"Grausamer als Handfesseln und Fußfessel ist die geistige Drosselung."
Hoelz, Max. Briefe aus dem Zuchthaus. Hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Egon Erwin Kisch. 127 S. 18,5 x 12,6 cm. Halbleinen mit Deckelbezug aus blassblauem Hadernpapier und Titel auf Rücken und VDeckel, grauem Kopfschnitt und farbig illustriertem OSchutzumschlag (minimale Einrisse, leicht gebräunt) nach einem Entwurf von Viktor Joseph Kuron-Gogol. Berlin, Erich Reiss Verlag, (1927).
Melzwig 270.1. – Erste Ausgabe der zweiten, teils autobiographischen Veröffentlichung des Schriftstellers und Kommunisten Max Hoelz (1889-1933 ), der die Kapitel Mein Leben, Briefe und auch den Aufruf des Max-Hoelz-Komitees enthält. Umfangreich schreibt Egon Erwin Kisch über Hoelz in dem Beitrag Der Gefangene Max Hoelz (S. 95-115): "Grausamer als Handfesseln und Fußfessel ist die geistige Drosselung, Erdrosselung: dem Sträfling Empfang und Absendung von Briefen zu kontingentieren, derart einzuschränken, daß dies einem Schreibeverbot gleichkommt..." (S. 97). – Bemerkenswert wohlerhaltenes Exemplar mit dem originalen Umschlag, der eine weißverfugte (Gefängnis-)Mauer zeigt und den gekürzten Titel Zuchthausbriefe enthält. Er stammt von dem Fotografen und Grafiker Viktor Joseph Kuron (1896-1952). Titel mit 4-zeiliger Tintenwidmung Egon Erwin Kischs an Jarmila Haasová: "Jarmilince srdečně, vřcle a upřímné. Egonek. 10. září 1927 v Berlíně" ("Jarmilinchen, herzlichst, aufrichtig und ehrlich. Egonek. 10 September 1927 in Berlin").
Gerichtsverhandlung Paul Levis gegen den Völkischen Beobachter
Kisch, Egon Erwin. Eigenhändiger Brief an Jarmila Haasová in tschechischer Sprache mit Unterschrift "Egonek". 2 S. 28 x 22 cm. Berlin, 14. März 1927.
Haupt, Kisch, S. 54f. – Eiliger Brief, in dem Kisch von seinen zahlreichen Tätigkeiten, von "Arbeit und Affären" berichtet und die Verhandlung um Paul Levi erwähnt, den das rechtsnationale Blatt Völkischer Beobachter als Verräter und "modernen Judas" diffamierte und den Fall vor Gericht brachte. Paul Levi (1883-1930) war Jurist und linkssozialistischer Politiker, Mitbegründer der KPD, zwischen 1919 bis 1921 deren Vorsitzender Mitglied des Reichstages sowie als Berichterstatter des demokratischen Blattes 'Vorwärts' auch Kollege Egon Erwin Kischs.
"Liebe Jarmiáčku, ich schreibe Dir in großer Eile, - ich kann Bornstein nicht fassen, weil heute die Gerichtsverhandlung Paul Levis gegen den Völkischen Beobachter ist ... Ich muß abfahren, ich habe eine eilige Arbeit, drei Bücher bis zum 15. April, ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht, deshalb will ich mich irgendwo außerhalb von Berlin niederlassen ... Ich danke Dir für Deine wunderbaren Briefe, Du weißt sicher, daß ich mich hier vor Arbeit und Affären zerreißen könnte und daß ich nicht dazu komme, zu antworten...". – Gut erhalten, geknickt.
Kisch, Egon Erwin
Kriminalistisches Reisebuch. Berlin, Schmiede, 1927
Los 3033
Zuschlag
1.000€ (US$ 1,075)
"Dieses dumme Buch in Erinnerung ... damit Sie Ihn nicht vergessen. Egon Erwin Kisch"
Kisch, Egon Erwin. Kriminalistisches Reisebuch. 111 S., 1 Bl. 18,2 x 12 cm. Zweifarbig illustrierter Pappband (Kapitale leicht eingerissen, gering berieben) nach einem Entwurf von Georg Salter. Berlin, Die Schmiede, (1927).
Berichte aus der Wirklichkeit. Hrsg. von Eduard Trautner, Band 1. Melzwig 349.1. – Erste Ausgabe der Reportagen, "Eine Schilderung der Verbrechen aller Zeiten und Länder, die vom Verfasser an ihren Schauplätzen aufgesucht und aufgeklärt wurden" (Melzwig), darunter Österreichische Polizei in Serbien; Moskauer Frauengefängnis; Vor dem Kadi und vor dem Strafsenat in Algier; Das Humanistengrab im Arrest; Rußlands schwerster Kerker; Lefortowo; Eine Frau harrt des Mörders und vieles mehr. – Im Block sauber und frisch, wenige Bleistiftanmerkungen der Übersetzerin Jarmila Haasová (1896-1990), die den Band 1932 ins Tschechische übertragen veröffentlichte: Kriminalisticky cestopis. Autorizovany preklad Jarmily Haasové (Prag 1932; Melszwig 349.2), und der die vorliegende Ausgabe vom Autor in deutscher und tschechischer Sprache gewidmet wurde: "Milý vopicáku (genannt 'Jarmila Haasovic') hiermit überreiche ich Dir feierlich tuto pitómon knihu na památung an Deinen alten Freund, daabys ho nezapomela. Egon Erwin Kiš. V Berlíně, am 15. Mai 1927", mit der dem ironischen Aperçu "dieses dumme Buch in Erinnerung ... damit Sie Ihn nicht vergessen. Egon Erwin Kisch".
"Das ist eine großartige Sache, für die Geschichte des Sozialismus in der Tschechoslowakei"
Kisch, Egon Erwin. Eigenhändiger Brief an Jarmila Haasová in tschechischer und deutscher Sprache mit Unterschrift "Egonek". 2 S. 28,5 x 22,5 cm. Buckow, 31. März 1927.
Haupt, Kisch, S. 55f. – Mit seiner Sekretärin und Geliebten, Gisela 'Gisl' Lyner hatte sich Kisch am 23. März 1927 in die Pension 'Weiße Taube' nach Bollersdorf am Schermützelsee bei Buckow in der Märkischen Schweiz begeben, um vier große Publikationen fertigzustellen. So gilt 1927 als das furchtbarste Jahr des Autors mit den Reportageromanen Zaren, Popen, Bolschwiken (Berlin, Erich Reiss, 1927), Kriminalistisches Tagebuch (Berlin, Die Schmiede, 1927), Wagnisse in aller Welt (Berlin, Universum, 1927) sowie mit den Briefen aus dem Zuchthaus von dem Kommunisten und Schriftsteller Max Hoelz (1889-1933), die Kisch mit einem Nachwort herausgab.
Kisch bittet Jarmila, nach Buckow zu kommen, um sich zu erholen. "Affe, Äffchen ... Nächste Woche mußt Du den Brief von Max Hoelz haben, damit die Genossen vom Rudé Právo'ihn in die Nummer vom 15. April aufnehmen ... Das ist eine großartige Sache, für die Geschichte des Sozialismus in der Tschechoslowakei wichtig ... Ich küsse Dich, Jarmilininko Jarmilinkovič, wenn Du hier wärst, würde ich Dich immerfort in die Sonne jagen: [dann in Deutsch] 'Marsch auf den Balkon!' Egonek". – Mit mehreren eigenen Korrekturen, Ausbesserungen, Durchstreichungen. Geknickt. – Beiliegt ein ausführlicher Brief von Kischs Sekretärin an Jarmila Haasová, in der diese von der harten und emsigen Arbeit an den Büchern Kischs berichtet: Gisela Lyner. Masch. Brief an Jarmila Haasová in deutscher Sprache mit Unterschrift "Gisl". 2 1/4 S. 28,3 x 22 cm. Mit masch. adressiertem Kuvert. Buckow, 31. März 1927. - "Liebste Jarmila, so einfach ist das nicht, hier einen Brief zu schreiben. Seit zehn Tagen sind wir hier, und gestern abends bin ich erst mit den Korrekturen zu dem Russlandbuch [d. i. Zaren, Popen, Bolschewiken] fertig geworden; wir haben die ganze Zeit ununterbrochen daran gearbeitet, ich weiss nicht einmal wie Buckow aussieht, weil ich noch nicht einmal eine halbe Stunde spazieren war.
Jetzt fangen wir mit dem Buch [Wagnisse in aller Welt] für Münzenberg an, aber der Egonek weiss nocht nicht, was er hineingeben soll, dabei eilt die Sache sehr, dennn es muss unbedingt am 15. April fix und fertig sein, er hat alle seine Ehrenwörter gegeben, ausserdem soll bis dahin auch noch das Max H.-Buch [Briefe aus dem Zuchthaus] fertig sein, mindestens hundert schrecklich lange Briefe sind dafür abzuschreiben, durchzusehen und eine Einleitung muss der Egonek dazu machen. Ich werde schon verrückt, wenn ich nur an all die Sachen denke, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass wir damit fertig werden.
Zu all dem habe ich noch gestern einen Brief vom Universum-Verlag (das ist der von Münzenberg) bekommen, sie wollen jetzt auch gleich den 'Vorfrühling' herausbringen, dabei haben die Schweine den ganzen dritten Teil (150 Maschinenseiten) verloren, das soll ich also auch noch abschreiben, und selbstverständlich müsste ich das ganze Buch noch einmal durcharbeiten, aber ich weiss bei Gott nicht, wie ich es machen soll. Am Abend seh ich gar nichts mehr, weil meine Augen so überanstrengt sind, Zeitung kann ich fast überhaupt nicht mehr lesen, weil sie so klein gedruckt sind. Mit einem Wort, ich bin ein vollständiger Krüppel...".
Kisch, Egon Erwin und Haasová, Jarmila
Zaren - Popen - Bolschewiken. Widmungsexemplar
Los 3035
Zuschlag
800€ (US$ 860)
Kisch, Egon Erwin. Zaren - Popen - Bolschewiken. VI S., 1 Bl., 314 S., 1 Bl. 20,5 x 13,6 cm. Schwarzes Halbleinen (nur gering beschabt und berieben, leicht bestoßen) mit weißgeprägtem RTitel und farbig illustrierten Deckeln sowie dunkelblauem Kopfschnitt Berlin, Erich Reiss, (1927).
Melzwig 351.1. – Erste Ausgabe der unter dem Titel Zaren - Popen - Bolschewiken zusammengefassten Reportagen Egon Erwin Kischs (1885-1948), die bei zahlreichen Aufenthalten ab 1925 in der Sowjetunion entstanden waren und mit denen er ein eindrucksvolles Bild des postrevolutionären Russlands unter Wladimir Iljitsch Lenin (1870-1924) zeichnet, das auf erschreckende Weise teils heute wieder brandaktuell wirkt.
Unter den 30 Texten finden sich Berichte mit den Titeln: Rußland in der Eisenbahn, Vormals Zarskoje Selo, Galoschen, Verkehr in Moskau, Universität für Fabrikarbeit, Putilow-Werke, Der Newski-Prospekt, Henker in Haft, Opfer befreit, Marx-Engels-Institut, Das ist ein Theater in Aserbeidschan!, Der 1. Mai und das Oktoberfest, Das Donez-Becken, Rußlands Ruhrgebiet, Petruschka und Wanjka-Wstanjka, Der Schatz im Kaspisee: Naphata, Moskaus Polizeichef antwortet dem Interviewer, Schwäbische Kunde aus dem Kaukasus, Die Hunde des Physiologen Pawlow, Warschau am Tage nach dem Staatsstreich. – Arbeitsexemplar der Freundin und Übersetzerin der Werke Kischs, Jarmila Haasová (1896-1990) mit deren Beischriften, An- und Unterstreichungen, teils in rotem Buntstift. Der Autor hatte ihr das Exemplar mit der 9-zeiligen Widmung in blauschwarzer Tinte zugeeignet: "Meiner lieben Freundin Jarmilka Jarmilkovič, die in der Bahn war, als ich nach Russland fuhr und als ich aus Russland kam. Herzlichst: Egonek. 5. Juni 1927 Berlin".
"... jeden ohrfeigen, der etwas gegen Rußland sagen wird."
Kisch, Egon Erwin. Eigenhändiger Brief an Jarmila Haasová in tschechischer Sprache mit Unterschrift "Egonek". 2 S. 28,5 x 22,5 cm. Mit eigenhändigem, kalligraphisch adressiertem Kuvert. Berlin, 20. November 1927.
Haupt, Kisch, S. 63f. – Das Theaterstück Von Prag nach Bratislava hatte Egon Erwin Kisch zusammen mit Jaroslav Hašek geschrieben, es wird nun im Prager Theater aufgeführt. Ferner schreibt Kisch über seine Pläne zur Russlandreise und über die Eindrücke, die seine Kollegen, die Journalisten und Kommunisten Franz Xaver Hoellering (1896-1967) und Emil Rabold (geb. 1886) in der Sowjetunion machten.
"Heute hat mir das Burian-Theater telefonisch mitgeteilt, daß es eine Woche lang Von Prag nach Bratislava ... spielen wird ... In Rußland bin ich nicht gewesen, - ich hatte auch nicht einen Augenblick die Absicht, dorthin zu fahren. Du hast mir Unrecht getan, wie immer. Höllering war dort, er ist angeblich total begeistert, ich habe noch nicht mit ihm gesprochen. Rabold ist noch dort, aber schrieb Lobgesänge und wird angeblich nach seiner Rückkehr jeden ohrfeigen, der etwas gegen Rußland sagen wird; er ist zur Erholung in den Kaukasus gefahren".
Er erwähnt seine Reportagen Die Waggonvilla und Leichenschauhaus, "der Prager Pitaval ist noch nicht fertig. Beendet habe ich das Vorwort zu John Reed, dessen 10 Tage zugleich mit dem Eisenstein-Film im Verlag für Literatur und Politik wiedererscheinen". Kisch hatte John Reeds Roman Zehn Tage die die Welt erschütterten mit einem Vorwort auf Deutsch herausgegeben (vgl. Katalognummer 2838).
Er erwähnt Bornstein, Grossmann, Schwarzschild, Schrötter und "Marku hat ein Buch über Lenin geschreiben. Die Rote Fahne'hat ihn deshalb gründlich angegriffen, im großen und ganzen hatte sicher recht, aber es ist trotzdem ein interessantes Buch, es ist nicht revolutionsfeindlich, und die Tatsachen über Lenins Leben bleiben immer etwas Gewaltiges ... [Leo] Lania ist bei [Erwin] Piscator, eine Art Hausdramatiker, er trat aus dem Börsen-Courier aus, dorthin kam Billy Wilder, von Jarmila genannt 'Billy Baldower'". Ferner über Kurt und Anka Viková, Bonck, Fröschl, Sonja Bogs, Katz, Olga Ossipowna, Hoelz, Friel, Holitscher, Alfred Klaar, "Onkel Rosenberg" (ironisch für Alfred Rosenberg) ... "Nächsten Sonntag wird auf Piscators Bühne eine Protestversammlung sein, auf der ich reden werde". – Gefaltet, einige Ausbesserungen, Durchstreichungen und Korrekturen, mit dem, hier besonders schön kalligraphisch adressierten Umschlag. – Beiliegt: Gisela Lyner. Eigenhändiger Brief in deutscher Sprache mit Unterschrift "Gisl" an Jarmila Haasová, datiert "Berlin, 23. XII, 27", worin sie über ihre Arbeit berichtet: "Mein Žeromski ist natürlich noch nicht fertig, und ich kann Dir nicht sagen, wie ich Dich bewundere, und zugleich beneide, daß du schon so weit bist, das fertige Buch vor Dir zu haben". Mit Umschlag.
Illustriert von Rudolf Schlichter
Kisch, Egon Erwin. Wagnisse in aller Welt. 320 S. Mit 12 Illustrationen nach Federzeichnungen von Rudolf Schlichter. 18,6 x 12,4 cm. Ziegelorangefarbenes OLeinen mit goldgeprägtem Rücken und VDeckeltitel (kleine Gelenkschäden, etwas abgegriffen, Gebrauchsspuren, winziger Tintenfleck im Schnitt). Berlin 1927.
Universum Jahresreihe 1927, Band II. Melzwig 350.1. – Erste Ausgabe. 27 Reportagen von Egon Erwin Kisch nach Erlebnissen, die den Rasenden Reporter kreuz und quer durch die Kontinente führte: Ritt durch die Wüste und über den Schott; Massaker am Fluß; Schwefelbad in Grusien; Auf der Reeperbahn von Rotterdam; Justiz gegen Eingeborene; Verwundung; Silversternacht in Marseille; Käsemarkt zu Alkmaar; Chinesenstadt; Vatikan in der Sahara; Westfront 1918; Der, der das Radio sieht; Die Kasbah von Algier; Ein Vormittag zwischen Persien und Rußland; Die tunesischen Juden von Tunis; Polizeischikanen in Sardien ... – Arbeitsexemplar der Jarmila Haasová mit zahlreichen Bleistiftanstreichungen, kleinen Übersetzungseinträgen, Frage- und Ausrufszeichen, Unterstreichungen etc. auf dem Titel "Štástnou čestu Jarmilko a přid brzo zpět . Tvůj Egon Erwin, Na Tauentzienstraße 17. červen" ("Gute Reise Jarmilka und kommen Sie bald wieder. Ihr Egon Erwin, Tauentzienstraße 17. Juni").
"Ein wichtigeres Stück Wahrheit ... wird selten mit einem revolutionäreren Temperament zusammenstoßen, als es das von John Reed war."
Reed, John. Zehn Tage, die die Welt erschütterten. Mit einem Vorwort von Egon Erwin Kisch. (Aus dem Englischen übertragen von Willi Schulz). XXIII, 345 S., 1 Bl. Mit Porträttafel. Titel in Schwarz und Hellrot. 19 x 12,5 cm. Braunes Grobleinen mit rotgeprägtem Rücken- und VDeckeltitel, braunrotem Kopfschnitt (nach einem Entwurf von John Heartfield; ohne den Umschlag). Wien und Berlin, Verlag für Literatur und Politik, 1927.
Erste deutsche Ausgabe des Romans Ten Days that Shook the World (1919) aus der Feder des amerikanischen Journalisten und Sozialisten John Reed (1887-1920), der darin eindrücklich die Oktoberrevolution von 1917 schildert. Als Herausgeber schreibt Kisch in seiner ausführlichen Einleitung über seinen Kollegen "John Reed, Ein Reporter auf der Barrikade" am Schluss: "Ein wichtigeres Stück Wahrheit als die Oktoberkämpfe des russischen Proletariats wird selten mit einem revolutionäreren Temperament zusammenstoßen, als es das von John Reed war" (S. XXIII). – Sehr schönes, wohlerhaltenes Exemplar (ohne den ebenfalls von Heardfield mit einer Fotomontage gestalteten Schutzumschlag). Der Titel mit 10-zeiliger Widmung an Jarmila Haasová: "Milý Jarmiloušičku, ovšem, ovšem téch deset dni, co odstrešti svetem jsou důležitější než neklidná Asie. Ale preř jsme se těsily! Libam Te ke vanocum Egon Erwin Kisch totiz Tvůj Egonek. V Berlíně, dne 23. Prosince 1827. Durch Kurier!" ("Liebe Jarmilouschka, Sicher, sicher sind die "Zehn Tage, die die Welt erschüttert haben" wichtiger als das unruhige Asien. Aber wir waren darauf gespannt! Ich wünsche Dir ein frohes Weihnachtsfest Egon Erwin Kisch, Dein Egonek. In Berlin, den 23. Dezember 1927").
Lyner, Gisela und Kisch, Egon Erwin
Eigenhändiger Brief. Berlin 1928
Los 3039
Zuschlag
500€ (US$ 538)
"Der Egonek fährt am 13. aus New York ab ... Was sagst Du, daß er, der so abergläubisch ist, am 13. fährt?"
Kisch, Egon Erwin. - Lyner, Gisela. 4 maschinenschriftliche Briefe an Jarmila Haasová in deutscher Sprache mit Unterschrift "Gisl". Zus. 5 S. 28,5 x 22,5 cm. Mit 3 (teils lädierten, 1 eigenhändig adressiertem) Kuverts. Berlin 1928.
Haupt, Kisch, S. 69ff. – Schon 1918 oder 1919 hatte Egon Erwin Kisch Gisela "Gisl" Lyner (auch Lyner; 1895-1962) in Wien kennengelernt, sich mit ihr befreundet und vielfach mit ihr zusammengearbeitet. Vor allem als seine Sekretärin, die ihm bei zahlreichen Publikationen half, schrieb sie Kischs Manuskripte mit der Maschine ab, um sie dann den Verlagen zum Satz einzureichen. Mit Jarmila Haasová führte sie einen regen Briefwechsel, in dem sie vor allem auch über ihre Arbeit mit Kisch berichtet, der sie im Oktober 1938 heiratete.
Gisela Lyner "tippte die Arbeiten ihres Mannes ab, arbeitete aber selbst schöpferisch mit, verbesserte und korrigierte seine Texte. Sie bekam durch Überanstrengung ein Augenleiden, das ihr das Arbeiten zeitweise unmöglich machte. In Frankreich lebte sie zum Teil vom Schreiben von Kreuzworträtseln, die sie sich mit ihrem Mann ausdachte. Folgte ihm 1940 nach Amerika und lebte mit ihm bei Freunden in der Nähe von New York. Eine Zeit lang war sie auch als Sekretärin von Clara Zetkin tätig. In Mexiko erledigte sie die Korrespondenz in einem kleinen Unternehmen für Damenwäsche von Luis Lindau ... Gab nach Kischs Tod zusammen mit Bodo Uhse im Aufbau Verlag Berlin und Weimar Kischs 'Gesammelte Werke in Einzelausgabe' heraus" (Biographia. Lexikon österreischischer Frauen, Hrsg. Ilse Korotin, 2016, II, 1647).
1) Berlin, 31. Oktober 1928. "Liebe Jarmila, es ist jetzt vier Uhr nachmittags (Mittwoch) und ich habe noch gar keine Nachricht vom Egonek. Im Reisebüro sagte man mir, daß sie auch noch keine Nachricht haben, ob der Dampfer gelandet ist, er war gestern fällig, und sie erwarten im Laufe des heutigen Tages ein Kabel. Trotzdem bin ich sehr nervös, kannst Dir denken. Ich habe schon drei Tage nicht geschrieben aus lauter Unruhe". Kisch sollte aus den USA per Schiff zurückkehren. Erwähnt den niederländischen Journalisten Nico Rost (1896-1947), "Gestern abend war ich in der Partei-Arbeiterkonferenz ... um neun Uhr beginnt nämlich das Kabarett der Komiker und er Robitschek konnte mir bis jetzt nicht sagen, ob die 'Galgentoni' an Anfang oder am Ende gespielt wird...".
2) Berlin, 8. Dezember 1928. Über den befreundeten Schriftsteller und Kommunisten Max Hoelz (1889-1933): "Ich bin am Montag nicht weggefahren, sondern der Max wohnt und arbeitet hier mit mir ... Heute ist er nach Sachsen gefahren zu einer Kundgebung ... Ich arbeite nämlich, ohne Übertreibung! täglich von 9 Uhr früh bis 2 Uhr nachts ... Die Adresse von Egonek ist: Mrs. e. P. Betz, 77 Eastern parkway, Brooklyn, N.Y. (USA). Ich weiß nicht, wie lange er noch in New York bleibt ...".
3) Berlin, 9. April 1929. "Vor einigen Wochen hat Prokrok [der Prager Verlag 'Fortschritt'] 5 gebundene und 5 broschierte Exemplare von 'Zuřivý reportér' [Der Rasende Reporter] geschickt, sehr schade, daß ich's nicht lesen kann! Und jetzt zur Hauptsache! Der Egonek fährt am 13. aus New York ab, und ich treffe mich am 20. mit ihm in Southampton ... Was sagst Du, daß er, der so abergläubisch ist, am 13. fährt? Jedenfalls freue ich mich schon sehr, ein halbes Jahr ist doch länger alsm man glaubt! ... Vorgestern verlangte der Sinaiberger von mir das Bild vom Egonek, wo er mit Chaplin und dem Jannings photographiert sein soll...".
4) Berlin, 16. April 1929. "Liebe Jarmila, ich fahre übermorgen mittags, und bin Freitag früh in London ... der Egonek hat mir geschrieben, daß wir nur ein paar Tage in London bleiben werden, weil er schon sehr reisemüde ist...". Mit 5-zeiligem eigenhändigen Zusatz in Bleistift, in dem sie das Bedauern über die prekäre finanzielle Lage ihrer Freundin äußert: "Wenn ich Euch wenigstens helfen könnte!". – Knicke, wenige Einrisse, Umschläge teils lädiert.
Kisch, Egon Erwin
Eigenhändiger Brief. Berlin,, 1. Oktober 1928.
Los 3040
Zuschlag
550€ (US$ 591)
"Während ich das schreibe, malt mich der Münchner Maler Schad, - er kommt schon über eine Woche hierher."
Kisch, Egon Erwin. Eigenhändiger Brief an Jarmila Haasová in tschechischer Sprache mit Unterschrift "Egonek". 1 1/2 S. 28,5 x 22,5 cm. Mit eigenhändig, kalligraphisch adressiertem Kuvert. Berlin, 1. Oktober 1928.
Haupt, Kisch, S. 65f. – Inhaltsreicher Brief an seine Übersetzerin Jarmila Haasová (1896-1990), deren späterer dritter Ehemann, der tschechische Journalist und langjährige Freund von Kisch, Vincenz Nečas, erwähnt wird, dem eine Haftstrafe angedroht worden war: "Für Nečas sieht es schlecht aus, wenn er wegen solcher Dummheiten für 18 Monate in den Knast ´müßte. Ich hoffe, daß alles gut ausgeht ..." Nečas war trunken aufgegriffen worden.
Kisch berichtet über seine zahlreichen Aktivitäten, vor allem über seine Lesungen für die verschiedensten Institutionen, die ein Bild der lebhaften Kulturszene Berlins am Rande der sich immer weiter verschlechternden Weltwirtschaftlslage zeichnen. "Meinen Rummel kannst Du Dir nicht vorstellen: vorgestern habe ich am Schönhauser Tor über Tolstoi gesprochen, gestern habe ich im Radio mit Musik Tretmüllers 'Eliptüden' gelesen (Alfred Kerr hat eröffnet), morgen lese ich über Dzierzynsky an der Marxistischen Arbeiterschule, am Sonnabend im Volksfilmverband über den Russischen Film von 'Polikusky' bis nach 'Schanghai'...
Und über seine Publikationen: "Gestern habe ich die Zeitschrift Der Zeitgeist bekommen, in der 12 Spalten von Pavel Altschul sind. (Guter Artikel.) Er übersetzt dort den Titel 'Der rasende Reporter' mit 'Reporter in wilder Eile', Wie gefällt Dir da? Wie wäre es mit 'Die Leidenschaft des Reporters'?".
Von besonderer Bedeutung ist auch ein zweizeiliger Nachsatz, in dem er über die Sitzungen für ein Porträt des Maler Christian Schad (1894-1982) berichtet: "Während ich das schreibe, malt mich der Münchner Maler Schad, - er kommt schon über eine Woche hierher". Das heute in der Hamburger Kunsthalle bewahrte Gemälde zählt zu den Meisterwerken Schads. Er porträtierte den vielfach tätowierten Journalisten mit nacktem Oberkörper auf dem 1926 fertiggestellten Berliner Funkturm am Messegelände in Berlin: "Mit der für die Neue Sachlichkeit charakteristischen distanzierten Haltung bei gleichzeitiger Genauigkeit schuf Schad hier einen Männlichkeitsentwurf, der mit der Ambivalenz zwischen der äußeren Gestalt eines Arbeiters und der inneren Haltung des Intellektuellen spielt" (Anna Heinze).
In seiner kalligraphisch-schnörkeligen Schrift verzierte Kisch auf dem Umschlag die Adresse "Pani Jarmila Haasová u pa ráditele Ludvika Ambrože Prag = Praha IV. Na Valech 273" – Zweifach geknickt, mit zahlreichen Einfügungen, Durchstreichungen und Korrekturen Kischs in blauschwarzer Tinte, die zeigen, wie er sich auch Ende der Zwanziger Jahre immer noch mit dem Tschechischen schwer tat. – Beiliegen: Gisela Lyner. 2 masch. Briefe mit Unterschrift "Gisl". Zus. 3 S. und 1 masch. Kuvert. Die Sekretärin, Geliebte und spätere Ehefrau Egon Erwin Kischs schreibt am 1. Juni 1928 aus Berlin an Jarmila: "Dass es für Dich in Prag so mies ist, tut mir schrecklich leid ... Über Prag werde ich auf der Hinreise nach Wien diesmal nicht kommen ... [und eigenhändiger Zusatz in Bleistift:] Hat Dir Egonek erzählt, daß der Bruder von Max Hoelz 3 Tage bei uns war?".
Aus Wien schreibt sie dann am 12. Juli 1928: "Ich fahre wahrscheinlich Montag nachts von hier weg und bin Dienstag früh in Prag ... ich würde dann so gegen 10 oder 11 zu Dir kommen ... Bist Du mit dem ersten Kischband schon fertig?".
Kisch, Egon Erwin
Reise als Leichtmatrose auf der "Jefferson Myers". 17 Originalfotografien
Los 3041
Zuschlag
1.500€ (US$ 1,613)
"Auf dem Bootsmannstuhl sitzend, wird man den Mast emporgezogen" - "Auch die Trossen muß Egonek teeren."
Kisch, Egon Erwin. Reise als Leichtmatrose auf der Jefferson Myers. 17 Originalfotografien zwischen 9 x 6,3 und 7 x 11 cm sowie 1 Bl. "Certificate of Discharge" 7,8 x 15 cm. Eingelegt in modernes Album. Baltimore, Panama, Los Angeles, Atlantik, Pazifik 1929.
Bilddokumentation in originalen Kleinformat-Fotoabzügen, teilweise unveröffentlicht aus dem Kisch-Nachlass der Jarmila Haasová. Am 10. Januar 1929 hatte sich Kisch in Baltimore als Leichtmatrose auf dem Frachtschiff "Jefferson Mysers" für eine Fahrt durch den Panamakanal nach San Pedro und Los Angeles eingeschifft, wo er u. a. mit Charlie Chaplin und Upton Sinclair verabredet war. Von diesem Abenteuer berichtet er in seiner Reportage Als Leichtmatrose nach Kalifornien, den er dann in dem Band Paradies Amerika (Berlin 1930) veröffentlichte: "Von acht Uhr morgens bis vier Uhr nachmittags ist daywork. Auf dem Bootsmannstuhl sitzend, wird man den Mast emporgezogen, oben macht man sich das Brett mit einem Knoten fest; dem Knoten vertraute ich anfangs wenig und war allzeit bereit, wenn er sich lösen sollte, mich mit den Händen am Tau zu fangen und festzuhalten. Schließlich lernt man es aber, auch an den selbstgeschürzten Knoten zu glauben..." (GW V. 79).
Alle Fotos (ein Abzug ist doppelt vorhanden) sind verso eigenhändig in Kischs charaktervoller Hand mit seiner typischen schwarzblauen Tinte bezeichnet:
1. An Deck mit Zigarette: "Nächtliche Wache unseres Leichtmatrosen."
2. An Deck mit Pinsel: "Unser Leichtmatrose streicht den Windfang,"
3. Am Mast: "Start zum Erklettern des Mastes."
4. An Deck: "Kisch am Ankerspind."
5. Auf dem Mastbaum: "Auch die Trossen muß Egonek teeren."
6. Im Top: "Egonek sitzt am Top."
7. An Deck: "Kisch wirft Anker."
8. An Deck: "Das Deck wird gewaschen."
9. Im Hafen, am Quai: "Ein Matrose wäscht sich im Pazifik."
10. Auf dem Mastbaum sitzend
11. An Deck mit Seilen hantierend
12. An Deck mit Zigarette am Ankerspind
13. An Deck: "Schwarze Schauermänner."
14. Am Pier: "Baumwoll-Ballen am Pier."
15. Am Pier: "Ladearbeit."
16. Auf dem Schiff: "Baumwolle wird in der Luke geordnet."
17. Auf dem Schiff: "Blick auf Schauermänner und Baumwolle in der Luke."
Beiliegt der hs. von Kisch (wahrheitsgemäß!) ausgefüllte, unterschriebene, gestempelte und gegengezeichnete Entlassungsschein aus dem Dienst auf dem Frachter "Department of Commerce - Certificate of Discharge No 944178" der "S. S. Jefferson Myers": "Seaman's birthplace: Czechoslovakia", "Age: 44", "Capacity: Bordcaway seaman" etc. – Kaum Gebrauchsspuren, minimale Fleckchen oder Knicke.
Kisch, Egon Erwin
6 eigenhändige Postkarten an Jarmila Haasová in tschechischer Sprache
Los 3042
Zuschlag
440€ (US$ 473)
"Wir besuchten zunächst die Reviere im Eisenbahnviertel dann die Kohlegruben Borinage."
Kisch, Egon Erwin. 6 eigenhändige Postkarten an Jarmila Haasová in tschechischer Sprache, mit Unterschrift "Egonek". Jeweils 9 x 14 cm. Belgien, England, USA, Bredene und Buckow 1928-1929.
Postkarten mit meist kurzem Text, in denen er Jarmila Haasová (1896-1990) von den unterschiedlichen Orten grüßt, in denen seine Reportagen entstanden.
1) Charleroi, 14. Mai 1928. Kisch berichtet Jarmila nach Prag von seinen Erlebnissen beim Besuch der Kohlereviere im Hennegau. Die Ansichtskarte zeigt "Charleroi - Vue d'un Charbonnage". "Wir besuchten zunächst die Reviere im Eisenbahnviertel dann die Kohlegruben Borinage". Daraus entstand dann eine eigene Reportage mit dem Titel "Borinage", was sich von "borin" bzw. "borain" (etwa "Kumpel") ableitet.
Verso auf der Bildseite eine Beischrift einer Reisebegleitung "Es ist schön hier, wie schön wäre es erst, wenn die Tante Jarmilla dabei wäre".
2) London, 22. Oktober 1928. Ein kurzer Gruß aus dem Endsleigh Hotel in London an Jarmila Haasová in Berlin auf einer Postkarte der White Star Line mit einem gemalten Bild der "Triple-Screw R.M.S. 'Olympic' 46,439 tons".
3) New York, 25. November 1928. Von London hatte Kisch den Dampfer nach Amerika genommen, wo er zunächst einige Tage in New York verbrachte: "Ich habe mich sehr gefreut, dich zu sehen. Ich habe dir einen Brief aus London geschickt, aber noch nicht aus Amerika, weil ich nicht wusste, wohin. Ich habe in einer späten Sendung nach deiner Adresse gefragt." Gerichtet ist die Karte an "Mrs. Jarmila Haasová (c/o Stephan Grossmann) Budapesterstrasse 16, Berlin W. Germany". Umseitig ein Foto "Financial District and Downtown, New York, from an aeroplane".
4) Los Angeles, 6. Februar 1928. Auf einer Farbpostkarte mit Kolorfoto "Busy Broadway, Los Angeles, Ca." Kisch entschuldigt sich: "Liebe Jarmila, ich habe dir nicht einmal für dein jährliches Telegramm zu Silvester gedankt. Ich war vier Wochen lang weg, nicht einmal eine Woche an einem Ort, und seit Anfang Januar keine Post mehr bekommen. Sonntags habe ich eine europäische Zeitung. Es ist mir sogar egal, ob der Zuřivý Reporter [Der rasende Reporter] namentlich genannt wird. Ich denke da wie Du...".
5) London, 22. April 1929. Mit Ansicht der Tower Bridge und Beischrift von Gisela Lyner "Tausend herzl. Grüße Gisl" schreibt Kisch "Ich bin wieder im alten Europa, in diesem üblen Rummel, der zu nichts taugt. Aber ich freue mich sehr darauf, Dich wiederzusehen. Der Artikel von Nečas ist großartig (Laterna magica). Ich habe mich in diesen Klamauk nie beschäftigt. Kommst Du nach Berlin? Gisl ist aus Southhampton gekommen...". Vincenz Nečas (1903-1972) war der dritte Ehemann Jarmila Haasovás, Kisch hatte ihn 1923 in Brünn kennengelernt. "Er arbeitete im Laufe der Jahrzehnte an verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften mit , war u. a. Chefredakteur der illustrierten Monatsschrift Letem světem (Im Fluge um die Welt), zuletzt außerpolitischer Redakteur der Prager Abendzeitung Večerní Praha..." (Haupt S. 278).
6) Bredene, August 1929. Bildpostkarte mit einer Fotografie des "Hotel d'Anvers" im Belgischen Küstenort Bredene, wo Kisch mit Gisela Lyner den Sommer verbrachte und wo sie der australische Journalist John Fisher besuchte. Dieser schreibt an Jarmila: "August 29 - Greetings from Breedene. Here one day only. Love John. Going on to see your pal Kenneth in Paris JF". Verso setzt Kisch auf die Bildseite hinzu "Leider ist John nur für ein paar Stunden hier. Wie geht's Jarmiličenka? Egonek". Folgend noch Beischrift von Gisl. Und auf Kennzeichnung des Hotelzimmers mit Pfeil: "Hier wohnen wir wirklich".
. – Wenige Gebrauchsspuren, postalisch gelaufen mit entsprechenden Marken und Stempeln. – Beiliegt eine weitere Postkarte, die Kisch Jarmila 1927 aus Buckow schrieb, der Erholungsort bei Berlin, wo Kisch sich von seinen anstrengenden Reisen zusammen mit Gisela Lyner zurückzog, um seine Reportagen abzufassen.
7) Buckow, 23. März 1927. Mit Grüßen von Gisela Lyner. Er berichtet ihr über seine Veröffentlichungen, die er für den 1. Mai plant. Verso eine Ansicht des Bergdorfes "Bad Buckow (Märk. Schweiz)."
Kisch, Egon Erwin
Eigenhändiger Brief. Berlin, September "1925" (recte 1929).
Los 3044
Zuschlag
300€ (US$ 323)
"Gerade streitet Arnold Zweig mit Becher, Jakob Schaffner regt sich auf, Rudolf Olden spielt den Hochnäsigen."
Kisch, Egon Erwin. Eigenhändiger Brief an Jarmila Haasová in tschechischer Sprache mit Unterschrift "Tvůj Egonek". 2 S. auf Doppelblatt. 21 x 16,5 cm. Mit eigenhändig adressiertem Kuvert. Berlin, September "1925" (recte 1929).
Haupt, Kisch, S. 79f. – Kleinformatiger, eng geschriebener und daher überaus umfangreicher Brief in blauer Tinte, der irrtümlich "1925" datiert wurde (was wohl die Empfängerin schon mit Bleistift "=29" korrigierte) und den Kisch mitten aus einer Sitzung des Schriftstellerverbandes schrieb. Der "rasende Reporter" konnte kaum eine Versammlung mitmachen, ohne nicht nebenbei seine kostbare Zeit noch mit anderem zu nutzen: "... gerade habe ich gegen die Erhöhung der Mitgliedsbeiträge gesprochen, und jetzt - jeder guckt, was ich hier schreibe - antworte ich Dir auf zwei Briefe".
Mitgeschickt hat ihr Kisch den Entwurf eines Briefes an seinen Freund, den tschechischen Schriftsteller (Prosaisten, epischen Dichter) und Verleger Václav Kaplický (1895-1982), der hier beiliegt: "Ich bin sehr froh, daß Du mit meinem Brief an Kaplický zufrieden warst, er war es sicher weniger. Deinen Brief habe ich mit einem herzlichen Hinweis auf Deine unschätzbaren Eigenschaften und Deine Freundschaft an Piscator gesandt. Er erwähnt Bornstein und Longens, dann folgt eine Passage über sein 1922 erschienenes Kriegstagebuch Soldat im Prager Korps, das 1930 dann unter dem geänderten Titel Schreib das auf, Kisch! wiederveröffentlicht werden sollte. Hier geht es jedoch zunächst um die Übersetzung ins Tschechische:
"Was Deine Frage betrifft, ob der Soldat noch vor Weihnachten herauskommen soll, meine ich, daß meine Entscheidung überflüssig ist, weil das allein von Dir abhängt, ob Du ihn fertig bekommst, und vom Verlag, ob er ihn bis zu dieser Zeit herausgeben kann ... Auf alle Fälle fange ich morgen mit den Veränderungen am Soldaten an ... Zeit hatte ich bisher nicht. So wie jetzt habe ich noch nie in meinem Leben gearbeitet, ich war nur einmal im Café".
"Gerade streitet Arnold Zweig mit Becher, Jakob Schaffner regt sich auf, Rudolf Olden spielt den Hochnäsigen, und ich schreibe Jarmila". Er fragt sie, ob sie den Kabarettisten Josef Waltner, Inhaber des Prager Nachtcafés 'Montmartre', beliebten Treffpunkts der Prager Bohème, in dem Kisch und Hašek verkehrten, nicht mit einer Übersetzung unterstützen wolle: "Neulich hat mir Waltner, der ehemalige Besitzer des 'Montmartre' und jetzt ein armer Keller, geschrieben, ob ich ihm nicht eine Einleitung zu irgendeinem Erinnungsbuch schreiben könnte. Ich schicke es Dir ... Paradies Amerika ... kommt wahrscheinlich am 15. Oktober heraus ... [es] wurden 2000 Exemplare bestellt, was sehr viel ist, denn das Buch kostet 6 Mark". – Mehrfach geknickt und etwas knittrig. Der beiliegende Umschlag datiert auf den 28. September 1929. – Beiliegt der eigenhändige Briefentwurf Kischs an Václav Kaplický mit Unterschrift und mit zahlreichen Streichungen, Verbesserungen, Einfügungen als Korrekturen von der Hand der Jarmila Haasová. 2 S. 29 x 23 cm. "V Berlíně, dne 11. září 1929 - Vázený pane Kaplicý ..." - "Berlin, den 11. Oktober 1929 - Sehr geehrter Herr Kaplický...".
Kisch, Egon Erwin
Eigenhändiger Brief. Berlin, 16. September 1929.
Los 3045
Zuschlag
240€ (US$ 258)
"Angriffe von Gottfried Benn und Heinrich Mann"
Kisch, Egon Erwin. Eigenhändiger Brief an Jarmila Haasová in tschechischer Sprache mit Unterschrift "Egonek". 2 S. 28 x 22 cm. Mit eigenhändig adressiertem Kuvert. Berlin, 16. September 1929.
Haupt, Kisch, S. 77ff. – Sehr inhaltsreicher Brief, in dem zahlreiche bedeutende Zeitgenossen aus Presse, Literatur und Kultur genannt werden, Kisch aber auch über seine eigenen Werke spricht und Jarmila über die Geschehnisse in Berlin berichtet: "...die Affäre aus der Bücherschau zieht Kreise (das 'Tageblatt' hat mich einfach angegriffen, die 'Frankfurter' verteidigt mich, Bornstein wollte auf mich losgehen, die Angriffe von Gottfried Benn und Heinrich Mann sind schon in der Redaktion der 'Bücherschau' ...
Erwähnt seine Kollegen und Freunde Bornstein, Butzbach, Fröschl, Spann, Staša, Weißkopf, Wohlschläger, ferner Franz Xaver Hoellering (1896 - 1967), Václav Kaplický (1895-1982), Erwin Piscator (1893-1966) etc. "... mein Buch heißt Egon Erwin Kisch beehrt sich darzubieten: Paradies Amerika ... Das einzige, was Du übersetzen könntest, wäre Piscators Buch. Aber angeblich haben alle Verlage das Manuskript zurückgegeben, weil es langweilig ist, und ein Auszug in der 'Bücherschau' bestätigt dieses Urteil. Gemeint ist Piscators programmatische Schrift 'Das politische Theater' (Berlin, Schultz, 1929). – Leicht gebräunt, winziger Einriss. – Beiliegt ein masch. Brief von Gisela Lyner mit Unterschrift "Gisl" von 19. September 1929. "Liebe Jarmila, der Kisch musste eben zum Zahnartzt laufen ... angeblich gibt Piscator sich bereits selbst auf und sucht gar keine Stücke mehr. Das Amerikabuch ... wird in drei Wochen im Buchhandel sein..."
Kisch, Egon Erwin
3 e. Briefe Berlin, 1. und 14 Oktober, 22 November 1929.
Los 3046
Zuschlag
350€ (US$ 376)
"Damit sind nicht schöne Vögel gemeint, sondern 'Singende Vögel im Kerker'."
Kisch, Egon Erwin. Übersetzungskorrekturen. 3 eigenhändige Briefe an Jarmila Haasová in tschechischer Sprache mit Unterschrift "Egonek". 5 S. 28 x 22 cm. Mit 3 (2 eigenhändig adressiertem) Kuverts. Berlin, 1. und 14 Oktober, 22 November 1929.
Haupt, Kisch, S. 82ff. – Konvolut von Briefen Egon Erwin Kischs, der die Übersetzungen einige seiner Werke ins Tschechische durch Jarmila Haasová lies und korrigiert und ihr unklare Passagen erklärt. Kisch sprach fließend Tschechisch, hatte aber zunächst Probleme mit der Schriftsprache, auch wenn er alle seine früheren Briefe an Jarmila konsequent in dieser Sprache abfasste. Vorhanden sind:
1) Berlin, 1. Oktober 1919. Kisch korrigiert Jarmilas Titelübersetzung von Upton Sinclairs Drama Singing Jailbirds, das 1927 unter dem Titel Singende Galgenvögel erschienen war: "1. Singing Jailbirds. Die deutsche Übrsetzung Singende Galgenvögel ist dumm, denn damit sind nicht schöne Vögel gemeint, sondern 'Singende Vögel im Kerker' 2. Patterson ist eine Weberstadt im Staat New York. 3. 'Regalieren' ist: 'bewirten', 'reichlich beschenken'. (pohostiti?). 4. Eine gesamte Ausgabe von Paradies Amerika habe ich nicht. Ich schicke Dir, was hier ist. 5. Was ist los, daß die Zaren noch nicht heraus sind?..."
2) Berlin, 14. Oktober 1929. Kisch erklärt und korrigiert weitere Passagen aus seinen Romanen Zaren, Popen und Bolschewiken, Paradies Amerika etc. "Die Autoenexemplare des Zaren habe ich heute früh bekommen. Es sieht sehr schön aus. Meinst Du nicht?" Erwähnt Bornstein, Laurin, Höllering, Wiegler Ernst Polak, "Lania hat große Liebesaffären, angeblich sind das große Frauen aus dem Lutz". Gemeint ist der jüdische russisch-österreichisch Journalist und Schriftsteller Leon Lania (1896-1961), Bekannter und Kollege Kischs, einer der ersten 'Undercover-Reporter', der 1933 über Prag, Wien, Paris, dann Südfrankreich, Spanien und Portugal in die USA emigerieren konnte. In seinen investigativen Reportagen warne er außergewöhnlich frühzeitig und außergewöhnlich klar von der aufziehenden Gefahr von Rechts.
3) Berlin, 22. November 1929. "Liebe Jarmiláč, ich komme am Montag 15.30 Uhr d. h. 1/2 4 nachmittags auf dem Masaryk Bahnhof an ... Das wird ein schrecklicher Rummel in Prag, ich fürchte mich davor, aber ich hoffe, daß wir uns zu einem freundschaftlichen Gespräch ganz unter uns irgendwo treffen können, damit ich Dir die Berliner Neuigkeiten (auch wenn sie nicht bedeutsam sind) rerferieren kann". – Geringe Knickspuren, leicht gebräunt.
Kisch, Egon Erwin
Eigenhändiger Brief. Berlin, 30. September 1929
Los 3047
Zuschlag
160€ (US$ 172)
"Zápotocký hat bei mir übernachtet, ein sehr sympathischer Mensch"
Kisch, Egon Erwin. Eigenhändiger Brief an Jarmila Haasová in tschechischer Sprache mit Unterschrift "Egonek". 1 1/2 S. 28 x 22 cm. Mit eigenhändig adressiertem Kuvert. Berlin, 30. September 1929.
Haupt, Kisch, S. 81f. – Über Details der Übersetzung seines Kriegstagebuchs Soldat im Prager Korps (Berlin 1922) mit ganz konkreten Vorschlägen: "Liebe Jarmilko, ich habe mir gestern den Soldaten angesehen. Verschiedene Kleinigkeiten habe ich gefunden, zum Beispiel das Wort 'Spekulationen' anstelle von 'Schlüsse' (Seite 6) oder 'Volkshymne' anstelle 'Kaiserhymne' usw., was Du sicher ohnehin korrigierst". Überhaupt kann ich alles mit der Ruhe eines Engländers Dir überlassen, denn da Du dich sowieso gründlich damit befassen mußt, findest Du alle Geschmacklosigkeiten leichter als ich, der dieses Buch noch heute immer nicht ruhig lesen kann..."
Interessant ist seine Bekanntschaft mit dem tschechoslowakischer Gewerkschaftsführer, Politiker und Autor Antonín Zápotocký (1884-1957), der von 1922 bis 1925 Generalsekretär der Tschechoslowakischen Kommunistischen Partei war, sofort 1939 von den deutschen Truppen verhaftet und von 1940 bis 1945 Konzentrationslager Sachsenhausen interniert wurde, was er überlebte. So konnte er 1948 beim sogenannten "Februarputsch" die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei übernehmen und schließlich dem Ministerpräsidenten Klement Gottwald im Amt nachfolgen. So wurde Zápotocký am 21. März 1953 von der Nationalversammlung zum Präsidenten der Tschechoslowakei gewählt. Berüchtigt war seine diktatorische Amtsführung ganz im Sinne Stalins und die zahlreichen inszenierten Schauprozesse, bei denen unter Ministerpräsident Zápotocký 94 Menschen hingerichtet wurden, die Hälfte aus politischen Gründen.
Kisch erwähnt Zápotocký en passant: "Heute und gestern hat Zápotocký bei mir übernachtet, ein sehr sympathischer Mensch. Hat Dir Piscator schon geantwortet? Bandy mit Olga und Becher fliegen morgen nach Moskau. Am 26. November habe ich eine Lesung in der großen Halle der Lucerna in Prag, dort gehen 15 000 (recte 5000) Menschen rein, allerdings, wenn sie dort reingehen wollen. vorgestern Abend kam Dr. Frankel von der 'Urania'..."
Kisch, Egon Erwin. Maschinenschriftlicher Brief an Jarmila Haasová in deutscher Sprache mit Unterschrift "old Egonek". 1 S. 28 x 22 cm. Mit Kuvert. Berlin, 13. Dezember 1929.
Haupt, Kisch, S. 86f. – Kisch bittet Jarmila um die Zusendung von Kritiken seiner Werke in den Prager Gazetten, darunter in der renommierten Wochenzeitung Tvorba. Er erwähnt den Plan einer holländischen Übersetzung seiner Werke durch den befreundeten niederländischen Jornalisten, Übersetzer und Antifaschisten Nicolaas "Nico" Rost (1896-1967) oder fragt, ob sie den Verleger Václav Kaplický (1895-1982) kontaktiert habe.
"Liebe Jarmila, Gott sei Dank bin ich wieder in Berlin; Bornstein habe ich angerufen und von Deiner Wohnung und Deinem Wohlbefinden berichtet. Wie war die Rückfahrt aus Teplitz? Hat Dir Herr Kahn noch den Hof gemacht? Alle waren sehr verliebt in Dich. Hat sich in Prag der Widerspruch schon verstärkt? Schick mir alles, was erschienen ist, auch die Kritiken, die ich schon gesehen habe ... Von Frigo kommt ein Buch heraus: 'Letzte Stunden' in einer syndikalistischen Buchgemeinschaft. Rost wird wahrscheinlich ein Sammelbuch aus Kisch holländisch zusammenstellen. Hast Du Kaplický den Vorschlag eines Sonderdruckes der Tonka Šibenice [Die Galgentoni] gemacht? ... sei herzlich gegrüßt und geküßt von Deinem old Egonek".
Das (wohl) Pseudonym des, wie Kisch ihn tituliert, "ultralinken" Bekannten Frigo kann leider bis dato nicht aufgeschlüsselt werden. Klaus Haupt gibt hier den lakonischen Hinweis "Frigo .- Autor eines Werkes mit dem Titel 'Letzte Stunden'", das ich jedoch nicht nachweisen konnte(Haupt, Briefe an Jarmila, 1996. S- 75). Kisch erwähnt Frigo auch in einem Brief vom 24. Mai 1929. – Knicke, wohlerhalten. Unten links noch 10 Zeilen Gruß von Gisela Lyner mit Unterschrift in Bleistift "Gisl". – Beiliegt ein masch. Brief von Gisela Lyna an dieselbe. 1 1/2 S. Mit eigenhändigem Gruß in Bleistift und Unterschrift: "Gruß an Nečas. Gisl". Berlin, 8. Dezember 1929. "Von überall höre ich, wie schön es bei Egoneks Vorlesungen gewesen ist, am tollsten scheint es aber in Prag zugegangen zu sein. Besonders über die 'Rot Front'-Begrüssung habe ich mich gefreut ... Diese Woche ist der Rost zurückgekommen, er sieht sehr gut aus ... Wir alle haben schon geglaubt, dass dem Rost was passiert ist, weil niemand eine Nachricht von ihm hatte seit mehr als sechs Wochen". Nico Rost lebte in den Jahren 1923 bis 1933 in Berlin, wo er zum engsten Freundskreis Kischs gehörte. Er publizierte den Querschnitt und wurde Mitglied der KPD, als das er - schon Februar 1933, unmittelbar der Machtergreifung -ins KZ Oranienburg nördlich von Berlin deportiert wurde. Nach seiner Freilassung ging er nach Brüssel, wo er wieder von den Nationalsozialisten verhaftet wurde und in die Konzentrationslager von Herzogenbusch und letztlich nach Dachau verschleppt wurde. Am 29. April 1945 wurde er von amerikanischen Truppen befreit.
Lyner, Gisela und Kisch, Egon Erwin
4 (2 eigenhändige und 2 maschinenschriftliche) Briefe
Los 3049
Zuschlag
280€ (US$ 301)
"Plötzlich erklärte das ZK, er soll nicht nach Russland."
Lyner, Gisela. 4 (2 eigenhändige und 2 maschinenschriftliche) Briefe an Jarmila Haasová in deutscher Sprache mit Unterschrift "Gisl". Zus. 7 S. 18,5 x 14 bis 28,5 x 22,5 cm. Mit 4 (teils lädierten) Kuverts. Berlin, Wien und Westminster 1930.
Für das Leben und Werk des Egon Erwin Kisch sind die Briefe seiner Sekretärin, Mitarbeiterin, Geliebten und späten Ehefrau Gisela "Gisl" Lyner (auch Liner; 1895-1962) höchst wertvolle Quellen, schreibt sie doch meist ausführlich über das, was in den Briefen Kischs selbst zu kurz kommt. Die vorligenden vier Briefe sind, wie die meisten in diesem Nachlass, unveröffentlicht.
1) Wien, 29. September 1930. Eigenhändig 3 S. "Liebe Jarmila, aus Franzensbad konnte ich erst Dienstag wegfahren ... Aus Berlin weiss ich sonst nichts, von Egonek habe ich seit mehr als 14 Tagen keine Nachricht".
2) Kurhaus Westminster, 17. September 1930. Eigenhändig 2 1/2 Seiten. "Egonek schrieb, Du fährst am Mittwoch (vorigen) nach Prag ... hast Du mit Pokrok noch so viel Ärger wie zu Kaplickýs Zeit? ... Was hast Du zu unserem Erfolg gesagt? Daß wir in Berlin die stärksten sein werden, haben wir, glaub ich, selbst nicht gehofft...".
3) Berlin, 2. November 1930. "Zuerst, nach meiner Rückkehr, mussten wir das Stück noch einmal durcharbeiten (Lanna 8) ... Ausserdem hiess es vor 14 Tagen, dass Egonek nach Russland fahren soll, und er wollte mich mitnehmen. Kannst Dir denken, wie ich mich darauf gefreut habe. Plötzlich erklärte das ZK, er soll nicht nach Russland, sondern nach Wien, zu den Wahlen ... In der Tvorba, die Du geschickt hast, ist der Falkenau-Artikel vom Necas!"
4) Berlin, 16. April 1929. Berichtet von ihren Krankheiten "... Das alles wäre aber nicht so arg gewesen: das schlimmste war, dass ich vier Tage nichts sehen konnte ... Und gerade in dieser Zeit wollte der Reiss die endgiltigen Korrekturen vom Pitaval, also musste ich sie ihm so geben und er wird sie selbst lesen ... Egoneks Adresse ist vorläufig: Charkow, Hotel Spartak. Heute habe ich wieder einen Brief von ihm, er ist schrecklich begeistert, und möchte am liebsten dort bleiben, und er schreibt dass die Stimmung drüben herrlich ist .. ". Egon Kisch war nach Moskau gereist, leider ohne Gisela Lyner. Sie berichtet ferner über Nico Rost: "Vom Rost hörte ich über die Lobbenberg, dass es ihm nicht sehr gut geht, aber jetzt ist endlich eine kleine Aussicht, dass er bei einer holländische Zeitung einer feste Stellung bekommen soll ..." – Knicke, wenige Einrisse, Umschläge teils lädiert.
Äußerst selten: Bühnenmanuskript in Xerokopiedruck der absurden Komödie
Hašek, Jaroslav, und Egon Erwin Kisch. Die Reise um Europa in 365 Tagen. Eine groteske Begebenheit in 15 Bildern. 2 Bl., 196 S., 1 Bl. 19 x 16 cm. OBroschur (kleine Einrisse, Rücken mit schwarzem Leinenstreifen, abgegriffen) mit schwarzgedruckter Titelei. Berlin, Privatdruck im Arcadia-Verlag, 1930.
Melzwig 355.1. – Bühnenmanuskript in Xerokopiedruck der absurden Komödie von Egon Erwin Kisch, zusammen verfasst mit dem tschechischen Schriftsteller Jaroslav Hašek (1883-1923), dem Autor des berühmten Werkes Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk während des Weltkriegs, das zwischen 1920 und 1923 erschienen war.
Neben Paul Leppin, Rainer Maria Rilke, Max Brod und Franz Kafka hatte Egon Erwin Kisch auch Jaroslav Hašek in den künstlerisch-literarischen Kreisen Prags kennengelernt, wobei er sich gleichermaßen mit tschechischen wie mit deutschen Autoren befreundete. Im Zentrum standen dabei die Prager Cafés und Kneipen wie 'Zum Weißen Hasen' oder das Nachtcafé 'Montmartre', wo die künstlerische Bohème sich traf. Mit Hašek sollte ihn eine langjährige, fruchtbare Freundschaft verbinden.
"Grundlage dieser Komödie bildet eine Reise, die Egon Erwin Kisch 1920 unternommen hatte. Mit einem Dampfer war er am 23. September 1920 in Prag aufgebrochen, um über Moldau und Elbe, dann über Nordsee, Rhein und Donau zu schiffen. Dabei machte er in einigen Städten Halt. Da es keine Genehmigung für eine Überführung mit der Eisenbahn gab, wurden aus den 350 km Wegstrecke ganze 2000 km bis Bratislava. Das Stück befasst sich mit merkwürdigen Gesetzen und einzigartigen Charakteren, die während der Reise auftauchen" (VDB-TTX 13.07.21).
Die "Reise um Europa" wurde, lt. Hinweis auf dem Titel "Als unverkäufliches Manuskript vervielfältigt. Dieses Buch darf weder verkauft, noch verliehen, noch sonst irgendwie weitergegeben werden. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung, Verfilmung und Übertragung durch Rundfunk, vorbehalten. Dieses Buch darf zu Bühnenzwecken, Vorlesungen und Vereinsaufführungen nur benutzt werden, wenn vorher das Aufführungsrecht einschließlich des Materials von uns rechtmäßig erworben ist. Das Ausschreiben der Rollen ist nicht gestattet. Übertretungen dieser Bestimmungen verstößt gegen das Urheberrechtsgesetz. Wird das Stück nicht zur Aufführung angenommen, so ist das Buch umgehend zurückzusenden an: Arcadia-Verlag, Berlin". – Überaus selten, da nur in kleinster Auflage im Fotokopieverfahren gedruckt. Ein einziges weiteres Exemplar konnten wir in der Bibliothek des Österreichischen Theatermuseums (Signatur: 799757-B) nachweisen. Papierbedingt unwesentlich gebräunt, Titel mit Widmung des Autors "Jarmila Haasová!" und Vortitel mit 7-zeiliger Widmung des Autors an dieselbe "Meiner lieben Jarmiláč zum Geburtstag mit herzlichen Wünschen herzlich gegeben. Der Egonek. Berlin, 11. Februar 1931".
Kisch, Egon Erwin
Egon Erwin Kisch beehrt sich darzubieten: Paradies Amerika
Los 3051
Zuschlag
160€ (US$ 172)
Höchst interessantes Dokument für die Übersetzungsgeschichte der Werke Kischs
Kisch, Egon Erwin. Egon Erwin Kisch beehrt sich darzubieten: Paradies Amerika. 347 S., 2 Bl. 20,3 x 13,8 cm. Orangefarbenes Feinleinen (minimale Kapitalläsuren, leicht angestaubt) mit goldgeprägtem Titel auf dem Rücken und VDeckel. Berlin, Erich Reiss, 1930.
Melzwig 356.1. – Erste Ausgabe der rund Reportagen, die der 'rasenden Reporter' in Amerika schrieb - ein heute noch unübertroffenes Bild der amerikanischen Gesellschaft vor dem Zweiten Weltkrieg. Der Band erschien schon im Herbst 1929, er wurde von dem Autor am 7. November seiner geschätzten Übersetzerin Jarmila Haasová "ohne Worte" gewidmet auf dem Vortitel: "Jarmilice beze slov. Egonek. 7./11. 1929; Berlín". – Arbeitsexemplar der Übersetzerin mitTiteleintrag in blauer Tinte "Jarmila Haasová! 1929" und zahlreichen Anmerkungen, darunter auch für die tschechische Ausgabe gestrichenen und mit Bleistift durchgekreuzten Passagen - ein höchst interessantes Dokument für die Übersetzungsgeschichte.
Kisch, Egon Erwin
Egon Erwin Kisch beehrt sich darzubieten: Paradies Amerika
Los 3052
Zuschlag
260€ (US$ 280)
"Am 17. März 1930 in den Musiker=Sälen am Bülowplatz um 1/4 9 Uhr. Egonek"
Kisch, Egon Erwin. Egon Erwin Kisch beehrt sich darzubieten: Paradies Amerika. (17.-20. Tsd.). 347 S., 2 Bl. 20,3 x 13,8 cm. Hellblaues OLeinen (Rücken etwas verblasst, leicht lichtrandig) mit schwarzeprägtem Titel auf dem Rücken und VDeckel. Berlin, Universum-Bücherei für Alle, 1930.
Universum-Bücherei Band LXXIV. Melzwig 356.2. – Kurz nach der Erstausgabe (Melzwig 356.1) erschienene Ausgabe, die im Rahmen der "Universum-Bücherei" herausgebracht wurde (das Impressum verweist auf das Copyright "1929 by Erich Reiss Verlag"). – Titel mit 4-zeiliger Widmung des Autors: "1. Exemplar der Universum-Ausgabe. Am 17. März 1930 in den Musiker=Sälen am Bülowplatz um 1/4 9 Uhr. Egonek", wo Kisch wohl eine Lesung mit Signierstunde abgehalten hatte. Îm Block sehr sauber.
Kisch, Egon Erwin
Masch. Brief m. U. Sanary-sur-Mer 14. Mai 1930
Los 3053
Zuschlag
250€ (US$ 269)
"Döblin, der selber ein Quatschkopf ist"
Kisch, Egon Erwin. Maschinenschriftlicher Brief an Jarmila Haasová in tschechischer Sprache mit Unterschrift "Egonek". X S. 28 x 22 cm. Sanary-sur-Mer 14. Mai 1930
Haupt, Kisch, S. 87ff. – Langer, inhaltsreicher Brief aus Sanary-sur-Mer, der schon ein beliebter Urlaubsort Intellektueller war, bevor er nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ein Zufluchtsort deutscher Emigranten wurde. Kisch schreibt seiner Freundin und Übersetzerung Jarmila Haasová (1896-1990)): "Lieber Jarmilatsch! Du wirst schon recht haben, wenn Du behauptest, dass wir Dir unseren Aufenthalt in grauen Farben geschildert haben. Aber das geschah natürlich, damit Du nicht allzusehr bedauerst, nicht hierherkommen zu können. Wir waren damals so ziemlich ohne Pfennig, und ohne rechte Hoffnung, welches zu bekommen. Jetzt hat sich die Sache so weit gebessert, dass ich ... doch noch drei bis vier Wochen wegbleiben kann."
Er schreibt von Plänen, an die Riviera und nach Korsika zu fahren, die Übersetzung einer Sammlung seiner ausgewählten Werke ins Niederländische durch Nico Rost ("Rost hat mir ein paar Ausschnitte geschickt, wie weit er mit der Übersetzung ist, weiß ich nicht") und erwähnt Alfred Döblin (1878-1957) im Zusammenhang mit der Publikations des Bundes proletarisch-revolutionärer Schriftsteller Linkskurve sowie die Letem světem, eine eher progressive, jedoch nicht parteilich gebundene tschechische Bilderzeitschrift für Touristik und Fremdenwerbung, bei der Vincenz Nečas, der Ehemann Jarmilas zeitweise als Chefredakteur arbeitete:
"Besten Dank für den Artikel von Döblin, der selber ein Quatschkopf ist, und mutig gegen die Linkskurve. Gegen die Neue Rundschau oder das kleinste Blättchen von bürgerlicher Seite würde er sich nicht trauen, allerdings fände er auch kein Forum. Wenn mir jemand gesagt hätte, daß es sogar wegen einer Redakteursstelle bei Letem světem Intrigen und Zeitungsangriffe setzen kann, so hätte ich geantwortet, so schlimm sei die Krähwinkelei doch nicht. Aber ich sehe, daß sie noch schlimmer ist ... Wenn Kaplický wirklich wegen zu links herausgeschmissen werden sollte, wäre das schlimm, denn man weiß nicht, in welch reaktionärer Nachbarschaft man dann erschien..." Der tschechische Verleger, Autor als Prosaist und epischer Dichter sowie historischer Romane Václav Kaplický (1895-1982) gehörte eher zu den gemäßigten Linken. Er wurde aber als Sozialist und Gründer der Zeitschrift Pokrok (Der Fortschritt) angefeindet.
"Gretl Ettlinger hat mir schon geschrieben, sie möchte Empfehlungen an Upton Sinclair und Charly [sic] Chaplin. Na ja, das ist nicht so einfach. Wie wenn man von Deinem Vater eine Empfehlung an Masaryk verlangen möchte ..." – Mit kraftvollem Farbband getippt von Gisela Lyner und mit einigen kleinen Korrekturen Kischs. Unten noch ein Nachsatz, unterschrieben"Gisl": "Aber dass Du glauben konntest, wir wollten Dich nicht hier haben!!! Wir waren in keiner sehr rosigen Stimmung, weil wir so in der Luft schwebten ... also wünsche ich Dir, dass bald wieder gute Zeiten kommen ... Deine Gisl".
Kisch, Egon Erwin
5 eigenhändige Postkarte, Lyon, Sanary, Evisa und Nizza 1930
Los 3054
Zuschlag
400€ (US$ 430)
"Ich habe weder Nachrichten noch Zeitungen, weiß also nicht, was in Berlin, Moskau und Prag passiert."
Kisch, Egon Erwin. 5 eigenhändige Postkarten an Jarmila Haasová in tschechischer Sprache, mit Unterschrift "Egonek" und teils längeren Beischriften auf Deutsch von "Gils". Jeweils 9 x 14 cm. Lyon, Sanary, Evisa und Nizza 1930.
1) Lyon, 11. April 1930. Auf einer Bildpostkarte mit "Lyon Artistique - Place Carnot, vue de la Gare de Perrache" an Jarmila in Berlin, die bei dem mit Kisch befreundeten Journalisten Joseph Bornstein in der Budapester Straße 16 logierte: "Ich bin nicht in Berlin, und ich habe keine Ahnung, was dort vor sich geht. Wir fahren heute nach Sanary (Abt. Var)".
2) Sanary-sur-Mer, 16. April 1930. Auf einer Panoramaansicht des französischen Badeorts: "Lieber Jarmilatsch, wir sind seit 14 Tagen unterwegs, und ich habe weder Nachrichten noch Zeitungen, weiß also nicht, was in Berlin, Moskau und Prag passiert. Hier gibt es ein wunderschönes Meer ..." Er unterschreibt mit: "Tvůj starý Egonek" ("Dein alter Egonek"). Auf der Textseite dann ausführlich von Gisela Lyner auf Deutsch: "Liebste Jarmila, Neuigkeiten von hier kann ich Dir nicht berichten, weil wir mit keinem Menschen seit Lyon gesprochen haben. Aber gestern hatten wir einen Berliner Bekannten (Zeitz von B. T.) aus dem Autobus erkannt und später getroffen. Komfort im Hotel ist ungefähr wie in der Teufelsmühle. Aber trotzdem ist es hier sehr, sehr schön. Viele allerherzlichste Grüße von Deiner Gisl". Gemeint ist das das Berliner Tageblatt (BT), eines der wichtigen Organe des Deutschen Reiches mit überregionaler Berichterstattung, das zwischen 1872 und 1939 existierte.
3) Evisa, Korsika, 30. Mai 1950. Mit Ansicht des korsischen Bergdorfs Evisa. Kisch schreibt, er sei mit Gisl komplett von der Welt abgeschnitten: "Lieber Jarmilatsch, ich weiß nicht, wo ich stehe, denn ich bin eine Woche lang nicht erreichbar gewesen ... Ich hinterlasse die Adresse in Nizza, 'poste restante'". Mit hs. Gruß von Gisl.
Nizza, 14. Juni 1930. Fotopostkarte "Nice, Vue sur la Baie des Anges". "Lieber Jarmilatsch, Ich habe deine gerade nach langer Zeit Post von Dir bekommen ... aber ich bin mir sicher, dass es nichts ausmacht, wenn ich die 'Lamm' ['Laun'?]-Sache mache. Ich werde Dir sofort schreiben, und wenn ich das tue, wäre es eine großartige Sache, wenn wir den Sommer wieder zusammen verbringen könnten ..."
Lyon, 25. Juni 1930. Mit Ansicht der "Pont de la Boucle et Vue sur le Parc". "Milej Jarmiláčku, jiste jsls již v Berlíně a my se brzy ndidime" - "Lieber Jarmiláček, du bist sicher schon weg aus Berlin und wir werden dich so schnell nicht wiedersehen ... Küsse Egonek." Und verso von Gisela Lyner: "Liebste Jarmila, wir müssen doch nach Berlin zurück, Franz H[oellering] hat uns bis jetzt im Stich gelassen. Wir unterbrechen nur einen Tag in Paris, da Egonek eine Sache recherchieren muss. Schade, ich hatte mich auf einen längeren Aufenthalt in Paris gefreut. Aus Berlin schreibe ich gleich. Allerherzlicht Dein Gisl". – Postalisch gelaufen, wenige Gebrauchsspuren, mit Stempeln und Marken.
"Schreib das auf, Kisch, daß du der Jarmilka dieses Buch in Herzlichkeit überreicht hast!"
Kisch, Egon Erwin. "Schreib das auf, Kisch!" Das Kriegstagebuch. 293 S., 1 Bl. 20,2 x 13,8 cm. Dunkelblaues OLeinen mit schwarzem Titeldruck auf Rücken und VDeckel (Entwurf von Georg Salter). Berlin, Erich Reiss, 1930.
Melzwig 345.2. – Erste Ausgabe unter diesem Titel. Die Reportagen waren 1922 unter dem Titel 'Soldat im Prager Korps' bei André in Leipzig und Prag erschienen. – Buchblock minimal verschoben, mit wenigen Bleistift-Anmerkungen der Übersetzerin Jarmila Haasová, der Kisch das Buch auf dem Titel widmete: "Schreib das auf, Kisch, daß du der Jarmilka dieses Buch in Herzlichkeit überreicht hast! Egonek. Berlin, 9./9.(1930)".
Blažek, Václav und Kisch, Egon Erwin
Gipsabguss seiner rechten Hand mit Federhalter.
Los 3056
Zuschlag
2.000€ (US$ 2,151)
Die Hand, die das alles aufschrieb
Kisch, Egon Erwin. - Blažek, Václav. Gipsabguss seiner rechten Hand mit Federhalter. Ca. 11,3 x 19 x 12 cm. Montiert auf massive Eichenholzblockplinthe. 15 x 12 x 7 cm. Prag April 1948.
"Schreib das auf Kisch" drängten ihn Kollegen und Freunde immer wieder, das Zitat wurde zu einem Titel des Kriegstagebuchs von Egon Erwin Kisch. Ebenso wie der Titel eines anderen Buches Der Rasende Reporter zum Synonym für seinen Autor wurde.
Neben seiner Totenmaske, die der Künstler Václav Blažek abgenommen hatte, machte dieser auch einen Abdruck der Schreiberhand des Egon Erwin Kisch, der am 31. April 1948 in Prag gestorben war. Daraus modellierte der Künstler die vorliegende Handskulptur und einen Stift nach dem Füllfederhalter des so überaus produktiven Reporters, Journalisten und begabten Schriftstellers. Die bemerkswert kleine, feingliedrige und doch kraftvolle Hand hält den Stift konzentriert zwischen Daumen und Zeigefinger, die Oberfläche gibt das Relief der Haut erstaunlich detailliert wieder.
Begraben ist er auf dem Vinohradský hřbitov, dem Friedhof Vinohrady im gleichnamigen Stadtteil in Prag, wo sich der Lebenskreis des Egon Erwin Kisch schließt. Sein Gedächnis bewahrten seine beiden Frauen, Gisela Lyner (1895-1962) und Jarmila Haasová (1896-1990), die beide sein unstetes Leben über Jahrzehnte und durch die schwersten Zeiten des 20. Jahrhunderts begleitet hatten und die einen nicht zu unterschätzenden Teil seiner Arbeit mittrugen und ohne die es sicherlich nicht ein so gewaltiges großes Œuvre von Reportagen hätte geben können, die seinerzeit so populär waren, dass ihre Auflagen allein in Deutschland in die Zigtausende gingen - und die heute zumeist noch so aktuell anmuten, dass das Lesen zu einer einzigen Freude wird. – Leichte Staubpatina, wenige Fleckchen, von hervorragender Gesamterhaltung. Der Füllfederhalter ist lose eingesteckt. Die Blockplinthe mit kleiner Ergänzung einer wohl einstmals ausgesägten Stelle.
"Hallo Jarmila, Wie geht es dir?"
Kisch, Egon Erwin. Der rasende Reporter. 380 S., 2 Bl. 18,5 x 12,2 cm. Beigefarbenes OLeinen mit schwarzgeprägtem Rücken- und VDeckeltitel, dunkelbrauner Kopfschnitt mit zweifarbig illustriertem OSchutzumschlag (dieser mit wenigen Einrissen, etwas angestaubt). Berlin, Sieben-Stäbe-Verlag, 1930.
Bücher der Epoche. Melzwig 347.2. – Erste Ausgaber der "Neuausgabe", die der Sieben-Stäbe-Verlag 1930 im 16.-35. Tausend herausbrachte. Sie enthält alle Reportagen sowie das Vorwort. Den Einband und den Schutzumschlag gestaltete Paul Pfund unter Verwendung einer Fotografie die aus einer Montage zweier Globensphären und einem Porträt des Autors am Telefon zusammengestellt wurde. Auch visuell wird damit erstmals der Autor mit seinem Romantitel gleichgestellt: Egon Kisch als "rasender Reporter". – Schönes, sauberes Exemplar mit Widmung auf dem Vortitel: "Jarmilininče! Egonek. 1931". Ferner signierte Kisch auch den Umschlag auf dem Vorderdeckel unter seinem Porträt: "Halloh! Jarmilo? Jak se máš?" ("Hallo Jarmila, Wie geht es dir?").
Kisch, Egon Erwin
6 eigenhändige Postkarten in tschechischer Sprache
Los 3058
Zuschlag
400€ (US$ 430)
Moskau - Charkow - Shanghai - Peking -Kyoto
Kisch, Egon Erwin. 6 eigenhändige Postkarten an Jarmila Haasová in tschechischer Sprache, mit Unterschrift "Egonek", "tvůj Egonek" etc. Jeweils 9 x 14 cm. Russland (Sowjetunion), China und Japan 1930-1932.
Postkarten der großen Asienreise Egon Erwin Kischs, die ihn über Russland bis nach China und Japan führt. Frucht dieser Reise war der letzte große Reportageband, der in Deutschland noch vor der Herrschaft der Nationalsozialisten erscheinen konnte: China geheim (Berlin, Erich Reiss, 1933). In China hatte Kisch 1932 vom Bürgerkrieg und der Mandschurei-Krise berichtet.
1) Moskau, 3. November 1930. Ein Gruß aus Moskau: "Liebe Jarmilacko, also bin ich nun hier, es ist heiß und ich denke an dich. Und ich danke Dir. Küsse Dich Egonek".
2) Charkow, 13. November 1930. Auf einer Ansichtskarte nach einem Foto Kischkasky-Brücke über die Dnjpr, aus Charkow (das heutige Charkiw, die nach Kiew zweitgrößte Stadt der Ukraine. M
it Grüßen und Unterschriften auch von Freunden Kischs.
3) Moskau, 15. März 1931. Ansicht des Swerdloff-Platzes mit dem Bolschoi-Theater, dort Beischrift von Gisela Lyner: Liebste Jarmila, leider liege ich im Bett mit Fieber und Schnupfen, bin aber glücklich, hier zu sein. Kriegst bald einen Brief. Herzlichst Gisl". Kisch schreibt von seinen Kontakten zu den Freunden, die er in Moskau trifft, darunter Hilde Jennings, Otto Katz und viele mehr.
4) Shanghai, 22. Mai 1932. Von Kischs legendärer Asienreise, die in bis nach China und Japan führte, schreibt er Jarmila einen herzlichen Gruß auf einer Fotopostkarte "Nanking Road. Shanghai".
5) Peking, 9. Juli 1932. Lieber Jarmiláček, ich reise heute nach Japan und denke von ganzem Herzen an dich. Dein alter Egonek". Eindrucksvolle Fotopostkarte des Eingangs der "Forbidden City".
6) Kyoto, 23. Juli 1932. Ein Gruß aus Japan "von Deinem alten Egonek", die Kisch "Via Siberia, Europa, Czechoslovakia, Praha-Prague" adressierte. Dargestellt ist eine traditionelle japanische Familie der Meiji-Zeit, wie sie als Fotomotiv auch noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts nachgestellt wurden. – Postalisch gelaufen, mit geringen Gebrauchsspuren.
Kisch, Egon Erwin
Eigenhändiger Brief. Moskau, 28. Januar 1931
Los 3060
Zuschlag
250€ (US$ 269)
"Wer weiß, ob es in Deutschland überhaupt noch erscheinen kann!"
Kisch, Egon Erwin. Eigenhändige Brief an Jarmila Haasová in deutscher Sprache mit Unterschrift "Dein alter Egonek". 2 S. 28,5 x 22 cm. Moskau, 28. Januar 1931.
Haupt, Kisch, S. 97ff. – Das Jahr 1931 steht für Egon Erwin Kisch ganz im Zeichen seiner Besuche in der Sowjetunion. Zunächst weilt er mit Gisela Lyner in Moskau. Im Sommer unternimmt er eine lange Reportagereise mit Journalisten- und Schriftsteller-Kollegen durch die sowjetischen Gebiete Mittelasiens und verbringt bis 15. September Zeit im einem Sanatorium in Gorki bei Moskau. Ende Januar schreibt er aus Moskau: "Liebster Jarmilatschek, Deinen Brief erhielt ich gestern mit einer Kaschauer Postkarte von Nico [Rost] ... Besten Dank für die Prozeßberichte. Ich kannte nur die aus dem Prager Tagbl. und die Vejvara-Berichte in Nár. Pol. und Nár. Listy. Wenn ich den Prozeß verliere, werde ich tüchtig zahlen müssen! Auch das noch!" Gemeint sind die tschechischen Zeitungen Prager Tagblatt, die konservativ-nationale Národní Politika sowie die Národní listy, die führende liberale Tageszeitung, das Organ der Nationaldemokratischen Partei Tschechiens.
"Ich bekomme durchschnittlich fünf Briefe am Tag, wo mir die fremdesten und befreundesten Leute Schreiben, daß sie hierher möchten, Regisseure, Journalisten, Kaufleute, Schrifsteller, Ärzte, Maler etc. etc. Ich kann natürlich niemandem Wohnung verschaffen, das ist das. Zum Beispiel dem Peter Rosenbaum dem Bildhauer, möchte ich so gerne helfen, aber wie? Sind die Artikel über Lenins Sterbehaus und die Frau an der Seidenfront schon erschienen?"
Interessant ist die Vorahnung der sich in Deutschland immer weiter zuspitzenden politischen Lage, die viele Intellektuelle in die UdSSR trieb und Kisch an der weiteren Möglichkeit, im deutschen Reich publizieren zu können zweifeln lässt: "Mein Buch ist leider erst zur hälfte fertig, es arbeitet sich zu schwer im Rummel. Aber wer weiß, ob es in Deutschland überhaupt noch erscheinen kann!
Nu, čort vezmi! [Dann zum Teufel!]" – Wohlerhalten in flüchtigem Duktus und mit wenigen tschechischen Einsprengseln. Unten eine 5-zeilige Beischrift von Gisela Lyner. - Sehr schöner, langer Brief.
[*]: Regelbesteuert gemäß Auktionsbedingungen. [^]: Ausgleich von Einfuhr-Umsatzsteuer.
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