Los 2411

Behmer, Marcus
(1879-1958)Konvolut Briefe und Postkarten

Zuschlag
1.200€ (US$ 1,290)

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Aus dem Katalog
Literatur und Autographen
Auktionsdatum 17.4.2024

Lot 2411, Auction  123, Behmer, Marcus, Konvolut Briefe und Postkarten

Marcus Behmer über sein Dasein
Behmer, Marcus, Graphiker, Illustrator und Buchgestalter (1879-1958). Konvolut von 2 eigh. Briefen und 9 eigh. Postkarten m. U. "Marcus Behmer". Zus. ca. 20 S., eng beschrieben. Gr. 8vo und quer-8vo. Berlin-Charlottenburg 21.III.1951 - 1.IX.1952.
Inhaltsreiche Schreiben an den aus Berlin stammenden Arzt, Bibliophilen, Verleger und Verlagslektor Emil Tuchman (1885-1963), der 1933 nach Frankreich, dann in die USA emigrieren mußte, aber seit 1951 wieder in Paris lebte. Tuchman, der als vielfältig tätiger Bibliophiler in Berlin vor 1933 sicherlich mit Behmer in Kontakt gestanden hatte, unterstützte jetzt nach Möglichkeit den in prekären Verhältnissen in Berlin lebenden Künstler mit Lebensmittel-Paketen. In den vorliegenden, textlich meist umfangreichen Karten und Briefen bedankt sich Behmer für Sendungen Tuchmans und berichtet über seine Situation und seine Tätigkeit. Im März 1951 dankt er für zwei Sendungen, darunter eine Auswahl von 16 Teesorten. "... in Dingen des 'Gaumen'-Geschmacks bin ich von jeher entsetzlich primitiv gewesen, - nun aber obendrein, seit vielen Jahren auch fast völlig 'nasenblind' ... Gesundheit sehr mäßig, nun aber auf anderem Gebiet eine große Erleichterung: letzten Sonntag ... ist mir vom Senat Berlin der 'Kunstpreis' 1951 (für Graphik) verliehen worden. Große Feierlichkeit - mit großer herrlich handgeschriebener Adresse - und ('in Kürze zu erwarten') ein Geldbetrag (2 Mille); für mich eine enorme Hilfe [21.III.1951] ... Im Grunde bin ich, was Essen u. Trinken betrifft, 'erstaunlich' unkultiviert, unraffiniert: ein Fresser u. Säufer, ein richtiger Banause ... (das ist kein Witz, sondern reine Wahrheit!!) - mit der Gesundheit sieht es recht mieß aus: die alte Maschine, an sich gut, solide u. in Harmonie aller Teile konstruiert, versagt nun mehr u. mehr den Dienst ... Armin Renker ... ist sehr gut durch die Zeiten gekommen: seine Büttenpapier-Fabrik geht offenbar gut; er läßt eigene Gedichte u. gesammelte Gedanken als Bücher erscheinen; sein 'Buch vom Papier' in III. Fassung beim Insel Verlag [14.V.1951] ... Und Paris, la douce, ist auch so chère? - Ich hatte (wieso eigentlich?) mir eingebildet, U.S.A. wäre so unvergleichlich teurer als alles andere [13.VI.1951] ... Hier war inzwischen vieles 'los' für mich. Die kleine Ausstellung meiner - zum großen Teil noch nie gezeigten Arbeiten (noch nicht einmal 100 Blatt) in dem einzigen kleinen Raum der Galerie Springer (immerhin in der 'Maison de France', Kurfürstendamm-Ecke Uhlandstraße, dem zentralsten Punkt des heutigen Berlin), - war - nach dem was 'alle Leute' mir sagen, ein 'großer Erfolg' ...". Berichtet dann von Zeitungsrezensionen ("die meisten sehr lieb und nett") sowie von je einer Rundfunk- und Fernsehsendung: "Ich selbst erfuhr von beiden Sendungen erst nachher!! Das ist die 'Einstellung' all dieser Leute von Presse, Funk u. Bildfunk: der Mensch, die Person, das Individuum ist NICHTS, - als nur das 'Material', das Futter, das der Moloch Publicity ununterbrochen frisst ... Dann heißt es aber: 'bedenken Sie, was das für eine Reklame für Sie bedeutet!' ... Einer, vielleicht! unter Tausend nimmt bewußt zur Kenntnis, was er da hört und sieht. - 'Erfolg!' -??- Verkauft ist fast nichts; ein paar Blättchen an den 'Senat' der Stadt Berlin u. an eine 'staatliche' Bibliothek ... Ein Abzug von der radierten Einladungskarte zur Eröffnung macht Ihnen vielleicht ein bißchen Vergnügen: der Wettlauf des Delphins mit dem Tode: ob es eine - noch von mir vorbereitete - Gedächtnis-Ausstellung würde, oder ob ich den Tag der Eröffnung doch noch erlebte ... - es kommt nun der Winter!! wie man den überleben soll?? [10.XII.1951].
"... Mit meinem Neujahrswunsch für 1952 hat es diesmal viel Kummer und Verdruß gegeben: radiert wurde die Platte immerhin noch 1951, am letzten Tag des Jahres. Aber mein junger Freund WH, Werner Haucke, der einzige Kunst-Kupferdrucker - Lehrling in West-Berlin - bekam, kurz vor Abschluß seiner Lehrzeit, einen 18 Flegel-Jahre-Koller, fing an zu bummeln, kriegte ... Krach zu Hause (im Ost-Sektor) und wurde entlassen ... Und doch war es der Gedanke, daß der - sehr begabte, für Kunst und seine Druck-Kunst 'an sich' sehr interessierte - Lausejunge für mich meine Platte drucken würde, - es gewesen, was mir den Elan gab, mit dem Radieren nach vielen, vielen Jahren wieder anzufangen ... Dieser Winter ist hier, bisher, sehr milde gewesen ... Dafür ist die Verdreckung u. Verwahrlosung meiner Bude hier - und meiner ganzen 'Lebens-Haltung' - bis zu einem unbeschreiblichen, unvorstellbaren Grade gediehen. Ein Rätsel, daß ich das aushalte. Aber um eine Änderung herbeizuführen, einen Wechsel, einen Umzug in eine mögliche Behausung, wohl gar mit etwas 'Betreuung' (oder gar Bekochung) ... bin ich viel zu matt, schlapp, unbeweglich, entschluß-unfähig [4.II.1952] ... Sie sehen, daß ich noch immer ein bißchen 'lebe', wenn auch meine Verwahrlosung nun allmählich phantastische und nur noch schwer erträgliche Formen u. Grade angenommen hat, in jeder Hinsicht: Nobelpreise für Graphiker, noch dazu antiquierte, gibt es ja nicht, - u. wenn es sie gäbe: wer sollte, könnte, würde ausgerechnet MB als Kandidaten dafür vorschlagen?? - Sept.-Okt. 52 will Horst Stobbe in München eine MB-Austellung machen; aber auch die wie ja ALLES bei mir: nur für den 'Nachruhm' (an dem nicht zu zweifeln ich größenwahnsinnig genug bin) ..." [3.VI.1952]. Nachdem ihm Tuchman wunschgemäß einen Air-France-Prospekt mit Illustrationen des französischen Zeichners Peynet gesandt hat, ist Behmer überglücklich und äußert sich immer wieder begeistert über diesen Künstler: "... Der Peynet-Prospekt beglückt mich gar nicht allein wegen seiner künstlerischen, ganz unvergleichlichen Höhe, sondern fast noch mehr als ein Zeichen der Zeit: Wenn trotz Sartre (den ich gerade lese) etc. ein Welt-Unternehmen wie Air France, das ja die Psychologen-Mentalität der Massen kennt, so mit den Mitteln reinster, schönster Herzens-Süße, so zarter, feiner Heiterkeit, - Kunden wirbt, so ist Hoffnung - für la douce France, für Europa und für die Menschheit,- auch noch 1952, 53, 54 usw!! ..." [1.IX.1952]. - Erwähnt auch neuere Aufsätze von sich, wie "Sinn und Unsinn des Illustrierens von dichterischen Werken". Es zeigt sich in der vorliegenden wertvollen Korrespondenz, dass auch der über 70jährige Marcus Behmer in Einsamkeit und wirtschaftlicher Not den klaren Blick für seine Situation behalten hat, dabei auch zu Selbstkritik und zu neuer Arbeit fähig ist.

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