht bald wieder hier spielen zu sehen. Das Nationaltheater verändert sich, wie Sie schon wissen. Herr Schwanneke [der Intendant Viktor Schwanneke] hat die Gunst des Künstlerrathes verloren, ohne die es ihm nicht glücken konnte ... Auf Ihre Bemerkung über den heutigen Geschmack des Publikums: auch ich weiß, was es heute will; und wenn Herr Barnowsky [der Berliner Theaterdirektor Victor Barnowsky, Leiter des Lessing- und des Deutschen Künstler-Theaters] die vorige Saison, die für mich besser war, versäumt hat, mag er beruhigt auch diese versäumen ...". - Beide Blätter mit Lochung und kleinen Randschäden.

Lot 2349, Auction  120, Mann, Heinrich, 2 Briefe an Tilla Durieux

Mann, Heinrich
2 Briefe an Tilla Durieux
Los 2349

Zuschlag
1.400€ (US$ 1,505)

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Politische Zustände in München: "Jeder Protest ist selbstmörderisch"
- 2 eigh. Briefe m. U. "Heinrich Mann". Zus. 41/2 S. 4to. München 26.IX. und 28.X.1920.
An die Schauspielerin Tilla Durieux. Sehr ausführlich über sein Theaterstück "Der Weg zur Macht" und dessen Aufführungen in München und Berlin, wobei er sich für Berlin Tilla Durieux' Mitwirkung wünscht und ihre Meinung zu dem Werk erfragt. "... Mein 'Weg zur Macht' soll in der Königgrätzerstraße [d. i. das Theater in der Königgrätzer Straße, das heutige Hebbel-Theater] nächstens herauskommen ... Ist es Ihnen möglich, eine Rolle darin zu übernehmen? ... Sie werden sich gewiß nicht, wie gewisse Colleginnen, davon abschrecken lassen, daß der Bonaparte die größte Rolle ist. Einige andere, und besonders die Frauenrollen, sind thatsächlich nicht weniger wichtig. Ich glaube, das Stück ist Ihnen seit dem vorigen Sommer bekannt. Wenn nicht, so macht die Direktion Meinhard und Bernauer oder der Drei-Masken-Verlag es Ihnen sofort zugänglich. Ich weiß nicht, ob Sie es für so gut und aussichtsreich halten wie die Direktoren, die 'etwas Außerordentliches' darin sehen und jede künstlerische Bühnenarbeit fortan unmöglich finden, wenn bei einer solchen Gelegenheit die Schauspieler die Rollen 'nicht nach ihrem geistigen, sondern nach ihrem Kilogramm-Gewicht' wägen wollen ... Wollen Sie mich auf Ihre Hilfe hoffen lassen? Wir haben schon oft zusammengewirkt, wohl meist unter Kämpfen und Schwierigkeiten, aber viel Gutes ist gelungen ... Ich erbitte noch mehr: bestimmen Sie möglichst viele der in Frage kommenden Schauspieler, sozusagen, indem Sie ihnen die Bedeutung der Sache klarmachen! ... Manche werden einsichtiger sein als Herr Hartau und Frl. Orska, die allein bisher befragt wurden. Stimmen Sie sie um! Die anderen in Frage kommenden sind: Die Herren Salfner, Abel, Wegener, Marr, und die Damen Glässner, Heims, Verden. Sie sind, nach Angabe der Direktion, sämtlich frei. Die Direktion will durchschnittlich 500 Mk für jedes Auftreten zahlen ...". Geht dann auf die bevorstehende Uraufführung in München ein: "... Ihnen darf ich vertrauensvoll noch sagen, daß die alleinige Münchener Uraufführung, die nach dem Scheitern der Berliner Aufführung nicht zu vermeiden wäre, mich schon jetzt in Schrecken versetzt. Man hört wieder von Theaterskandalen, die von den Reaktionären vorbereitet werden. Hier kann man nur ohne Aufsehen als Privatmann leben, und jeder Protest gegen die bestehenden Zustände ist selbstmörderisch. Eins der neueren Opfer der Reaktion ist der Theaterkritiker Richard Elchinger, derselbe, der doch vorsichtig genug war, mir Ihren Namen zu streichen, als ich im vorigen Jahr für Sie Zeugnis ablegen wollte ..." [26.IX.]. - Am 28. Oktober berichtet er über die Münchener Premiere: "... Ihr Brief traf mich grade im Augenblick vor meiner Premiere, und Ihre freundliche Theilnahme erhöhte meine Zuversicht. Es ist dann auch so gut verlaufen wie nur irgend möglich. Eine für München beträchtliche Zahl von Aufführungen wird nach dem jetzigen Stand erwartet. Danach darf ich hoffen, daß das Stück sich in Berlin noch leichter wird durchsetzen lassen. Die atmosphärischen Widerstände sind dort schwächer, und die Aufführung wird wahrscheinlich besser sein ... Was Sie mir über das Stück sagen, ist in jedem Wort richtig. Es sind lauter fertige Charakterrollen, trotz der Kürze des Textes, und die verlangen gute Schauspieler ... Sie verstehen so viel mehr als die Meisten - abgesehen, daß Sie so viel mehr können. - Ich bin, wenn ich mir es klar mache, von Trauer erfüllt, daß Sie nicht mehr hier sind ... Denn es wird, je weiter man kommt, nicht voller von Menschen in der Welt, scheint es mir, sondern leerer; - Ohne daß ich die Stimmung drücken will; - aber eine Reise nach Berlin würde mir als aufrichtigste Freude den Besuch bei Ihnen bringen ...". - Beide Briefe gelocht.

Lot 2350, Auction  120, Moeller van den Bruck, Arthur, Manuskript-Fragment + Beigaben

Moeller van den Bruck, Arthur
Manuskript-Fragment + Beigaben
Los 2350

Zuschlag
300€ (US$ 323)

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Moeller van den Bruck, Arthur, Kulturhistoriker, Staatstheoretiker und Publizist, Hauptvertreter der "konservativen Revolution" (1876-1925, starb durch Selbstmord). Eigh. Manuskript-Fragment mit Namenszug über dem Titel (1 S.), 2 Doppelbl. eigenhändig korrigierter Druckfahnen zu "Der preußische Stil", eine handschriftl. Moeller-Biographie von seiner Witwe (6 S.) und weiteres Material. (1916-1926).
I. "Zur Einführung. Humor in Rußland". Anfangsblatt eines eigenhändigen Aufsatzes, mit Moellers Namenszug am Kopf. - II. 8 S. eigenhändig korrigierte Druckfahnen zu Moellers bei Piper 1916 erschienenem Hauptwerk "Der preußische Stil". - III. Lucy Moeller (Witwe des Autors). Manuskript "Die Angaben über Moeller van den Bruck". 6 S. auf 6 Bl. - Biographische Informationen, wohl für den Piper-Verlag geschrieben. - IV. Theodor Däubler. 2 Exemplare der Druckfahnen seines Aufsatzes "Moeller van den Bruck", beide von unterschiedlichen Händen stark korrigiert, mit vielen Änderungen und Streichungen. - V. 4 teils von Moeller und Reinhard Piper beschriftete Architektur-Fotos, die für das Buch "Der preußische Stil" bestimmt waren. - Dabei: Reinhard Piper, Verleger (1879-1953). Sammlung an ihn gerichteter Briefe, Karten und Widmungen, großenteils eigh. Briefe: Bruno Brehm (1 Brief m. U. und Federzeichnungen, 1943, 4 Maschinenseiten; 1 eigh. Brief auf der Rückseite eines Briefes von Prof. V. Mitschinsky an Brehm, 1940), Hermann Burte (1941), Hanns Floerke (4 Teile, 1903-1904), Georg Queri (1911), Artur Volkmann (1908, über Hans von Marées), Georg von der Vring (1940, dazu Sonderdruck mit eigh. Widmung, 1952), Ernst Wiechert (1938), Heinrich Zillich (1942) u. a. - Beiliegend ein Typoskript Pipers, am Kopf eigenhändig bezeichnet "Idee eines Marées-Werks" (dazu 4 Briefe von Marées in Abschrift bzw. Faksimile u. a.).

Mörike, Eduard
Signiertes Gedichtmanuskript
Los 2351

Zuschlag
2.800€ (US$ 3,011)

Details

Mörike, Eduard, Dichter (1804-1875). Eigh. Gedichtmanuskript m. U. "Zur freundlichen Erinnerung an Ed. Mörike". 1 S. (Blatt 2 eines Doppelblattes, bei dem Blatt 1 einen anderen Eintrag enthält). 8vo. Stuttgart 22.VIII.1860.
Sechs Zeilen im antiken Versmaß des Distichons. "Bald an die Ufer des Sees, der uns von ferne die Herzen / Lockt in jeglichem Jahr, Glückliche kehrst du zurück. / Tag für Tag ist er dein, mit Sonn' und Mond, mit der Alpen / Gluth und dem holden Verkehr schwebender Schiffe dazu ...". - Von dem schönen Bodensee-Gedicht, das unter dem Titel "Einer Reisenden" u. a. in der Ausgabe "Gedichte" von 1867 auf S. 196 gedruckt ist, weicht unsere Handschrift in einem Wort der vierten Zeile ("holden" statt "trauten") und in den beiden letzten Zeilen vollständig ab. - Der Druck des Gedichtes - in geänderter Form - erschien zuerst 1861 in der Zeitschrift "Freya" unter der Überschrift "Vor einer gemalten Ansicht des Bodensees. Einer Reisenden", und laut der Hist.-Krit. Gesamtausgabe (1967 ff.) war bisher nicht bekannt, wann die erste Niederschrift stattfand. Möglicherweise liegt hier die früheste bekannt werdende (und noch anders lautende) Niederschrift vor. - Sie ist offenbar als Albumblatt geschrieben, und das vorliegende Doppelblatt ist einem Album entnommen worden. Auf das anhängende (eigentlich: vorhergehende) Blatt ist eine gestochene Ansicht montiert, die vermutlich das Katharinen-Stift in Stuttgart zeigt; mit der handschriftlichen Widmung: "Seinen lieben Schülerinnen zu freundlicher Erinnerung von Carl Nördlinger. Catharinen Stift den 25ten Sept. 1860." Carl Nördlinger (1812-1896) war ein Kupferstecher, der zeitweilig auch als Lehrer an der Stuttgarter Kunstakademie tätig war. Er wird Mörike kein Unbekannter gewesen sein. - Einen guten Interpretationsversuch von Mörikes Gedicht "Einer Reisenden" lieferte 2003 Hans-Henrik Krummacher in der Neuausgabe der Gedichte von 1867.

Lot 2352, Auction  120, Mörike, Eduard, Albumblatt 1838

Mörike, Eduard
Albumblatt 1838
Los 2352

Zuschlag
1.500€ (US$ 1,613)

Details

- Eigh. Albumblatt m. U. "Eduard Mörike". 1 S. Quer-4to. Stuttgart 16.XII.1838.
"Danke, daß die Gunst der Musen / Unvergängliches verheißt: / Den Gehalt in Deinem Busen / Und die Form in Deinem Geist! - Göthe." - Gemäß der Familien-Überlieferung widmete Mörike ("Voll Verehrung der Ihrige") den Vierzeiler von Goethe der prominenten Stuttgarter Pianistin, Komponistin, Musikpädagogin und Chorleiterin Emilie Zumsteeg (1796-1857), Tochter des Komponisten Johann Rudolph Zumsteeg. Bekannt ist, dass sich Mörike in das Stammbuch der von ihm verehrten Künstlerin eingetragen hat. - Etwas gebräunt; unter Glas gerahmt.

Musil, Robert
61 Briefe und Postkarten + zahlreiche Beilagen
Los 2353

Zuschlag
45.000€ (US$ 48,387)

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Musil, Robert, österr. Schriftsteller und Theaterkritiker, der an seinem zur Weltliteratur zählenden Hauptwerk "Der Mann ohne Eigenschaften" seit 1920 bis zu seinem Tode arbeitete (1880-1942). Sammlung von 40 Briefen und 21 Postkarten; ferner 15 Briefe u. 13 Karten von Martha Musil. - Eingelegt in eine moderne, mit türkisfarbenem Maroquinleder bezogene Funktions- und Präsentationskassette (Maße: 11 x 16 x 25 cm). 1906-1949.
Die überwiegend unveröffentlichte Korrespondenz Robert Musils und seiner Frau Martha, geb. Heimann, mit dem gemeinsamen Jugendfreund, dem Psychologen Gustav Johannes von Allesch (1882-1967), der an der Universität Göttingen lehrte. Die Korrespondenz beginnt im Jahre 1906 und erstreckt sich zunächst über einen Zeitraum von fünf Jahren bis 1911, wobei jeweils alle zwei bis drei Monate geschrieben wurde. Bis zum Ende des Weltkriegs schweigen die Federn, dann hebt die schriftliche Konversation 1918 wieder an, verringert sich in den Jahren 1920 bis 1926, um in der Zeit von 1927 bis 1949 wieder den alten Rhythmus von mehreren Briefen und Karten pro Jahr zu erreichen.
Vereinzelte Briefe sind in Karl Dinklages "Robert Musil. Leben, Werk, Wirkung" (1960) gedruckt wurden. "Die Briefe Robert Musils an Johannes von Allesch gehören ohne Zweifel zu seinen persönlichsten“. Allesch sei 'einer der ganz wenigen Menschen, mit denen Musil wirklich befreundet war', schrieb Wilfried Berghahn (Robert Musil, 1963). Hier sollen wenigstens einige Brieftexte zitiert werden:

Rom, 31. Januar 1910 (2-seitiger Brief mit Briefkopf des Hotel Lavigne). Musil berichtet über die Scheidungssituation seiner späteren Frau Martha, die Ihren Mann, den italienischen Kaufmann Enrico Marcovaldi, verlassen und sich mit ihren zwei Kindern nach Berlin begeben hatte. „Wir befinden uns in vollem Kriegszustand. Nicht ohne Situationswitz; Sie erinnern sich, daß Sgr. E(nrico) zuletzt eine Frist bis zum 31. verlangte um sich gütlich zu einigen. Das war - wie wir vermutet hatten - wirklich eine List; er benutzte die Zeit um sich mit Geld u. Advokatenratschlägen zu versehen u. reist heimlich nach Berlin, uns zu überraschen u. die Kinder zu entführen … Dieweil der daneben gesprungene Löwe in Berlin ist, sitzen wir hier in seiner Höhle u. benützen seine Abwesenheit nach Kräften“. Musil bittet von Allesch, die gegenwärtige Wohnung Marcovaldis zu ermitteln: „…aber bitte größte Vorsicht … Hauptsächliche Charakteristika: 1,75 groß, sehr stark, schwarz stark meliert, kleiner Hinterkopf u. im Verhältnis großes Gesicht, Tenorgang…“.
Aus Wien, Floriansgasse 2, schreibt Musil am 4. November 1919: „… ich war damals in Berlin so knapp mit der Zeit und so gehetzt , daß ich Dich auf der Visitenkarte sogar, wenn mich nicht alles täuscht, mit 'Sie' angesprochen habe. Zum Glück bist Du kein Wiener Psychologe, der mir daraus einen Fallstrick drehen würde. Den Münchner Aufenthalt bei der Heimkehr mußte ich dann aufs äußerste restringieren, weil uns ein Telegramm Gaetanos (i. e. Musils Stiefsohn) Ankunft in Wien erwarten ließ". Neben anderem auch über Alleschs Ehe.
Wien, am 13. Dezember 1919: "Pekuniär geht es uns allen schlecht, wie sich denken läßt, aber schließlich bringt man das Rätsel des Weiterlebens zuwege; wie, weiß man von sich selbst nicht. Die Reise nach Berlin ist nicht aufgegeben ..." und ebendort am 24. Dezember 1920 sehr ausführlich über die Verhandlungen mit den Verlagen Rowohlt und Fischer wegen Musils Schauspiel Die Schwärmer. Er schreibt: "Du wirst verstehn, daß ich innerlich auf das Schlimmste gefasst, selbst gegen das Beste ein gewisses Mißtrauen aufbringe." Das Mißtrauen, das allen nicht-expressionistischen Dramen von den ‚umsatzorientierten’ großen Verlegern entgegengebracht wurde, erklärt die Schwierigkeiten, die Musils „Reflexionstheater“, sein auf der Bühne schwierig realisierbares Meisterwerk hatte. Die Schwärmer. Schauspiel in drei Aufzügen wurde 1921 in Dresden im Sibyllen-Verlag gedruckt; erst 1925 dann auch bei Rowohlt.
Die folgenden Briefe mit umfangreichen Ausführungen und Kritiken am Burgtheater (Wien am 1. Juni 1921), ferner über die inflationären Kosten des Lebensunterhalts; am 16. Dezember 1921: „Einige Illustrationen: Ein Abendbrot für zwei, gestern in einem einfachen Lokal: 1100 K(ronen). Ein kg. Kaffee: 2600 K. Eine Schale Kaffee zwischen 50 u. 90 K. … Ein Laib Brot (weiß) 148 K. Ein Paar Würstl im Geschäft 150 K., 10 d(ezi)kg. Wurst von 110 bis 700 K. 1 kg. Rindfleisch über 1000 K. Ein Ei 120 K. Büchse Kondensmilch 1200 K. 1 kg. Reis 500 K. … Eine Fahrt auf der Elektrischen 30. … Ein Zimmer für 2 Personen schätze ich auf 10.000 K. monatlich (schwer zu bekommen)…“.
Am 20. Dezember 1925 beschwert sich Musil über Ernst Rowohlt: „Tatbestand: Er schickt mir kein Geld und antwortet auf meine Briefe nicht. Seit Oktober. Bis dahin war ich sehr zufrieden mit ihm. Mit den Zahlungen gab es manchmal Verzögerungen, aber er war immer hilfsbereit, entgegenkommend und nicht kleinlich … Das Unerhörte ist, daß er mir nicht ein Wort schreibt, warum und wie lang ich mich gedulden soll“. Endlich geht dann wieder Geld von Rowohlt ein, was Musil wohl auch v. Alleschs Nachdruck zu verdanken hat: „Vielen Dank! Du bist ein wundervoller Kampfengel“, am 20. Dezember 1925.
Gemeinsamer Brief von Robert und Martha Musil aus Haus Parth in Ötz (Tirol) am 5. September: "Die Nehrung ist nach Ihrer Beschreibung wunderschön und verlockend dort zu sein; nur liegt sie für Europäer ohne besondre Zugehörigkeits- Heimats- und Gefühlseinstellungen ebenso weit vom Mittelpunkt der Erde (Romanisches) entfernt wie Osaka. Also nur mit Phantastik und Glück kommt man dorthin", schreibt Martha, und Robert ergänzt: "Die Luft hat meinem Roman gut getan, und ich muß das ausnützen. Dann steht noch Karlsbad bevor. Und um alles herum die allgemeine Unsicherheit meines Lebens."
In einem Brief vom 27. Dezember 1929 schreibt Robert Musil aus Wien: "Die beigelegte Rezension hat mich nun dadurch melancholisch gemacht, daß sie mir meine Unbekanntheit in Greifswald vor Deinem Eingreifen vor Augen stellte, die so wichtig für mein Schicksal ist, da die Provinz schließlich entscheidet und die Leute aus dem plätschernden Dichterwald das Vordringen dahin so viel leichter haben. Jetzt bin ich sicher, mein Plätzchen wenigstens in Greifswald und wenn auch neben Hans Watzlik, dem deutschen Dichter ... zu haben".
Und am 9. Mai 1930 wieder über Rowohlt, betreffend den Mann ohne Eigenschaften: "Ich habe den Eindruck, daß er (Rowohlt), wenn kein Erfolg kommt, nicht mehr weiter will, und von den Bedingungen, unter denen ich weiter arbeiten muß, kann ich nun sagen, daß sie u n m ö g l i c h sind. Ich mußte aber gute Miene zum bösen Spiel machen, weil ich mit einem halben Riesenbuch in der Hand bei der heutigen Lage der Dinge völlig hilflos bin."
In einem umfangreichen, hochbedeutenden Brief vom 15 März 1931 schreibt Musil: "Wenn ich die Kritik überblicke, sehe ich: Erstens die merkwürdige Erscheinung, daß man den Mann o. E. imstande ist, bis aufs Höchste zu loben, beinahe ohne daß dabei für den Dichter davon etwas abfällt. Man sagt z. B. ‚Unter den europäischen Romanen der bedeutendste’, oder: ‚Kein zweiter deutscher Roman erreicht diese Höhe’: daß ich aber danach zumindest unter den deutschen Dichtern bisher unterschätzt worden sei, davon spricht kein Mensch, so als ob das eine ganz andere Sache wäre. Darum würde es mir wichtig und dankbar erscheinen, den Nachweis dafür zu erbringen, daß der letzte Roman, bloß in breiterer Entfaltung, ja doch nur die andern Sachen fortsetzt. Zweitens entnehme ich der Kritik - nicht so sehr als formulierte Einwände, wie als Spuren von ausgestandener Schwierigkeit - die große Unsicherheit dem Problem der Gestaltung gegenüber. Der Roman unserer Generation (Thomas Mann, James Joyce, Marcel Proust etc.) hat sich allgemein vor der Schwierigkeit gefunden, daß die alte Naivität des Erzählens der Entwicklung der Intelligenz gegenüber nicht mehr ausreicht. Den
Zauberberg halte ich in dieser Hinsicht für einen ganz mißglückten Versuch; in seinen 'geistigen' Partien ist er wie ein Haifischmagen. Proust und Joyce geben, soviel ich davon gesehen habe, einfach der Auflösung nach, durch einen assoziierenden Stil, mit verschwimmenden Grenzen. Dagegen wäre mein Versuch eher konstruktiv und synthetisch zu nennen. Sie schildern etwas Aufgelöstes, aber sie schildern eigentlich gerade so wie früher, wo man an die festen Konturen der Dinge geglaubt hat."
Ein maschinenschriftlicher Brief, datiert Wien am 2. Februar 1938: ”Ich bin seit dem Frühjahr, wo ich von Row(ohlt) zu B(ermann) F(ischer) überging, so bemüßigt, eine Fortsetzung meines Romans zur Veröffentlichung zu bringen, daß ich einfach einen Sack über dem Kopf trage und nicht imstande bin, Freundschafts- und Menschenpflichten zu genügen. Du müßtest schon einmal mit höherer Ermächtigung in den Tabubezirk kommen, der mich beherbergt, damit wir uns aussprechen können und vielleicht herausfinden, wozu wir auf den Welt sind !!“
Schon 1975 wurde in einem Auktionskatalog vermerkt, was heute, 47 Jahre später, noch bzw. noch mehr gilt: "Briefe Musils werden im Handel selten angeboten. Das 'Jahrbuch der Auktionspreise' verzeichnet seit 1950-1972 nur etwa zwölf Einzelbriefe. Eine Korrespondenz dieses Umfangs und von dieser Be­deutung darf daher ein besonderes Interesse beanspruchen". – Nur übliche Gebrauchsspuren, minimale Bräunungen, meist sehr gut erhalten. Beiliegen Photokopien zur Dokumentation der Provenienz: 1975 Katalog Hauswedell & Nolte, 209/158 sowie 1985 Leinweber XIV, 49-137. Dazwischen in Privatbesitz. - Beiliegen zahlreiche Briefkuverts, teils eigenh. von Robert bzw. Martha Musil beschriftet, von denen noch vier hinzuerworben werden konnten (und nicht Teil des Angebots der beiden genannten Häuser waren).

Die Präsentationskassette ist ein kleines buchkünstlerisches Wunderwerk: Sie schützt den hohen Stapel der Autographen in einem inneren Kasten, der von einem äußeren umgeben wird. Dieser ist mit einer getreppten Klappe versehen, auf der in braunen Lettern ein Titel eingedruckt ist: "Robert Musil. Korrespondenz mit Johannes von Allesch 1906-1939". Hebt man die Klappe an dem Kirschholzgriff, klappt sich ein Rahmen auf (hier findet sich die Signatur des Meisterbuchbinders "Renaud Vernier. Maître d'Art. 2005"), der als Stütze dient für eine wiederum ausklappbare, dreifache Flügelkonstruktion: Diese ebenfalls mit türkisfarbenem Maroquinleder bezogenen, durch drei breite Gelenke miteinander verbundenen Flügel ergeben ausgefaltet ein altarhaftes Triptychon mit drei hinter Plexiglasscheiben eingelassenen Porträtpostkarten des jugentlichen Autors Robert Musil. Vor diesem Altar darf der Betrachter nun die somit freigelegten Autographen wie die Reliquien eines Heiligen ehrfurchtsvoll lesend betrachten.

Piper, Reinhard
6 Schriftstücke + Beilagen
Los 2355

Zuschlag
400€ (US$ 430)

Details

Piper, Reinhard, Verleger (1879-1953). 6 Schriftstücke m. U. "Reinhard Piper". Zus. 17 S. Meist folio. München und Berlin 20.XII.1920 - 14.II.1924.
Verträge des Verlags R. Piper & Co. mit der Graphischen Anstalt "Ganymed", Berlin, betreffend die Herstellung der Drucke der Marées-Gesellschaft: Einsetzung von Bruno Deja als Geschäftsführer von "Ganymed" (1920). - "Garantie-Vertrag" über die "Mindestbeschäftigung" der Druckmaschinen durch Aufträge des Verlags (1920). - "Zusatz zum Garantie-Vertrag" (1921). - Je ein Vertrag mit Helene Lienhardt und Bruno Deja über die Herausgabe der Piper-Drucke (1922). - Eine Vereinbarung der 8 "Ganymed"- Gesellschafter (1924). - 3 Verträge sind mitunterzeichnet von Julius Meier-Graefe als Vorsitzendem des Aufsichtsrats. - Beiliegend ca. 60 Bl. Geschäftspapiere (dabei eine notarielle Ausfertigung des Gesellschaftsvertrags, Abrechnungen etc.) und Verlagskorrespondenzen (1921-1932 und 1952, meist mit Deja und Meier-Graefe), teilweise mit eigenhändigen Notizen Reinhard Pipers.

Ringelnatz, Joachim
Signierte Photographie + Beilagen
Los 2357

Zuschlag
700€ (US$ 753)

Details

Ringelnatz, Joachim (eigentl. Hans Bötticher), Kabarettist, Lyriker, Erzähler, Bildhauer und Maler (1883-1934). Porträt-Photographie mit eigh. Beschriftung und U. "Dein Ringel" auf der Rückseite. 16 x 11,5 cm. Berlin, April 1926.
"Ausstellung Ringelnatz in der Galerie Wiltschak, Berlin April 1926. - Herzlichen Gruß, lieber Baumgarten, Dein Ringel". Die Aufnahme mit dem rückseitigen Stempel "Europa Press Photo Dienst" zeigt den Künstler in der Galerie stehend (Dreiviertelfigur), die rechte Hand auf eine Stele gestützt, welche die Renée-Sintenis-Plastik seines Kopfes trägt. An der Wand im Hintergrund gerahmte Bilder. - Beiliegend eine Postkarte mit gedrucktem Porträtfoto des Künstlers und dem rückseitigen Aufdruck "Künstler-Kneipe Simplizissimus. München - Türkenstraße 57". - Ferner ein Stückchen Stoff mit einem Anker-Emblem, das vielleicht mit Ringelnatz' Seemannszeit in Zusammenhang steht.

Lot 2358, Auction  120, Roth, Dieter, Brief 1995

Roth, Dieter
Brief 1995
Los 2358

Zuschlag
200€ (US$ 215)

Details

"betrunken und voller Zuversicht"
Roth, Dieter, Schweizer Dichter, Graphiker und intermedial arbeitender Objekt- und Aktionskünstler, lebte zeitweilig auf Island (1930-1998). Eigh. Brief m. U. "Dieter Roth". 1 S. Mit dem eigh. Umschlag und seiner Adresse. Gr. 8vo. Bala (Island) 10.VII.1995.
An einen Verehrer in Deutschland, der sich ein Autogramm von ihm wünschte. "... ich möchte darauf achten nur guten Freunden was Neugemachtes zu schicken bzw. signieren, das verstehen Sie gewiss. - An Eröffnungen signiere ich wohl, da kann ich mich nicht wehren - auch meistens betrunken und voller Zuversicht. Aber so, nüchtern und traurig, geht das eben nicht. Versuchen Sie, nicht zornig zu werden, ich müsste es, auf Distanz, doch erleiden - bilde ich mir ein ...". - Geschrieben auf der Rückseite eines Prospekts von 1975 für ein Bilderbuch von Dieter Roth und Arnulf Rainer; jedoch jetzt vom Künstler durchgestrichen mit dem Vermerk: "nur bei Boekie Woekie, Amsterdam".

Lot 2359, Auction  120, Roth, Philip, 2 Briefe

Roth, Philip
2 Briefe
Los 2359

Zuschlag
550€ (US$ 591)

Details

Roth, Philip, amerikan. Schriftsteller aus jüdischer Familie, schrieb vielfach preisgekrönte Romane und galt lange Zeit als Nobelpreis-Kandidat (1933-2018). 2 Briefe m. U. "Philip Roth". Zus. 2 S. Mit den Umschlägen. Gr. 4to. New York 23.X. und 9.XI.1968.
An seine Übersetzerin Gisela Günther (hier schon verh. Zuckmayer), die mit der Übertragung seines autobiographisch beeinflußten Romans "When she was good" (1967) beschäftigt war und ihn um Erläuterung einiger nicht ganz klar zu interpretierender Stellen gebeten hatte. Roth gibt ausführlich Auskunft:
"... The lines of poetry on page 167 are from the English poet, A. E. Housman (1859-1936) and I think they come out of his book, A Shropshire Lad - though I'm not shure any longer. I chose those lines because that's the kind of stuff you'd find quoted in a highschool yearbook. I would imagine that other parts of the book might be puzzling to a foreign translator - particularly in the Roy-section, beginning on page 43. There are not only the references to American football, but the entire tone of the chapter, which is quite deliberately banal and even chliche-ridden. Hopefully, an approximation of Roy's mind ... I wonder, by the way, if you are familiar with the source of the title. It comes from a sort of nursery rhyme, which most American children are familiar with - There was a little girl /Who had a little curl / Right in the center of her forehead, / And when she was good / She was very good, /And when she was bad / She was horrid. - Any other questions, please write. I'll try to give you prompt replies [23.X.1968] ... Page 12. Willard is thinking of the spirit of his father, and his father's life. - Page 47. The room Roy is referring to is his room at home. It had been the attic but has been converted into a bedroom ... Page 38 ... Willard is saying, in effect, that it is unfair for him to be punished by illness or anxiety, for a life in which he has tried to do his best for other people ..." [9.XI.1968]. - Wertvolle Erläuterungen "dunkler" Stellen in dem Roman, der teilweise Roths Ehe mit Margaret Martinson Williams thematisiert und dessen Übersetzung durch Gisela Günther-Zuckmayer erst 1973 in Deutschland unter dem Titel "Lucy Nelson oder Die Moral" erschien.

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