Los 6153
Fleischhauer, Jenny
(1879-1932, Frankfurt am Main)Pierrot und Pierrette (Selbstbildnis der Künstlerin).
Ergebnis (inkl. Aufgeld) *
15.000€ (US$ 15,625)
Aus dem Katalog
Gemälde Alter und Neuerer Meister
Auktionsdatum 28.11.2024
Pierrot und Pierrette (Selbstbildnis der Künstlerin).
Öl auf Leinwand. 119 x 117,5 cm. Unten links signiert und datiert "Jenny Fleischhauer 1909".
Jenny Fleischhauer begann ihre künstlerische Laufbahn in einer Epoche, in der Frauen in der Kunstwelt um Anerkennung rangen. Ihre erste Ausbildung erhielt sie von 1898 bis 1901 bei der renommierten Malerin Ottilie W. Roederstein in Frankfurt, einer zentralen Figur des Frankfurter Künstlerinnenkreises. Roederstein, selbst eine bedeutende Vertreterin der modernen Malerei, schuf mit ihrem Privatatelier am Städelschen Kunstinstitut einen Ort, der junge Künstlerinnen wie Jenny Fleischhauer und Mathilde Battenberg förderte. Dieser Kreis weiblicher Kunstschaffender stellte eine Ausnahme dar, da Frauen zu dieser Zeit oft nur begrenzten Zugang zu formeller künstlerischer Bildung hatten. Erst ab 1919 ließen die staatlichen Akademien in Deutschland Frauen zum Studium zu.
Beeinflusst von Roedersteins modernem Stil, folgte Fleischhauer ihrer Kollegin Mathilde Battenberg nach Paris, dem damals pulsierenden Zentrum der Avantgarde, um ihre Studien fortzusetzen. An der Académie Colarossi, einer der wenigen Kunstakademien, die Frauen offen standen, arbeitete sie von 1901 bis 1902 unter der Anleitung von Raphael Collin und Gustave Courtois. Beide Professoren waren bekannte Vertreter des Naturalismus und Akademismus, die in Fleischhauers Werk eine präzise Technik und ein Gespür für figurative Malerei förderten.
Nach ihrer Pariser Zeit unternahm Fleischhauer eine Bildungsreise nach Italien. Hier fand sie Zugang zu den alten Meistern und deren Kunstverständnis, bevor sie 1903 einen längeren Aufenthalt in Spanien verbrachte. Diese Reisen waren nicht nur von kunsthistorischer Bedeutung, sondern auch ein Ausdruck des kulturellen Austauschs und der Selbstfindung, die viele Künstlerinnen und Künstler in jener Zeit antrieben.
Nach diesen prägenden Jahren kehrte Fleischhauer in ihre Geburtsstadt Frankfurt zurück, um als freie Künstlerin zu arbeiten. Ihr Werdegang steht exemplarisch für die Herausforderungen und Errungenschaften weiblicher Künstlerinnen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die sich in einem von Männern dominierten Kunstbetrieb ihren Platz erkämpften. Auch wenn Jenny Fleischhauer in Vergessenheit geraten ist, wurden einige ihrer Künstlerkolleginnen, wie Ottilie W. Roederstein oder Mathilde Battenberg jüngst in der Ausstellung „Städel | Frauen. Künstlerinnen zwischen Frankfurt und Paris um 1900“, die von 10. Juli 2024 bis 27. Oktober 2024 im Städel in Frankfurt gezeigt wurde, geehrt. Jenny Fleischhauer war ebenfalls in der 1930 im Frankfurter Kunstverein gezeigten Schau Frauen von Frauen dargestellt - eine der prägendsten Ausstellungen der Gemeinschaft Deutscher und Österreichischer Künstlerinnen, die den Mitliederinnen regelmäßig eine Plattform bot - zu sehen (Alexander Eiling, Eva-Maria Höllerer, Aude-Line Schamschula, „Zwischen Frankfurt und Paris […]“, in: Städel | Frauen, Ausst. Kat. Frankfurt 2024, S. 16).
Vorliegendes Gemälde präsentierte Jenny Fleischhauer im Entstehungsjahr 1909 in der 11. Jahresausstellung der Frankfurter Künstler. Die Künstlerin zeigt sich hier im Kostüm der Pierrette als Begleiterin Pierrots, beides Figuren der Commedia dell’arte. Gerade im ausgehenden 19. Jahrhundert erreichte die Pantomime in Frankreich einen Höhepunkt, und Pierrot wurde allgegenwärtig - außerdem bekam er ein weibliches Gegenstück, Pierrette, die mit Columbine um seine Zuneigung rivalisierte. Mit eindringlichem Blick wenden sich die beiden Protagonisten in ihren weißen Kostümen mit großem Narrenkragen, den markanten schwarzen Wollknöpfen und Hut nach links an den Betrachter. Die beiden setzen ihren Weg fort, wenden sich nicht zur Seite, sondern nur der Blick und die Haltung des Kopfes signalisieren eine Begrüßung, nicht überschwänglich, eher im Gegenteil, verhalten, aber selbstbewusst. Fleischhauer belebt die Szenerie mit flink gesetzten, pastosen Pinselstrichen, setzt sich und ihren Partner mit nur wenigen Farbnuancen vom Beige des Hintergrundes ab und akzentuiert bewusst mit dem Einsatz der Farben. Dieses eindrückliche Werk zeugt von Fleischhauers großem künstlerischen Talent und darf sicherlich als eines der Hauptwerke der Künstlerin gelten.
Provenienz: Berliner Privatbesitz.
Ausstellung: 11. Jahresausstellung der Frankfurter Künstler im Frankfurter Kunstverein, 31. Oktober bis 21. November, 1909, Nr. 23.
Wir bitten darum, Zustandsberichte zu den Losen zu erfragen, da der Erhaltungszustand nur in Ausnahmefällen im Katalog angegeben ist.
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