Hoffmann von Fallersleben und die Anfänge der Germanistik
Haupt, Moritz, bedeutender Philologe und Germanist, Mitbegründer der modernen Germanistik, befreundet mit Lachmann und Hoffmann von Fallersleben, Professor in Leipzig und Berlin, dort auch Ständiger Sekretär der Akademie der Wissenschaften (1808-1874). 2 eigh. Briefe m. U. "Haupt". Zus. 8 S. Doppelbl. Gr. 8vo. Zittau 31.XII.1834 und 4.I.1836.
An den Bibliothekar und später bedeutenden Sinologen und Botaniker Stephan Ladislaus Endlicher (1804-1849) in Wien. Sehr frühe und außerordentlich gehaltvolle Briefe des jungen Gelehrten aus seiner Heimatstadt Zittau, wo er seinen kranken Vater betreut, sich aber bereits mit großem Eifer der klassischen Philologie und der Germanistik widmet. Die in munterem Ton gehaltenen Briefe (er versucht sich auch mit zwei Witzen) beschäftigen sich mit einer Vielzahl von philologischen Spezialfragen, vor allem mit korrekter Übersetzung und Deutung einzelner Texte des klassischen Altertums. Bei früheren Wien-Besuchen hatte sich Haupt mit Endlicher befreundet, der zu dieser Zeit noch an der Hofbibliothek die Handschriften verwaltete und katalogisierte. Haupt bedankt sich bei seinem "theuersten Freund" noch einmal für die damalige gastliche Aufnahme. "... Ich lebe jetzt sehr in wiener erinnerungen, die Hoffmann's besuch angefrischt hat. die schönen, arbeitsamen und ergiebigen tage, die ich in Wien verlebt habe, werden mir unvergeßlich bleiben ... Hoffmann ist in Leipzig in seinen buchhändlerischen geschäften recht glücklich gewesen, davon wird er Ihnen wohl selbst schreiben, obwohl er, wie ich soeben sah, noch auf dem sofa rastet. - Ihrer grammatischen arbeiten freue ich mich von herzen. ganz abgesehen von dem nutzen, den Ihr antritt zu der ausgabe der grammatiker in materieller hinsicht, d. h. durch Ihren beistand und Ihre hülfe gewinnen muß, ist es gewiß schon deshalb erfreulich, daß Sie dem werke Ihre förderung widmen, weil durch Eichenfeld's hypochondrische ängstlichkeit und duch Reinecke's hinderliche einmischung die ganze sache niemals zu stande gekommen wäre ...".
Er würde gern Endlichers Wunsch erfüllen, nach Wien überzusiedeln. "... indessen will ich Sie gleich im voraus mit einer recension Ihrer grammatiker bedrohen. besser wenigstens als die der fragmente soll sie werden und die jahrbücher nicht ganz verunstalten. ich bin jetzt gerade auch mit der lecture der lateinischen grammatiker beschäftigt, bloß zum behuf einiger weniger anmerkungen über das fragment de generibus vocabulorum. Ich denke bald nach Ostern sollen erscheinen: Gratii et Nemesiani carmina ex recensione M. H. & Accedunt anecdota vindobonensia (1.) der herrliche hymnus, 2.) de generibus vocab., 3.) de miraculis mundi) in dem herrlichen hymnus und in dem tractat über das genus der substantive habe ich einige coniecturen gemacht ... hinderlich an der bearbeitung ist es mir daß ich viele bücher, oft um eines unbrauchbaren citats willen, mir aus Dresden u. Leipzig schicken lassen muß ... Zum gratius habe ich mir eine abschrift des pariser fragments bestellt. Haben Sie doch die güte den schluß des gratius in der wiener hs. noch einmal nachzusehen, vielleicht hat das reagens nachträglich gewirkt ... Hinsichtlich des Charisius habe ich Lindemann ausgeforscht. Unter 5 jahren giebt er ihn gewiß nicht heraus, d. h. - niemals ... Schön wäre es, wenn Sie in Neapel zugleich das fragment des Festus vornähmen; aber freilich würde dieß nicht wenig zeit kosten, da es auf die minutioseste bestimmung der größe der einzelnen lücken ankommt ... Zur medaille gratuliere ich. In Ihrem brief an Hoffmann (der noch immer ohne zu schreiben faullenzt) sind Sie (pace tua dixerim) recht hypochondrisch. Wie hätten denn die fragmente ohne Ihre hülfe ediert werden können? ... mit vollstem rechte heißen die fragmente Ihr und Hoffmann's gemeinschaftliches werk, und daß Sie dies bereuen zeigt zu meiner betrübnis, daß Ihr rastloser fleiß der wißenschaft zwar sehr nützt, aber nicht Ihrem unterleibe. - Zu Ihren gothischen studien viel glück. von einer ausgabe der gothica müßen wir abstehen. Wie mir Maßmann (dem, sowie der leipziger universitätsbibliothek der herr von Fallersleben die fragmente verehrt hat) erzählte, haben zwei Altenburger (wenn ich nicht irre ist einer davon der mandschurische Gabelenz) in Upsala den codex argenteus sorgfältig verglichen zum behuf einer ausgabe des Ulfilas, die sie veranstalten. - Ein ahd. handwörterbuch wäre freilich ein verdienstliches werk, da Graff's opus allzu abenteuerlich ist; aber ich getraue mich nicht, es zu unternehmen, Hoffmann wohl eher. Es gehört viel dazu, althochd. sachen zu behandeln, wie Lachmanns (noch nicht aufgegebene) ganz ausgezeichnet herrliche abhandlung über das Hildbrandslied auf's neue lehrt. Hoffm.[ann] ist im althochd. weit mehr zu Hause als ich. Helfen wollte ich übrigens gern. Für die nächste zeit wird Hoffm. durch ein neues collegium (encyclopädie der deutschen philologie), durch den 2ten theil der pfundgruben und den 3tten der Horae belgicae vollauf beschäftigt sein. - unsere blätter werden recht hübsch. ohne alle vorrede wird das erste heft durch vielseitigkeit unsere tendenz zeigen. Für das zweite heft hoffen wir interessante beiträge von Wackernagel. vergeßen auch Sie uns nicht, zunächst mit den chinesischen thiermärchen. Daß Ihr Schi-king bloß für sprachkundige bestimmt ist bedauere ich a-sinus (der Witz ist mir verunglückt) ... Auf den catalog freue ich mich; Sie werden dadurch eine scharte der hofbibliothek auswetzen; Mosel's geschichte nämlich ist doch gar zu nichtig ..." [31.XII.1834].
Im zweiten Brief, zwei Jahre später, nimmt er betrübt zur Kenntnis, dass von der Hofbibliothek und den mittelalterlichen Handschriften zum Naturaliencabinet übergewechselt ist. "... eigentlich thut es mir leid Sie von der bibliothek gschieden zu wissen. wie viel schönes würden Sie noch in handschriften, einbänden und fidibusstreifen entdeckt haben! und was wird denn nun aus den analecten und aus dem handschriftencataloge? Geben Sie nur nicht etwa über der naturgeschichte die philologie ganz auf, das würde mich in stille Wuth versetzen ...". Bringt dann doch noch eine bibliographische Bitte vor, die ihm - mit Recht - einigermaßen peinlich ist: "... mein vielerwähnter gratius sammt anhang könnte längst im druck sein, wenn ich nicht die ciceronischen aratea mitherausgeben wollte. hierzu bedurfte ich einer collation, die denn endlich vor einigen tagen aus Paris angelangt ist. während ich auf diese warte, kommen mir auf unerklärliche weise einige blätter des fragmentarischen tractates über die genera nominum, dessen nachweisung wie fast mein ganzes buch ich Ihnen verdanke abhanden und mir bleibt nur die vermuthung übrig daß ich diese blätter aus versehen mit alten papieren verbrannt habe. dieser verlust ist mir um so empfindlicher, weil ich mir bewußt bin auf dieses fragment nicht geringen und nicht erfolglosen fleiß verwendet zu haben ...". Bittet nun Endlicher, die verlorenen texte in der Hofbibliothek noch einmal mit allen Details und Formaten für ihn abzuschreiben. "... Ich schäme mich in der that meiner zumuthungen; aber Sie allein können mir helfen ...". -
Mit den "altdeutschen Fragmenten" sind die "Fragmenta theotisca" gemeint, die Endlicher gemeinsam mit Hoffmann von Fallersleben bearbeitet und 1834 bei Gerold in Wien herausgegeben hatte. Haupt hatte noch im selben Jahr eine ausführliche Besprechung geliefert. - Die genannten Friedrich Lindemann, Hans Ferdinand Maßmann, Hans Conon von der Gabelentz (der 1833 eine mandschurische Grammatik herausgegeben hatte) und Wilhelm Wackernagel waren ebenso Philologen wie die noch berühmteren Karl Lachmann und Hoffmann von Fallersleben. - Mit "unsere Blätter" meint Haupt die Zeitschrift "Altdeutsche Blätter", die er gemeinsam mit Hoffmann von Fallersleben 1836-1840 herausgab. - Haupts Handschrift zeigt zu dieser Zeit übrigens eine verblüffende Ähnlichkeit mit der eines anderen großen Germanisten: Jacob Grimm.
Holz, Arno, Lyriker, Dramatiker und Satiriker, Vorkämpfer des literarischen Naturalismus (1863-1929). Rundschreiben in faksimilierter Handschrift, einschließlich der Unterschrift "Arno Holz". 1 S. Doppelblatt. Gr. 8vo. Berlin 25.X.1913.
Der ewig in Geldnöten befindliche Dichter wendet sich hier in einem Faksimiledruck seiner schönen Handschrift an seine Leser, mit dem Anliegen, finanzielle Zuwendungen zu erhalten. "... Unter ergebner Bezugnahme auf die Anlage, Seite 6, zweite Hälfte, ... richte ich hierdurch an alle diejenigen, die damals so hilfsbereit gütig waren, sich an jener Sammlung für mich zu beteiligen, die herzliche Bitte, mir ihre betreffenden Beträge, falls möglich, gütigst nochmals zuzuwenden, indem ich mir dann erlauben würde, diese Summen als erhaltene Darlehen zu betrachten ... Es ist möglich, daß auch dieser Versuch, meine Arbeit und Tätigkeit, die ich für unsre deutsche literarische Entwicklung nach wie vor von erster, grundwertiger Bedeutung halte, dieser Entwicklung zu erhalten, wieder scheitern wird, aber ich hätte mir dann wenigstens nicht den Vorwurf u machen, durch feiges, unzeitiges Verschweigen meiner Lage diese Lage selbst zu einer, wie ich sonst überzeugt wäre, dauernd aussichtslosen gemacht zuhaben ...". - Einer jener "aggressiven Bettelbriefe", mit denen er prominente Schriftsteller und Künstler "überfiel". Holz hauste in Schöneberg in einer armseligen Dachkammer, "vollgekramt mit verstaubten Manuskripten" (Voß, Reiseführer für Literaturfreunde: Berlin).
- Eigh. Brief m. U. "Arno Holz". 2 S. (Bleistift). Doppelblatt. 4to. O. O. 31.VIII.1925.
Ausführlicher Beschwerdebrief an den Dietz-Verlag, wegen der säumigen Drucklegung des letzten Bandes seiner 10bändigen Werkausgabe. "... Allen Versprechungen, die mir die Druckerei bisher immer wieder und wieder gemacht hat, zum Trotz, bedaure ich, Ihnen unter dem heutigen Datum erklären zu müssen: mein Werk, dessen sämtliche einschlägige Schlußmanuskripte ich mehr als genügend rechtzeitig abgeliefert habe, wird verspätet fertig und wir erleben mit ihm einen so gut wie sicheren buchhändlerischen Reinfall, wenn nicht jetzt endlich, noch in elfter Stunde, vom Verlag aus ein allerheiligstes Donnerwetter dazwischen fährt und die Druckerei dadurch veranlaßt wird ... endlich auch ihre Versprechen zu halten!!! ..." (etc.). Erörtert die Seiten, die Termine, die Ergebnisse und gelangt zu der Bilanz: "... und so bleibt mir nichts übrig, als für alle Eventualität schon heute 'meine Hände in Unschuld zu waschen'! ...". - Gelocht.
Kerner, Justinus, Arzt und Dichter (1786-1862). Eigh. Brief (Billet) m. U. "Dr Kerner". 1 S. 8vo. Weinsberg 27.XI. o. J.
An einen Verleger. "... Ich sollte nothwenig wissen, wie weit jezt das übersandte Manuscript (mit dem hier folgenden) reicht, um die fernere Abtheilung und Sendung darnach richten zu können ...". - Beiliegend eine neuere fotografische Reproduktion eines Kerner-Porträts (ganze Figur, sitzend).
Klabund (d. i. Alfred Henschke), Dichter und Übersetzer (1890-1928). Eigh. Brief m. U. "Klabund". 2 S. Doppelblatt. Kl. 4to. Davos (Schweiz) 16.I.1928.
Im Jahr seines frühen Todes an Paul Barnay, Intendant der Vereinigten Breslauer Bühnen. "... interessiert Sie eine neue russische Komödie , die im heutigen Russland spielt: 'Die Liebe auf dem Lande' von J. M. Woikow, 1 Frau, 4 Männer. Ich habe die Übersetzung ein wenig poliert. Die gemeinsame Uraufführung mit Hamburg wäre noch frei ... Warum spielen Sie 'Kirschblütenfest' nicht? großer Erfolg überall. (Die 25. Aufführung ist dieser Tage in Hamburg, die Première in Wien dieser Tage.) ...". - Lochung unterlegt; kleine Tintenverwischung. - Dabei: Derselbe. Eigh. Postkarte m. U. "Klabund". 1 S. (Bleistift). (München 20.VI.1924). - An den Schriftsteller und Feuilletonisten Ephraim Frisch in München. "... ich versuchte (vergeblich) Sie heute anzutelefonieren. Ich bin einige Tage in München, wohne Herzogstr. 42/III l, schreiben Sie mir, wann und wo ich Sie sprechen kann ...".
"pour les vers je suis liés"
Lamartine, Alphonse de, franz. Schriftsteller und Politiker, führender Lyriker der franz. Romantik (1790-1869). Eigh. Brief m. U. "Lamartine". 2 S. Doppelblatt mit Adresse. Gr. 8vo. St. Point 8.VII.1836.
An Charles Buloz, Chefredakteur der "Revue des deux Mondes". Bedankt sich für dessen Angebot zur Zusammenarbeit. "... Mais que faire seul? La Politique est aux oeuvres collectives. Or j'ai un gout trop invincible pour la Politique pour écrire en prose autre chose? Il n'y a que les vers qui de tems en tems méritent d'être écris pour eux mêmes et vous savez que pour les vers je suis lié. À mon retour à Paris si nous trouvons à nous réunir quatre ou cinq têtes dans une même pensée je ne dis pas non. Jusque là je ne vois pas la de quoi me décider à renoncer à mon oisif loisir politique où la chambre m'a laissé et où je reste avec délice ...".
Lamartine als Revolutionär
- Eigh. Brief m. U. "Lamartine". 2 S. Gr. 8vo. O. O. (April 1848).
An eine gleichgesinnte Dame im Revolutionsgeschehen. "... Je suis bien fier d'un parail aide de camp dans la campagne que nous faisons pour la liberté et sous l'esprit humain. Je connais les faits de l'armée et je les combats de toutes mes forces ... Dans deux jours je serai libre d'aller diner avec notre prophète que je venere autant que je l'aime ...". - Im April 1848, nachdem Lamartine Außenminister und Chef der provisorischen Regierung geworden war, wurde
er zum Mitglied der verfassunggebenden Versammlung für die (kurzlebige) Zweite Republik gewählt.
Lasker-Schüler, Else, Dichterin (1869-1945). Eigh. Postkarte m. U. "Else Lasker Schüler". 11/2 S. Berlin 26.I.1929.
An Dr. J. Veith in Prag. "... Mein Peter-Hille Buch ist noch nicht übersetzt. Ich allein kann die Erlaubniß geben, da Cassirers Verlag von mir und Anwalt verboten wurde eine neue Auflage zu drucken ...". - Beiliegend eine neuere fotografische Reproduktion eines Lasker-Schüler-Porträts.
- Eigh. Postkarte m. U. "O. Loerke". 1 S. Bad Mergentheim 19.VIII.1930.
An Armin Schönberg in Dresden, der ihn um eines seiner Bücher gebeten hatte.
"... vielen Dank für Ihren Brief und die vielleicht zukunftsverheißende Beilage. - Ich bin krank und gebrauche hier die Kur. Ihren Wunsch kann ich in absehbarer Zeit nicht erfüllen, da fast jeder, der meine Bücher lesen will, mich darum bittet. Ich muß meine Bücher selbstverständlich zum Verschenken auch kaufen, und meine Arbeit ist ohnehin opfervoll genug. Verzeihen Sie mir, daß meine materielle Kraft nicht groß genug ist ...". - Gebräuntes Papier.
- Eigh. Brief m. U. "Heil Hitler! Oskar Loerke". 2 S. Gr. 4to. Berlin-Frohnau 17.VIII.1940.
An Herrn Puschmann, der sich kritisch zu der Auswahl der Texte in der zweibändigen Anthologie "Deutscher Geist. Ein Lesebuch aus zwei Jahrhunderten" geäußert hatte, die, herausgegeben von Oskar Loerke und Peter Suhrkamp, 1940 bei S. Fischer erschienen war. Loerke bemüht sich, die Einwände zu entkräften. "... selbstverständlich, wo es sich um fast 2 Jahrhunderte und viele Leser handelt, tauchen so viele Fragen auf, daß kein Einzelner die Zeit aufbrächte, sie so, wie es sein sollte, zu erörtern. Mit [Franz] Kugler haben Sie völlig recht. Der Text ist ein Auszug aus dem französischen Original Friedrichs [des Großen], doch schien uns Kugler durch sein großes biographischens Friedrichbuch, vor dem aber die Forschung nicht Halt gemacht hat (sodaß andere Stücke weniger geeignet erschienen) gerechtfertigt als Urteilender, die deutsche Fassung Prägender und Auswählender herangezogen zu werden. Neue Übersetzungen haben wir nicht gebracht, aber eine ganze Anzahl von Zitaten. Friedrich hat ja auf das deutsche Geistesleben einen so ungemeinen Einfluß gehabt, daß wir ihn berücksichtigen mußten. Etwas Deutsches außer etwa den unwesentlichen Briefen an den Kammerdiener Fredersdorf war nicht da ...". - Ein weiterer Kritikpunkt des Lesers war die Mörike-Auswahl. Loerke erwidert: "... Bei Mörike bitte ich Sie, die Composition der ganzen beiden Bände des 'D. G.' zu berücksichtigen. M. zeichnet sich gerade durch die Trockenheit seines Berichtes aus, vergegenwärtigen Sie sich bitte Justinus Kerner, Die Blätter von Prevost, M's eigenen Maler Nolten u.s.w. Der Beitrag ist durch seine Anschaulichkeit, durch die herbeigezogenen Zeugenschaften und dadurch, daß er der einzige aus diesen Grenzgebieten in den zwei Bänden ist, wohl nicht unwürdig. So treten auch sonst manche Dichter hier nicht als Dichter (selbst nicht in der Zwitterform einer dichterischen Prosa) auf, sondern eher als gut und einfach darstellende Prosaiker. Übrigens wäre von Mörike noch ein Brief über drei Zeichnungen von Schwind in Betracht gekommen, aber über bildende Kunst hatten wir bereits genügend und bedeutsameres Material ...". - Bemerkenswerte Offenbarung der Auswahlkriterien Loerkes und Suhrkamps bei dieser als besonders repräsentativ beabsichtigten Anthologie.
Mann, Heinrich, Bruder Thomas Manns, Schriftsteller (1871-1950). Eigh. Brief (Billet) m. U. "Heinrich Mann". 2/3 S. Doppelblatt. Kl. 4to. Riva (Tirol) 12.I.1905.
An einen Verleger oder Redakteur. "... Am 5. d. M. kündigten Sie mir die erfolgte Absendung meines Honorars an. Ich glaube Ihnen mittheilen zu sollen, daß ich nichts bekommen habe, damit Sie eventuell bei der Post reklamiren können ...". - Gelocht. - Beiliegend ein Porträtfoto Manns (neuerer Hochglanz-Abzug). - Ferner beigegeben: Johannes R. Becher, expressionistischer, später kommunistischer Lyriker, Nationalpreisträger und Kulturminister der DDR (1891-1958). Eigh. Postkarte m. U. "Johannes R. Becher". 1 S. (Bleistift). München, Krankenhaus links der Isar, 4.I.1915. - An den Schutzverband deutscher Schriftsteller in München. Dankt für deren Brief, auf dessen Inhalt er wegen seines Krankenhaus-Aufenthaltes im Moment nicht eingehen könne. "... Also, wenn Sie die Güte haben, mein Ersuchen zu erfüllen, bitte die neue Adresse zu beachten." - Mit Empfänger-Vermerk: "Unerledigt! Eilt!"
Mann, Thomas, Schriftsteller, Nobelpreisträger (1875-1955). Eigh. Postkarte m. U. "Thomas Mann". 1 S. München 9.VIII.1919.
An Adolf Linne in Bremen. "... Ihre Art, mir über die 'Betrachtungen' zu schreiben, hat mich besonders wohlthuend berührt. Nehmen Sie meinen Dank und herzlichen Gruß! ...". - Manns "Betrachtungen eines Unpolitischen" waren im Vorjahr erschienen. - Die Schriftseite durch Poststempel-Spuren beinträchtigt.
Rilke über die Natur der Liebe
Rilke, Rainer Maria, Dichter und Übersetzer (1875-1926). Eigh. Brief m. U. "RM Rilke". 4 S. Doppelblatt. Kl. 4to. Paris 12.XI.1913.
Sehr schöner Brief an den früh-expressionistischen Dramatiker Reinhard Johannes Sorge (1892-1916, in Frankreich gefallen), dessen Drama "Der Bettler" 1912 bei S. Fischer erschienen war. "... ich habe Ihre Adresse vermerkt und und lasse bald dorthin das versprochene Buch folgen; es zeigt sich, dass ich kein gebundenes Exemplar hier habe und ich bestelle nun eines, das mir der Inselverlag mit dem nächsten Postpaket mitzusenden haben wird ...". Schickt vorläufig schon den Insel-Almanach und "die von mir übertragenen fünf Briefe der bekannten portugiesischen Nonne" [das 1913 in der Insel-Bücherei erschienene Bändchen "Portugiesische Briefe. Die Briefe der M. Alcoforado"]. "... Ihr 'Bettler', dessen Sendung Sie mir damals freundlich anzeigten, ist mir nicht zugekommen; ich merke eben, aus der Zusendung der Rundschau, daß der Fischer'sche Verlag noch meine spanische Adresse verwendet, vielleicht ist auch Ihr Buch über diesen Umweg gegangen und findet mich doch eines Tages hier. Übrigens habe ich es mir gleich damals nach Ihrem Besuch in München beim Buchhändler geholt, und gelesen hab ich es mehr als einmal mit aufmerksamster Theilnehmung. - Ich habe den Sommer über soviel Eindrücke intensiver und starker Art gehabt, daß es mir jetzt Mühe machen würde, bei nicht recht geordnetem Innern, die Antheile herauszuheben und zu beschreiben, die ein einzelner Gegenstand, Ihr Buch, innerhalb eines großen Umkreises von Einflüssen besitzt. Jedenfalls bin ich Ihnen durch diese Vorbereitung nahe genug gekommen, um Ihre künftigen Schriften so herzlich zur Hand zu nehmen, wie ich mir das bei unserer kurzen Begegnung wünschte. - Für Rom, das mir so sehr lieb war und ist, wünsch ich Ihnen alles Günstige, und das es die Art fände, Ihnen seine Größe großmüthig beizubringen; es ist vielleicht der Orst innerhalb der europäischen Kultur, an dem sich alles am zeitlosesten hinnehmen und verwenden läßt ... Die Briefe der Nonne aus dem Hause Alcoforado gehörten seit Jahren zu den Erscheinungen, die an gewissen inneren Wendungen meines Weges über rechts oder links entschieden haben. Ich bewunderte in ihnen zweierlei; das unermeßliche Hinauswachsen der großen Liebe über diesen (unzulänglichen) Geliebten: (woraus sich mir die Vermuthung nahelegte, daß es die Natur der Liebe sei, über jeden, auch den besseren und höheren Geliebten, maaßlos hinauszuwachsen;) - und dann: die Redlichkeit, die beinah obstinate Genauigkeit dieser Liebenden ihrem immensen Gefühl gegenüber, indem sie es nicht, von dem Treulosen fort, auf Gott hinbezog, wozu in der Heftigkeit dieses Gefühles selbst, in ihrer Verzweiflung, ja sogar in ihrem Stand soviel Anlaß gewesen wäre. Eine Nachschrift, in der das alles sollte angemerkt werden, habe ich, da meine Auffassung in manchem sich verschoben hat, im letzten Augenblick fortgelassen ...". - Rom und die portugiesische Nonne standen jetzt im Mittelpunk von Sorges Interesse, denn er war in diesem Jahr mit seiner Frau zum katholischen Glauben konvertiert. - Sorges Besuch im Jahre 1912 bei Rilke im Münchener Hotel "Marienbad" wird in der Rilke-Chronik von Schnack-Scharffenberg nicht erwähnt. - Wenige kleine Stockfleckchen; inhaltlich prächtiger, gehaltvoller Brief.
Ein frühes Gedicht Friedrich Rückerts?
Rückert, Friedrich (?), Dichter, hervorragender Orientalist und Übersetzer (1788-1866). Eigh. Gedichtmanuskript. 13/4 S. 8vo. O. O. März 1808.
"Der Dichterruhm". 7 Strophen zu je 6 Zeilen: "Freunde, laßt euch nicht betrügen! / Klein' und große Dichter lügen, / Wenn sie keck dem Ruhme schmähn. / Jeder träumt von Lorbeerkränzen, / Jeder will in Marmor glänzen, / Aber keiner wills gestehn. - Saaten, die für Ewigkeiten / Schillers weise Hände streuten, / Giebt er euch für Blümlein nur, / Die, dem Boden kaum entsprosset, / Schnell in Saamen aufgeschosset, / Welkend schwinden ohne Spur. - Mir auch ist in vorgen Jahren / Wohl ein solches Wort entfahren, / Stolz von außen, innen leer; / Ich auch schmähte keck dem Ruhme, / Trat in Staub des Lorbeers Blume, / Doch nun thu' ich das nicht mehr ...". - Von dem Antiquar Rosenthal im Jahr 1885 ohne jedes Bedenken dem 20jährigen Rückert zugeschrieben, wie der beiliegende Orig.-Katalogzettel mit hohem Preis-Ansatz ("M. 22.-") zeigt. Ein weiterer Vermerk auf dem Zettel besagt, dass Rosenthal das Gedicht am 13.9.1888 dem Schriftsteller Karl Emil Franzos verkauft oder zumindest angeboten hat. Die Handschrift des durchaus originellen Textes passt in der Tat zu dem jungen Rückert. Das Blatt guten Schreibpapiers ist offenbar aus einem Buch, vielleicht einem Notizbuch Rückerts, herausgetrennt. - Gering braunfleckig.
Saar, Ferdinand von, österr. Schriftsteller, bedeutender Erzähler (1833-1906, starb durch Selbstmord). Eigh. Manuskript eines Dramenfragments, mit nachträglicher Widmung u. U. "Ferdinand von Saar". 12/3 S., halbspaltig eng beschrieben. Gr. folio. Döbling 31.X.1869.
Erste Niederschrift vom Anfang des erst 1875 veröffentlichten Trauerspiels "Die Beiden de Witt". Mit mehreren Streichungen und Verbesserungen. "Erster Akt. Ein Platz im Haag. Es ist Nacht. Rechts mit einigen angrenzenden Häusern und erleuchteten Fenstern die Taverne zum Delphin, aus deren Innerem beim Aufziehen des Vorhanges wüster Lärm erschallt und mehr und minder gedämpft, die ganze erste Scene hindurch fortdauert. - Erste Scene. Johann Bareel und Junker van der Mögel treten im Dunkeln auf ...". Der Text umfaßt die gesamte dialogreiche erste Szene. Darunter die Widmung: "Hasi (?) Max zur freundlichen Erinnerung. Döbling 31 Oktober 1869. Ferdinand von Saar". - Faltenrisse; mehrere Wasserflecken.
Sand, George, (d. i. Amantine Lucile Aurore Dupin, Baronin Dudevant), französ. Schriftstellerin, befreundet mit vielen großen Musikern und Schriftstellern (1804-1876). Eigh. Brief m. U. "G Sand". 3 S. Gr. 8vo. Paris 25. II. (ca. 1843/1844).
Nach einem verlorenen Prozess an ihren Rechtsanwalt, den sie mit Weisheit und Festigkeit zu trösten bemüht ist. "Quand on gagne son procès on est plus préssé de remercier son avocat que quand on l'a perdu, et c'est mal, c'est ingrat, c'est lâche. Pourtant je suis tombée dans ce péché et vous devriez ne pas me le pardonner. Je ne le pardonne pas à moi-même. Quoique ce ne soit pas aucune des mauvais sentiments que je signale, que j'ai été paralysée. J'ai eu toutes sortes de troubles et de contentions d'esprits depuis quelque temps. Je n'étais bonne à rien, et j'attendais pour vous aller voir, comme éclaircie dans mon cerveau. J'irai maintenant, je demanderais à Monsieur Bourdet à quel moment on ne vous dérange pas en vain donnant une poignée de main. Vous avez admirablement plaidé ma petite affaire, à ce qu'on m'a dit. Vous ne pouvez pas plaider autrement et vous y avez mis tout le zêle possible, je le sais. Le tribunal a fait une erreur, je le crois, mais un autre tribunal la réparera, je l'espère. Ainsi n'ayez pas de regret, et croyez bien que je suis toujours aussi fière de vous avoir pour défenseur dans mes grands ou petits procès. Gardez moi votre bienveillance et ne me jugez pas ingrate. J'ai été dans ces derniers tems, dans une situation d'esprit exceptionelle qui m'avait fait oublier toute affaire positive de la vie. Vous savez qu'on a de ces crises-là. Quand elles sont passé, on s'effraye d'être en retard avec les savoirs les plus sérieux et les plus doux ...". - Im Text 2 kleine Brandflecken von Funkenflug. - Inhaltlich schöner, gehaltvoller und charakteristischer Brief.
Über Feuerbach, Makart und Spanien
Schack, Adolf Friedrich Graf von, Dichter, Literatur- und Kunsthistoriker, Diplomat, bedeutender Kunstsammler und Mäzen, Gründer der nach ihm benannten Galerie in München (1815-1894). 3 Briefe, davon 2 mit eigenh. Unterschrift "A F Gf v Schack", der dritte m. U. "Adolf F. Gf. v. Schack" von Sekretärshand. Zus. 8 S. Jeweils Doppelbl. 8vo und gr. 4to. München 1884-1887.
An die Wiener Schriftstellerin und Saloniere Rosa von Gerold. 1881 hat er Anlaß, sich für eine Reisebeschreibung von ihr zu bedanken: "Eine Herbstfahrt durch Spanien". "... Ich habe dieselbe bereits mit dem größten Interesse gelesen und werde noch oft zu dieser überaus anziehenden und fesselnden Lectüre zurückkehren. Ich spreche es als meine aufrichtige Meinung aus, daß unter allen Schilderungen Spaniens, die mir seit vielen Jahren zu Gesichte gekommen, die Ihrige die weitaus gelungenste ist. Sie haben das herrliche Land mit offenem Sinne für seine Naturschönheiten, wie für seine Kunstschätze und großen historischen Erinnerungen, gesehen und in der Wiedergabe Ihrer Eindrücke ein glänzendes Talent der Darstellung bewährt ... Namentlich Ihre begeisterte Schilderung des wundervollen Granada hat mich ganz wieder in die alte Maurenstadt versetzt, welche ich, nebst ihrer Umgebung - auch nach den vielen Reisen, die ich sonst gemacht - für den schönsten Punkt der Erde halte. Für so vieles in meinen Schriften - so für eine bedeutsame Partie des 'Lothar', für die Lieder aus Granada in meinen Gedichten, für den fünften Gesang von 'Durch alle Wetter', wie für die 'Poesie und Kunst der Araber', habe ich die Anregung in Spanien, und vermutlich in Andalusien, empfangen; und daß diese meine Werke in Ihnen eine freundliche Leserin gefunden haben, beglückt mich hoch. Der schönste Lohn für den Dichter ist doch, in anderen Seelen ein Echo für das zu finden, was er selbst in Momenten der Begeisterung ausgesprochen hat ..." [8.XII.1881]. - Am 8. Februar 1884 kondoliert er ausführlich zum Tode ihres Mannes, des Verlegers Moritz von Gerold. "... Das beste Mittel, um sich aus solchem Schmerz emporzuraffen, ist sicher ernste geistige Beschäftigung, und man kann Sie beglückwünschen, daß Sie sich dieser zugewandt haben. Die erste Frucht derselben, "ein Ausflug nach Athen und Corfu", ... hat mein lebhaftes Interesse erregt ... Mir ist sowohl die Insel der Phäaken, wie die Stadt des Perikles durch wiederholte Aufenthalte bekannt, und es hat mir hohen Genuß gewährt, in Ihrer Schilderung alle die geliebten Stätten wieder an mir vorüberziehen zu lassen. - Für die Zusendung der nachgelassenen Schriften Feuerbach's bin ich Ihnen gleichfalls ungemein verbunden. Hätte dieser treffliche Künstler nur einen Theil der Anerkennung, die ihm jetzt ziemlich allgemein gezollt wird, noch selbst erlebt! Allein das Gediegene scheint sich nur immer langsam Bahn brechen zu sollen, während das äußerlich Gleißende, innerlich Hohle immer auf dem großen Markte bewundert wird! - Mit Makart wird es umgekehrt gehen, als mit Feuerbach: er hat bei seinen Lebzeiten die Augen des Publikums geblendet; nun er gestorben, wird sein Ruhm sicher von Jahr zu Jahr mehr verblassen. - Es ist dies seit siebenzehn Jahren der erste Winter, den ich in Deutschland zubringe. Eine Neuralgie, an der ich schon seit dem Sommer leide, ... hält mich hier fest ...". - Am 21. August 1885 schreibt er: "... Gestatten Sie mir, Ihnen beifolgend mein Bildniß, wie es nach dem Lenbach'schen Gemälde in meiner Gallerie nicht ohne Glück reproducirt ist, zur Erinnerung an mich zu übersenden ...". - Wegen eines Augenleidens hat Schack in späteren Jahren seine Briefe meist diktiert; in unserem ersten Brief ist auch die Unterschrift vom Sekretär geschrieben. - Beiliegend ein längerer Artikel von G. Winkler, "Die letzten Lebenstage des Grafen A. F. v. Schack und sein Tod", erschienen in der Zeitschrift "Über Land und Meer".
Schickele, René, Elsässer Schriftsteller und Pazifist, Herausgeber der expressionistischen "Weißen Blätter" (1883-1940). Eigh. Brief m. U. "RS". 1 S. Doppelblatt. 8vo. Fürstenberg in Mecklenburg 7.XII.1913.
An den Schriftsteller Emil Faktor, Feuilletonist und Kritiker des "Berliner Börsen-Courier" (1876-1942, starb im Ghetto Litzmannstadt). "... mein Verlag soll Ihnen heute meinen neuen Roman schicken. Ich glaube, dass er Ihnen gefällt. Es ist Klassik. Nicht wahr, dies oder das Gegenteil sagen Sie aber im 'Börsencourier' möglichst früh vor Weihnachten? ... Ich lege die Kritik über Shaw bei - den Chesterton habe ich gleich aufgenommen. - Bis nach Fürstenberg ist das Gerücht von Ihrer Verlobung gedrungen. Wenn es wahr ist, freue ich mich sehr für Sie und wünsche Ihnen die grösste Freude unbedingter Gemeinsamkeit und gemeinsamer Tapferkeit inmitten der neudeutschen Barbaren ...". - Mit dem "neuen Roman" ist wohl "Schreie auf dem Boulevard" gemeint, erschienen 1913 in Schickeles "Verlag der Weissen Bücher".
Arno Schmidts letzter Geburtstag
Schmidt, Arno, Schriftsteller, der "Bargfelder Eremit" (1914-1979). Eigh. Unterschrift "Arno Schmidt" auf einer handschriftl. Briefkarte m. U. seiner Frau Alice Schmidt. 2 S. Quer-8vo. Mit hs. Umschlag. Bargfeld 28.II.1979.
Ausführliche Geburtstags-Glückwünsche an Irene Schlotter, die Witwe des mit den Schmidts befreundeten Graphikers Eberhard Schlotter, sowie über Arno Schmidts eigenen Geburtstag. "... In's beiliegende Buch ab und an einmal hineinzuschauen, wird Sie sicherlich hinten im Register der eine oder andre bekannte Name verlocken. - Und nun haben wir uns noch für Ihren lieben Weihnachtsbrief zu bedanken und die Geburtstagsgratulation für Arno gefreut. Den konnten wir schon, leichte Gläser klingend, in unserm neuen Archivraum begehen - war ja auch trotz des bösen Wetters auf ein paar Stunden die Verlegerin extra aus Frankfurt gekommen - sich diese Gelegenheit, Arno Schmidt persönlich kennen zu lernen, wahrnehmend. Und denken Sie, was für ein Geschenk sie mitbrachte (wie hätte das Ihren lieben Mann interessiert!) eine echte Kupferradierung von Giovanni Battista Piranesi's Römischen Veduten ... Und über Eberhard's Mappe, die uns Rauschenbach überreichte, hat sich mein Mann natürlich riesig gefreut. Er wird's Ihnen ja selbst noch schreiben. (Meinte erst, er käme zu Ihrem Geburtstag und da sei Zeit, es Ihnen zu sagen.) ...". Sie übersendet auch einen Prospekt zu der "Verlagsgeburtstagsgabe" ihres Mannes", die durch äußere Umstände erst verspätet erscheinen werde. - Arno Schmidt verstarb rund drei Monate später. Dass auch Alice Schmidt literarische Qualitäten aufzuweisen hatte, zeigte sich bei der Veröffentlichung ihrer Tagebücher. - Beiliegend die farbige Filzstiftzeichnung eines Hundekopfes mit der Aufschrift "Attikus!"
Stammbuch eines Musikers aus Auligk (Sachsen). 172 (st. 190) pag. Seiten, 4 unpag. Bl. Mit 1 Aquarell, 1 Grisaille-Zeichnung, 2 Federzeichnungen, 1 Bleistift-Zechnung, 1 Porträt-Silhouette, 1 kolor. Kupferstich, 1 Seidenstickerei und 3 S. Musiknoten. Quer-gr. 8vo. Lederband d. Z. (stärker beschabt, Rücken mit Defekten) mit Resten von Vergoldung sowie Goldschnitt und marmor. Vorsätzen. 1782-1807.
Mit Beiträgen von Verwandten und Freunden, zumeist in Pegau, ferner Auligk, Groitzsch, Sülzen, Leipzig, Annaberg, Altenburg und Klein Görschen. Der Inhaber spielte offenbar in gesellschaftlichen Ensembles in Pegau, so dass sich etliche Musiker unter den Beiträgern finden: Johann Ad. Apel (Herzogl. Meiningischer Kammersänger, Pegau 1797), Christian Gotthold Löwe (bezeichnet sich als "Music: Instr.", Pegau 1788), Gotthold David Löwe (Stadtmusicus in Pegau, 1788), Adr. Heinrich Kuppermann (Federzeichnung mit Stilleben von 10 Instrumenten) und Christian Gottlieb Kleeberg (1766-1811, Organist, Komponist, Musikdirektor), der 1785 in Leipzig eine komplette "Angloise" für 2 Violinen, 2 Oboen, 2 Hörner und Bass auf zwei Seiten des Stammbuchs schreibt. - Auch bildende Künstler wie der Maler und Radierer Johann Salomon Richter sind vertreten (Leipzig 1782). - Leider laut Paginierung insgesamt 28 Seiten (14 Bl.) von früheren Stammbuch-Fledderern herausgetrennt; stärkere Gebrauchsspuren; Heftung gelockert. - Dabei: Stammbuch-Kassette der Marie Jüncke in Danzig. 12 Bl. Mit 4 sehr feinen Blumen-Aquarellen. 16mo. Lose Bl. mit Goldschnitt in Papp-Kassette d. Z. (Ecken bestoßen) mit Gold- und Blindprägung sowie dem Namen "Marie Jünke"[sic] auf dem Vorderdeckel. Imitierter Goldschnitt. Danzig 1845-1849. - Zierliches Kassettchen aus dem deutschen Danzig; unter den Beiträgern eine Mathilde Trojan, wohl eine Verwandte des aus Danzig stammenden Schriftstellers Johannes Trojan.
- eines Friedrich Funk in Leipzig. 65 Bl., davon 32 S. beschrieben oder illustriert. Mit 8 Aquarellen, 1 aquarell. Federzeichnung, 2 Bleistiftzeichnungen, 2 kolor. Kupferstichen und 1 rosa Seidenband. Quer-8vo. Dunkelgrüner Pappband d. Z. (Ecken und Kanten etwas bestoßen und beschabt) mit Rückenvergoldung und goldgepr. Deckelbordüre. Im Pappschuber d. Z. (dieser beschabt und etwas defekt). 1816-1820.
Unter den Abbildungen 4 Burgruinen, ferner Freundschaftsaltäre, 1 kniender Mönch und anderes. Lose einliegend 2 holländ. Kupferstiche mit Ansichten. Alle Zeichnungen recht laienhaft. - Durchgehend schwach stockfleckig.
Stammbuch-Kassette
der Friederike Schwarz aus Herford + Beigabe
Los 2554
Zuschlag
140€ (US$ 151)
Stammbuch-Kassette der Friederike Schwarz und ihres Bruders aus Herford. 35 Bl. Mit 1 Seidenstickerei, 1 aquarellierten Federzeichnung, 2 Aquarellen, 1 Bleistiftzeichnung und 1 kolor. Kupferstich. Lose Bl. mit Goldschnitt. Quer-8vo. Marmor. Papp-Kassette mit vergold. Bordüren und grünen goldgepr. Deckelschildern mit dem Aufdruck "Denkmal der Freundschaft". Im marmor. Pappschuber d. Z. 1806-1821.
Offenbar gemeinsam gefüllte Kassette eines Geschwisterpaares in Herford, wo der größte Teil der Eintragungen stattfand. Erst 1821 kommt eine Reihe von Beiträgen in Dülmen hinzu, darunter eine sehr feine, kalligraphisch gestaltete und kolorierte Federzeichnung eines Wilhelm Busch. 1853 wurde noch ein koloriertes Schmuckblatt aus Iserlohn beigefügt. - Dabei: Stammbuch-Kassette eines F. Schwarz aus Herford. 54 Bl. Mit 2 Aquarellen. Lose Bl. mit Goldschnitt. Quer-8vo. Orangefarbener Pappband d. Z. (stärker beschabt; Rückenschild defekt) in Form eines Stammbuchs mit goldgepr. schwarzen Rändern und Eckstücken. Im (stärker beschabten) Pappschuber d. Z. 1806-1817. - Die Eintragungen aus Herford, Heilbronn, Kassel und Antwerpen. - Eines der beiden Aquarelle mit der originellen Idee, die übliche Vase und den Blumenkorb vom Sockel stürzend zu zeigen. - Beiliegend ein undatierter, zeigenössischer Brief. - Da die Personen in beiden vorliegenden Kassetten manche Übereinstimmung zeigen, erscheint es denkbar, dass sie zusammengehören und die Blätter irgendwann einmal teilweise vermischt wurden.
Stammbuch-Kassette
eines Fräulein Marianne aus Leipzig + Beigabe
Los 2555
Zuschlag
300€ (US$ 323)
Der Dichter von "O Tannenbaum"
- eines Fräulein Marianne aus Leipzig. 51 beschriebene oder illustrierte Bl. und 24 leere Bl. Mit 1 Blumen-Aquarell, 1 Stahlstich und 1 Komposition getrockneter Pflanzen. Goldschnitt. 8vo. Lose Bl. in grüner Papp-Kassette d. Z. (beschabt; Deckel gelöst) mit Blindprägung, Deckelvergoldung und goldgepr. Rückentitel "Denkmal der Freundschaft". Im (leicht beschädigten) Pappschuber d. Z. 1832-1856.
Eintragungen aus 3 Zeiträumen: Leipzig 1832, Zürich und Winterthur 1852, Heidelberg 1854-1856. In Leipzig tragen sich als bedeutende Persönlichkeiten zwei ihrer Lehrer ein: Ludwig Ernst Gedike, Reformpädagoge, seit 1803 verdienstvoller Direktor der Leipziger Bürgerschule, Förderer der Bewegung zur Einrichtung von Bürgerschulen (1760-1838). Er war ein jüngerer Bruder des berühmten Aufklärers, Theologen und Bildungspolitikers Friedrich Gedike (1754-1803). Ludwig Gedike widmet einen Sechszeiler "seiner bisherigen lieben Schülerin zur Ermunterung und zum Andenken". - Der zweite namhafte Lehrer ist der Magister Ernst Anschütz (1780-1861), Liederdichter, Kantor, Organist und Komponist, Dichter des überaus populären Weihnachtsliedes "O Tannenbaum", wirkte 50 Jahre als Lehrer und Organist in Leipzig. - Ferner einliegend 4 zeitgenöss. Briefchen unterschiedlicher Art. - Dabei: Poesie-Album des späteren Ökonomie-Rates E. Ehlers aus Lüneburg. 16 beschriebene Bl., der Rest leer. Lose beiliegend 1 Porträt-Photographie des Ehlers, 1 Porträt-Silhouette und 2 Briefe an Ehlers. Quer-4to (16 x 21 cm). Leuchtend roter Kalblederband mit ornamentaler Blindprägung, Filetenvergoldung, goldgepr. Aufschrift "Album" und Goldschnitt. Im Pappschuber d. Z (dieser fleckig und beschädigt). 1849-1857. - Mit poetischen Beiträgen von Verwandten und Freunden in Lüneburg und Leipzig. Die Porträt-Silhouette (Ehlers im Studenten-Habit) ist 1857 datiert, das Photo 1859. - Der prächtige Leder-Einband rückseitig gering fleckig.
- Stammbuch-Kassette eines wandernden Handwerksburschen. 55 Bl. Mit 16 lithogr. Ansichten, 2 Federzeichnungen, 1 Pinselzeichnung und 1 Bleistiftzeichnung. Quer-8vo. Lose Bl. in weißem Halbpergamentband d. Z. in Form eines Albums mit reicher Vergoldung auf Rücken und beiden Deckeln, diese auch mit grünen und rosa Intarsien; imitierter Goldschnitt. 1837-1843.
Beginnend 1837 in Jesnitz, finden sich Beiträge aus vielen Orten, darunter Hamburg, Altona, Meldorf, Stampfen, Berlin, Giersleben, Aschersleben, Osnabrück, Hildesheim, Nürnberg und Augsburg. Die meisten aus Altona und Hamburg, wo sich 1843 ein "Carl Duisberg aus Barmen" einträgt, wohl ein Vorfahr des bekannten Industriellen. Sonst meist Freunde und "Collegen", darunter in Nürnberg ein "Lebküchler-Geselle". Bemerkenswert sind die hübschen lithographischen Stadtveduten: von Hamburg das Stadttheater, das Millerntor, die neue Börse, die Teufelsbrücke von der Elbseite und der große Stadtbrand von 1842. Das Millerntor mit Fußgängern und Fuhrwerk ist auch auf einer kleinen, sehr feinen Blei- und Federzeichnung wiedergegeben. Ansonsten gibt es 2 Ansichten von Dresden (auf grünem Papier), eine kolorierte Ansicht von Schloß Bellevue in Berlin sowie Ansichten von Kremsier, Teplitz und nicht bezeichneten Orten. - Der Vorderdeckel, wie oft bei Pergament, etwas gewölbt. - Dabei: Stammbuch-Kassette eines Müncheners. 21 Bl. Mit 1 Bleistiftzeichnung und 1 kolor. Kupferstich sowie einer Stahlstich-Ansicht des "Osterthor-Walls" in Bremen auf dem Innendeckel sowie einer Stahlstich-Ansicht der "Holstein-Brücke" mit dem Holstentor in Lübeck auf einer inneren Deckplatte. Goldschnitt. Quer-8vo. Lose Bl. in brauner Leder-Kassette mit Rückenvergoldung und Aufschrift "Der Freundschaft geweihet", goldgeprägter ornamentaler Bordüre auf beiden Deckeln und imitiertem Goldschnitt; im Pappschuber d. Z. 1828-1830. - Die meisten Eintragungen in München, ferner Egloffstein und Nürnberg.
Suttner, Bertha von, Schriftstellerin und Pazifistin, Führerin der internationalen Friedensbewegung, Trägerin des Friedensnobelpreises (1843-1914). Eigh. Albumblatt m. U. "Bertha v. Suttner". 1/2 S. Quer-gr. 8vo. (Wien)23.II.1902.
"Immer wieder und überall / Die Waffen nieder - Schach der Qual! - Bertha von Suttner". - Rückseitig der Album-Eintrag eines nicht prominenten Wieners.
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