"das mir so liebgewordene Weimar"
Grosse, Julius, fruchtbarer Romanautor, Kunstkritiker und Journalist in München und Weimar, Generalsekretär der Dt. Schillerstiftung in Weimar, Dresden und München, sachsen-weimarischer Hofrat (1828-1902). Konvolut von 17 Autographen. Zus. 53 S. Tinte und Bleistift. Folio, 4to, gr. 8vo und 8vo. 1863-1901.
1 eigh. Manuskript (16 S., folio), 2 eigh. Albumblätter, 9 eigh. Briefe und 5 eigh. Postkarten. An verschiedene Adressaten, durchweg in literarischen Angelegenheiten, großenteils ausführlich über eigene und fremde Veröffentlichungen. Am 30. September 1874 schreibt er aus dem "Vorort Weimar" der Deutschen Schillerstiftung: "... Wie auch immer die Wahl des neuen Vororts ausfallen mag (ob Dresden oder München), nur mit größtem Widerstreben werde ich das mir so liebgewordene Weimar wieder verlassen, welches mir so anregende und fruchtbare Jahre geboten hat". - 1880 schreibt er aus Weimar einem Freund ausführlich über seine Idee eines "scheinbar improvisirten Sängerkampfs": "... doch bitte ich Sie auf das dringendste, meinen Namen zu verschweigen, dagegen den Vorschlag dieser Idee nicht auf Leipzig zu beschränken, sondern unter der Hand auch anderen Poeten mitzutheilen und zwar solchen, von denen vorauszusetzen, daß sie schweigen und daß sie eventuell sich betheiligen. Was bei vorzeitiger Ausplauderung heraus kommt, davon hatten wir ja vor sechs Jahren ein Beispiel. Damals war ein 'Dichtertag' hier geplant ... und alles war gut eingeleitet, als plötzlich der Kladderadatsch seine Stimme erhob und das ganze Unternehmen lächerlich machte - so daß es schließlich unterblieb - also Vorsicht! ...". - Interessant ist auch das umfangreiche Manuskript eines patriotischen Festspiels für Weimar, das wohl 1896 entstanden ist und am Schluß dem greisen Großherzog Carl Alexander von Sachsen-Weimar huldigt. Zwischen dem Prolog und den 7 "Bildern" der Aufführung werden jeweils die bekanntesten patriotischen Lieder angestimmt: Deutschland, Deutschland über alles - Der Gott, der Eisen wachsen ließ - Wer will unter die Soldaten - AllDeutschland nach Frankreich hinein - Steh ich in finstrer Mitternacht - Wohlauf Kameraden, aufs Pferd - Nun danket alle Gott - Das "Weimarlied" von Liszt. - Beiliegend zwei Zeitungsausschnitte mit Grosses Porträt. - Reichhaltiges Material über einen einflußreichen Schriftsteller des Realismus, dessen Nachlaß in Weimar und München aufbewahrt wird. - 1 Postkarte gelocht, 1 Brief mit Büroklammer-Rostspur.
Der Wieland-Biograph
Gruber, Johann Gottfried, Hallischer Literaturhistoriker, Lexikograph und Pädagoge, Wieland-Biograph und Herausgeber der ersten Wieland-Gesamtausgabe (1774-1851). Eigh. Brief m. U. "Gruber". 12/3 S. Gr. 8vo. Halle (Saale) 8.VI.1833.
An einen "theuersten Freund", dem er vom Tod seiner Schwester sowie ausführlich von einem Schuldner berichtet, der Grubers Darlehen nicht zurückzahle und von Gruber hier der Lüge und "Spitzbüberei" bezichtigt wird. Erwähnt eine "Verwirrung", in die ihn die Hallischen Rektoren gebracht hätten. - Dabei: Constantin Wurzbach, Ritter von Tannenberg, österr. Lexikograph, Bibliothekar und Schriftsteller (1818-1893). Eigh. Brief m. U. "D. Wurzbach". 4 S. 8vo. Berchtesgaden 15.II.1879. - An den Schriftsteller Ferdinand Gross, der ihm sein Buch "Kleine Münze. Skizzen und Studien" (Breslau 1878) übersandt hatte. Beschreibt seine Skepsis vor der Lektüre, die jedoch bald verflog und "genußreichen Stunden" Platz machte. Geht dann auf die einzelnen Kapitel ein und erörtert ihre Vorzüge. "... Gleich Ihr erstes, 'ein Wintermärchen', ist ein wahres Kabinetsstück. Das hätte ein Schwind illustriren können und sollen, wenn es damals schon geschrieben gewesen wäre ... warum bin ich kein Kritiker, um über ein solches Buch schreiben zu können? ... Und doch ist der Genuß ein ungleich höherer wenn man ein Buch ohne weitere Absicht liest als es zu genießen. - Auch die Skizze über Frau Geistinger habe ich gelesen. Sapperment Sie geben der Dame Nasenstüber mit Glazehandschuhen! Ihr Alter! Und doch nur eine Geistinger! wie nur eine Gallmeyer! Auch Ihr preisgekröntes Feuilleton: 'Literarische Zukunftsmusik' habe ich mit Spannung gelesen. Ja wohin kommen wir mit diesen vielen Bühnen? ... Des geistvollen Herrn Franzos Abhandlung 'Über das Feuilleton' ist sehr reich an guten Gedanken und feinen Distinctionen, aber ich halte dafür, daß diese Abhandlung etwas kürzer gefaßt gewonnen haben würde, wie ich auch andererseits den Zusammenhang dieser Einleitung zu Ihrer 'Kleinen Münze' nicht recht erfasse ...". - Marie Geistinger und Josephine Gallmeyer waren die berühmtesten Soubretten Wiens. Karl Emil Franzos hatte Gross' Sammlung von Feuilletons einen Essay "Über das Feuilleton" als Einleitung vorangestellt. - Wurzbachs größte Arbeitsleistung und sein phänomenales Lebenswerk ist das 60bändige "Biographische Lexikon des Kaiserthums Oesterreich".
Grün, Anastasius (d. i. Anton Alexander Graf von Auersperg), freisinniger österr. Dichter und Politiker, Freund Lenaus, verkehrte mit den Wiener literarischen Zeitgenossen und deutschen Dichtern der schwäbischen Schule, Mitglied des Frankfurter Parlaments (1808-1876). 2 eigh. Briefe m. U. "A v Auersperg". Zus. 2 S. Gr. 8vo. Graz 18.VI.1861 und 27.XII.1867.
Beide Briefe an einen Herrn mit Dank für Glückwünsche: "... Ich benütze die ersten freien Stunden eines kurzen Aufenthaltes in Gratz, um Ihnen für die freundliche Aufmerksamkeit, welche Sie mir durch die Erinnerung an meinen Namenstag und die daran geknüpften gütigen Wünsche erwiesen haben, meinen wärmsten und herzlichsten Dank abzustatten [1861] ... Wir waren herzlich erfreut aus Ihrem geehrten Schreiben zu entnehmen, daß Ihre gegenwärtige amtliche Stellung so sehr Ihren eigenen Wünschen, wie auch den Interessen Ihrer Familienverhältnisse entspricht, daß für alle Theile eine erhöhte Annehmlichkeit des Lebens und Wirkens in Aussicht steht ..." [1867].
Hamerling, Robert, österr. Schriftsteller (1830-1889). 2 eigh. Briefe m. U. "Robert Hamerling". Zus. 3 S. Gr. 8vo. Graz 2.XI.1880 und 3.XI.1886.
Der erste Brief an den Schriftsteller Gustav Kastropp, der ihn um eine Rezension seines Epos "Kain" gebeten hatte. "... Es ist mir sehr übel bekommen, daß ich mich verleiten ließ, neben meiner dichterischen Thätigkeit von Zeit zu Zeit eine kleine Buchkritik zu schreiben. Die Folge davon war, daß ich in wahrhaft erschrecklicher Menge von Zusendungen und Aufforderungen zu Recensionen mich überflutet sah, und da es mir schlechterdings unmöglich war, all' diesen Wünschen zu entsprechen, habe ich mir die Feindschaft mancher literarischen Collegen zugezogen. So fand ich schließlich keinen Ausweg, als für eine geraume Zeit der kritischen Thätigkeit ganz zu entsagen, wenigstens keine Recensionen mehr über noch lebende, jüngere, mir mehr oder weniger persönlich bekannte Schriftsteller zu veröffentlichen, und, wenn ich einmal eine Ausnahme mache, dies nur zu thun - gleichsam verschämter weise - in einem weniger verbreiteten Blatte ...". - Der zweite Brief an einen Redakteur: "... Gegenwärtig ohne Unterbrechung mit der Ausführung und Vollendung meines Epos 'Homunculus' beschäftigt, kann ich leider Ihrem Wunsche, ein Feuilleton für das Neue Wiener Tagblatt von mir zu erhalten, nicht entsprechen. Es liegt übrigens eine vor Jahren bestellte und auch honorirte Einsendung an die löbliche Redaction ... unabgedruckt im Pulte derselben. Sollte diese auch Herr Szeps für sein Blatt mitgenommen haben? ...".
Hartleben, Otto Erich
Konvolut Briefe und Karten an John H. Mackay
Los 2036
Zuschlag
750€ (US$ 806)
Hartleben Otto Erich, Dichter des Naturalismus und des Jugendstils, Dramatiker, Erzähler und Lyriker (1864-1905). Konvolut von 3 eigh. Briefen, 12 eigh. Postkarten (teils gemeinsam mit Freunden) und 1 eigh. Gedichtmanuskript. Leipzig, Berlin und Italien 1887-1904.
An den Schriftsteller John Henry Mackay in Berlin. In einem frühen Brief aus Leipzig schreibt Hartleben: "... Sie wissen, daß Conradi u. ich jetzt ein 'Jahrbuch für realistische Dichtung' herausgeben. Wir brauchen Ihnen nicht lange auseinanderzusetzen, welche Tendenzen, welche Principien wir haben. Wir sind Ihrer Sympathie sicher! Sie werden mitthun: nicht wahr? ... Originalbeiträge sind uns nat. das liebste: eventuell würden wir aber auch gern aus den 'Schatten' [Mackays Sammlung "Novellistischer Studien", Zürich 1887] etwas abdrucken ... Haben Sie mein Studenten-Tagebuch gelesen? ..." [Leipzig 5.II.1887]. Einen auf feinstem Bütten hergestellten, 2seitigen Probedruck für einen Prospekt mit der Ankündigung des Satireblattes "Simplicissimus" benutzt Hartleben als Briefpapier: "... Ich traf Sie leider nicht, am letzten Freitag im Architectenhause: ich hätte Ihnen die Idee des Simplicissimus gern mündlich auseinandergesetzt ... Jedenfalls darf ich wohl hoffen, daß Sie mir geeignete Beiträge zuwenden werden: je eher, desto besser! Nämlich die erste Nummer wird in 500 000 Ex. verbreitet und es wäre schön, wenn da gleich Ihr Name vertreten wäre ..." [Berlin 17.XI.1895]. - Die Postkarten aus Berlin behandeln neben literarischen Nachrichten meist auch Ort und Datum des nächsten Zusammentreffens einer munteren Runde, die sich "die Verbrecher" nennt, in ständig wechselnden Berliner Lokalen. Auf Gemeinschaftskarten sind auch andere prominente Berliner Anhänger des literarischen Naturalismus vertreten, wie etwa Wilhelm Bölsche oder der Schauspieler Rudolf Rittner. 3 Karten sind in Italien (Gardasee, Toscana und Rom) verfaßt. Auf einer Foto-Karte mit dem Bildnis seiner Geliebten Ellen Birr schreibt Hartleben: "... Wir wollten diese Karte eigentlich an Gabriele Reuter richten, wissen jedoch deren Adresse nicht. Ist sie jetzt bei Ihnen? ... Ihr Otto Erich und Ellen sein Kind". - Eine offenbar in angeheiterter Stimmung in Rom geschriebene Karte zeigt die "Birreria Bavaria", ein Pschorrbräu-Restaurant in Rom (Februar 1904). - Auch das umfangreiche Briefgedicht an Mackay stammt aus Italien (Verona 4.II.1904). - Beiliegend eine Hartleben betreffende Postkarte und ein nicht unterzeichneter (vielleicht unvollständiger), aber wohl von Ellen Birr stammender Brief an J. H. Mackay, in dem sie ihn um Hilfe bittet in ihrem Streit mit Hartlebens Witwe Selma um den Nachlaß (das Haus in Saló) und vor allem die hinterlassenen Schulden des Dichters. Sie berichtet u. a., daß Max Halbe, unterstützt von Albert Langen, die Idee aufgebracht habe, daß die Freunde Hartlebens zusammenlegen sollten, um das Haus in Saló als Gedenkstätte zu erhalten. - Interessantes Dokument zum Umgang mit dem Nachlaß des Dichters. - Alle Teile gelocht. - Reichhaltiges Material zu Hartlebens Persönlichkeit und zum Literaturbetrieb um 1900. Von besonderem Interesse ist auch der Prospekt mit dem geplanten Programm des "Simplicissimus".
Hartleben, Otto Erich
Konvolut von Briefen, Karten und Manuskripten
Los 2037
Zuschlag
440€ (US$ 473)
- Konvolut von 4 eigh. Briefen, 12 eigh. Postkarten, 1 eigh. Billet, 1 masch. Rundschreiben, 1 Telegramm sowie 1 eigh. Gedichtmanuskript. (Tinte und Bleistift). Mit 3 Umschlägen. Berlin und Italien 1892-1903.
Meist an den ihm befreundeten Schriftsteller Caesar Flaischlen, Redakteur der Zeitschrift "Pan". Gutgelaunte Karten und Briefe, jeweils über literarische Lieferungen Hartlebens und anderer ("Das Gedicht von Juliane Dürr ist allerdings Wellblech, ich weiß nicht weshalb Du Conrad das nicht ruhig schreiben solltest", 1896) an Flaischlen für bestimmte Zeitschriftenhefte, teils für den "Pan"; und immer wieder Stammtisch-Verabredungen in der Art wie: "Bitte hol mich um 10 Uhr vom Club ab. Frank Wedekind ist auch da" (7.XII.1896). - "Das Local befindet sich Kochstr. 63 Ecke der Friedrichstr. und heißt Bergbräu" (5.IX.1896). - "Heut schon um 6! Im Bibliothekzimmer. Bitte komm! Seh Dich sonst nicht mehr. Bring Dir den Dehmel mit" (15.III.1897). Am 5. Juli 1897 schreibt er auf unbeschnittenem Bütten: "... Ich sende Dir anbei 3 originelle Dichtungen von Franz Blei - oder ich will lieber doch nur 2 schicken, von denen ich glaube, daß wir sie im Pan bringen könnten. Im übrigen hoff ich Dich bald zu sehn ... Wo tagt übrigens der Verbrecher-Stammtisch vom Freitag? Noch immer in der Versenkung? Wir sind dem Pilsener in der Dorotheenstraße treu geblieben ...". - Das recht umfangreiche Gedicht (3 S. 4to) ist ein versifizierter Brief an Flaischlen (24.VII.1903) über verschiedene Themen und Neuigkeiten, teils in humoristischem Ton. - Hübsche Stimmungsbilder vom Berliner literarischen Leben um 1900.
Heine, Heinrich, Dichter (1797-1856). Eigh. Gedichtmanuskript. 3 S. 4to. (Göttingen 1824).
"Sonettenkranz an Friederike Robert, geb. Braun." Drei nummerierte Sonette, je eines pro Seite, zus. 42 Zeilen. Am oberen Rand der ersten Seite befinden sich zwei Vermerke von Karl August Varnhagens Hand: "von Heine" und "Berlin, 1823". Am unteren Rand von anderer Hand mit Bleistift die Angabe: "Varnhagen 27. 7ber 49". Das Manuskript (in sorgfältiger Schönschrift) wurde zuletzt 1953 als eigenhändig versteigert, mit folgender Beschreibung: "Bei dem vorliegenden Autograph handelt es sich, nach freundlicher Mitteilung von Herrn Dr. F. H. Eisner in London, um die Reinschrift des Gedichtes, die Heine am 17. Mai 1824 mit einem Brief an seinen Freund Moses Moser zur Weiterbeförderung an Friederike Robert gesandt hatte ("es wird der schönen Frau gefallen und sie erfreuen und könnte der Überbringer, wenn er nicht zu blöd wäre, ein zärtliches Trinkgeld eintragen ..."). Das Gedicht ist in dieser Form zu Lebzeiten Friederike Roberts - sie starb bereits 1832 - weder von Heine selbst, noch von Ludwig Robert, dem Heine am 27. Mai 1824 die Erlaubnis zum anonymen Abdruck gab, veröffentlicht worden. Erst 12 Jahre später nahm Heine das Gedicht unter der Überschrift 'Friedrike' und mit überarbeitetem Text 1844 in seine 'Neuen Gedichte' auf. Der hier vorliegende Urtext wurde 1865 von Ludmilla Assing (Varnhagens Nichte) veröffentlicht. - Heine hatte Friederike Robert in dem Salon Rahel Varnhagens, der Schwester Ludwig Roberts, kennengelernt". 1823 entstand dann in Berlin dieser "Sonettenkranz". - Beim Vergleich des Druckes unter dem Titel "Friedrike" mit der vorliegenden ersten Fassung zeigen sich in allen drei Sonetten teils starke Änderungen: Die überbordende Metaphorik, die der Dichter im dritten Sonett selbst ironisiert, ist vielfach vereinheitlicht, dem Stil des Ganzen, in dem Heine stets neben sich steht und sich über seine Schwärmerei lustig macht, nach Möglichkeit mehr untergeordnet. Während im Druck der erste Vers des zweiten Sonetts lautet: "Der Ganges rauscht, mit klugen Augen schauen / Die Antilopen aus dem Laub, sie springen / Herbei mutwillig, ihre bunten Schwingen / Entfaltend wandeln stolzgespreizte Pfauen ...", so heißt es in unserem Manuskript: "Der Ganges rauscht, es wandeln stolz die Pfauen, / Und spreitzen sich, die Antelopen springen / Im grünen Gras, die Hyazinten klingen, / Viel tausend Diamanten niederthauen ...". Noch auffälliger ist des Dichters Eingriff bei den letzten drei Zeilen des dritten Sonetts. In unserem Manuskript werden christliche Begriffe bemüht: "... Doch lächle nur! Denn wenn du lächelst, greifen / Die Engel droben nach der Harf, und singen / Des Halleluja dröhnenden Choral." Heine fiel auf, daß hier nach der ganz auf Indien eingestimmten Situation ein krasser Sphärenwechsel angehängt war, so daß er für den Druck die Engel und das Halleluja beseitigte: "... Doch lächle nur! Denn wenn du lächelst, greifen / Gandarven nach der Zither, und sie singen / Dort oben in dem goldnen Sonnensaal." - Minimal fleckig; im Falz und an der Querfalte verstärkt, dennoch kleine Einrisse.
Hesse, Hermann, Lyriker und Erzähler, Nobelpreisträger (1877-1962). Eigh. Ansichts-Postkarte m. U. "Hermann Hesse". 1/2 S. (Stuttgart 11.I.1923).
An den Schriftsteller Oskar Maurus Fontana in Wien, der ihm seine Volksliedsammlung "Der Garten Immergrün" (Wien 1922) gesandt hatte. "In meine Klause im Süden kam Ihr Garten Immergrün, durch den gehe ich nun kreuz u. quer u. danke Ihnen dafür ...". - Auf der Bildseite der Karte, die ein Foto vom "Haus Hesse" zeigt, hat der Dichter noch eigenhändig vermerkt: "Das war einst mein Haus am Bodensee.". - 2 Knickspuren.
Hesse, Hermann
Manuskript mit 4 Gedichten u. 5 Aquarellen
Los 2040
Zuschlag
12.000€ (US$ 12,903)
- Eigh. Manuskript mit 4 Gedichten, 4 betitelten Aquarellen, 1 aquarell. Titelzeichnung sowie Widmung am Schluß. 10 Bl. elfenbeinfarbenes Bütten, jeweils einseitig beschrieben oder illustriert. Lose Doppelblatt-Lagen. 23 x 18 cm. (Montagnola) April 1929.
"Vier Gedichte von Hermann Hesse". Dem Redakteur des "Simplizissimus", Reinhold Geheeb, und seiner Frau gewidmete schöne Dichterhandschrift. Enthalten sind die Gedichte "November" (zwei Strophen zu je vier Zeilen), "In Weihnachtszeiten" (zehn Zeilen), "In einem Tessiner Weinkeller" (drei Strophen zu je vier Zeilen) und "März" (zehn Zeilen). Die Titel der Gedichte stehen jeweils auf dem vorhergehenden Blatt unter der aquarellierten Federzeichnung, die das Motiv aufnimmt. - "November" erschien zuerst 1921 in "Pro Helvetia", in Buchform dann 1929 in "Trost der Nacht". - "In Weihnachtszeiten" wurde zuerst 1913 in "Die Schweiz" gedruckt. - Druck von "In einem Tessiner Weinkeller" 1919 ebenfalls in "Die Schweiz" sowie im Buch "Die Gedichte" 1942. - "März" erschien zuerst 1921 in "Pro Helvetia", 1923 dann auch im "Simplizissimus". - Die Aquarelle zeigen eine verschneite Berglandschaft mit einer Hütte im Vordergrund, einen geschmückten Weihnachtsbaum mit Geschenkpaketen darunter, Häuser mit Bäumen und bergigem Hintergrund im Tessin sowie einen noch kahlen Baum am See vor Alpenpanorama, im Vordergrund neues Grün und erste Blüten. Die Titel-Inschrift befindet sich auf blauem Grund im Oval, umgeben von einem Blütenkranz. - Das Titelblatt gering fleckig; sonst nur minimale Gebrauchsspuren.
Hofmannsthal, Hugo von siehe Nr. 2220
Jacobsohn, Siegfried, Theaterkritiker und Publizist, Gründer und Herausgeber der "Schaubühne", später: "Weltbühne" (1881-1926). Eigh. Postkarte m. U. "S. J.". 1 S. (Berlin-Charlottenburg) 15.VI.1922.
Auf einer Karte mit Aufdruck "Die Weltbühne" an den Schriftsteller Oskar Maurus Fontana in Wien, den er mit "LOMF" anspricht. "... Buddhas Reden? Sind noch nicht erschienen. Hoffentlich gehts im Sommer. 'Lucian Leuwen' - willkommen. Je kürzer der Artikel anfällt, desto schneller kann ich ihn bringen ... Als ich gestern meine Wohnung betrat, fand ich sie ausgeraubt. Rock ist futsch, Stock ist futsch, Anzug, Kleider, ... Bett-, Tisch-, Leibwäsche - Alles ist futsch. Schaden 300000 Mark, versichert 50000 ... Ergeh's Ihnen besser! ...". - Gebräuntes Inflationspapier.
Jünger, Ernst, umstrittener, zugleich mit zahlreichen Literaturpreisen und anderen Ehrungen ausgezeichneter Schriftsteller (1895-1998). 2 Roman-Typoskripte. 145 und 175 gez. Bl., einseitig beschrieben. Mit zahlreichen Korrekturen, Zusätzen und Verbesserungen von Jüngers Hand. Gr. 4to. Lose Bl. in blauer Kunstleder-Kassette mit goldgepr. Monogramm Jüngers. O. O. (1984).
"Eine gefährliche Begegnung". 2 vollständige Typoskripte des 1985 vollständig erschienenen Romans in unterschiedlichen Bearbeitungsstufen. Die erste Version (142 gez. und 3 zusätzl.Bl.) besteht bis S. 80 überwiegend aus Druckfahnen oder Kopien aus Bd 1 und Bd 18 der Sämtlichen Werke, ergänzt durch eingeklebte Typoskript-Passagen, die restlichen 42 S. ausschließlich aus - teils wiederum zusammenmontierten - Typoskriptteilen. Durchgehend mit zahlreichen Korrekturen, Einschüben und Verbesserungen von Jüngers Hand, meist mit blauer Tinte oder rotem Kugelschreiber. Zwischen S. 133 und 134 ist ein kopiertes Typoskriptblatt mit einem hier nicht passenden Text eingelegt. Das Schlußblatt von Jünger eigenhändig datiert: 22.IV.1984. Das (etwas fleckige) Titelblatt trägt eine eigenhändige Widmung des Autors an zwei ihm befreundete Eheleute, "die aus dieser krausen Vorlage eine leserliche Abschrift besorgten, während wir uns auf Santorin räkelten, mit herzlichem Dank für ihre große Mühe Ernst Jünger. W[ilflingen]. 10.XI.1984." Der Autor hatte die Zeit vom 29.IV. bis 20.V.1984 auf Santorin zugebracht.
Diese Danksagung bezieht sich auf das zweite Typoskript, mit dem die "krause Vorlage" von dem Ehepaar in eine korrigierte, vorläufig "endgültige" Reinschrift gebracht worden war. In das nunmehr 174 (+1) Seiten umfassende Typoskript mit dem Datum "15.6.84" auf dem Titelblatt wurden dann nochmals einzelne Korrekturen sowie im Verlag mit Bleistift und orangefarbener Tinte zahlreiche drucktechnische Anweisungen eingetragen. Nach dessen Rückgabe schenkte der Autor beide Typoskripte im November 1984 dem Ehepaar als Dank und Freundschaftsgabe für die geleistete Arbeit. - Beiliegend eine Durchschrift der zweiten Fassung sowie das Metall-Klischee des Buchbinders für das goldgeprägte Ernst-Jünger-Signet auf dem Deckel der Kassette. - Wertvoller Einblick in Jüngers "Werkstatt" bei der Entstehung und Entwicklung des Romans, von dem zunächst nur drei Kapitel in verschiedenen Periodika und einer Festschrift erschienen waren.
Kerner, Justinus, Arzt und Dichter (1786-1862). Eigh. Brief m. U. ""Ewig Dein Kerner". 1 S. 4to. Weinsberg 14.VIII. (?) 1834.
An einen Freund, den er mit "Geliebter! Aber unser Ernst!!!" anredet (der Arzt und Dichter Ernst von Feuchtersleben?). "... Ich sende dir hier die Fortsetzung der Blätter aus Prevorst, die du, glaub ich, noch nicht hast - damit du Gedichte daraus machst. - Ich lebe unter lauter Ruhrkranken u. finde kaum Zeit dir dieses zu schreiben u. noch zu sagen daß ihr uns ganz verstoßen zu haben scheint ...". - Die von Kerner herausgegebenen "Blätter aus Prevorst" erschienen von 1831-1839 in Karlsruhe.
Lenau, Nikolaus (d. i. Nik. Niembsch, Edler von Strehlenau), österr. Dichter (1802-1850). Eigh. Gedichtmanuskript. 13/4 S. Gr. 4to. O. O. (wohl um 1837).
"Der Rationalist und der Poet." 36 Zeilen: 'Freund, Du sitzest hier auf weichem Moose, / Ins Geruchzeug duftet Dir die Rose, / Um Dein Antlitz Frühlingswinde wallen, / Und da drüben lärmen Nachtigallen. / Darum singst Du hier ein Lied versöhnend, / Weich und duftig, lind und zärtlich tönend. / Säßest Du auf einem harten Stumpfe, / Käme Dir der Duft von einem Sumpfe, / Spürtest Du den Herbstwind frostig wehen, / Wär'st Du hier umkrächzt von rauhen Krähen: / Ha, ich wette, hart und widrig klänge / Kühl und rauh was Deine Muse sänge / ...
Hundert Mitarbeitern bist du pflichtig; / All dein Dichtertreiben find' ich nichtig.' / Also spricht der Rationaliste, / Der den Dichter heimlich hat belauert, /
Stolzer Hahn auf dem Verstandesmiste, / Daß dem Dichter vor dem Wichte schauert. / Dichter spricht: 'Wenn Vögel, Blumen, Winde / Und das ganze liebe Lenzgesinde / Meinem Liede helfen, wird's ihm frommen, / ... Hätt ich rauhen Felsensitz erklettert, / Schwül bedrückt von einer Sumpfeswolke, / Rauh umkrächzt von einem Rabenvolke, / Oder auch von Hagelschlag umwettert: / Säng ich! und in meinem Liede schalten / Ließ' ich gern auch die Naturgewalten. / Aber gleich entflüchten Lust und Schmerzen, / Dringt heran mir ein Gesicht wie Deines, / Kalt genug, mir trotz des Maienscheines / Aus der Welt die Poesie zu merzen." - Frühe Niederschrift, denn am Schluß weisen zwei Zeilen Verbesserungen auf: "Entflüchten" statt ursprünglich "entweichen"; "dringt heran mir" statt "drängt heran sich". Diese Verbesserungen wurden dann berücksichtigt in der ersten Buchausgabe: "Neuere Gedichte", Stuttgart, Hallberger, 1838, S. 311-313. - Etwas gebräuntes Papier.
Mann, Heinrich, Bruder Thomas Manns, Schriftsteller (1871-1950). Eigh. Postkarte m. U. "Heinrich Mann". 1/2 S. München 30.III.1921.
An den Schriftsteller Oskar Maurus Fontana in Wien, der ihm zum 60. Geburtstag gratuliert hatte. "... für Ihre freundlichen und ehrenvollen Worte empfangen Sie, bitte, meinen herzlichen Dank ...". - Etwas gebräuntes Inflationspapier.
"Ich, auch ein Ohrenmensch"
Mann, Thomas, Schriftsteller, Nobelpreisträger (1875-1955). Eigh. Brief m. U. "Thomas Mann". 2 S. Gr. 8vo. Unter Passepartout montiert in einer Karton-Kassette mit Aufdruck "Thomas Mann" und mit Pappschuber. Pacific Palisades 26.XI.1947.
An die Opernsängerin Lotte Lehmann (1888-1976), die ihm Gedichte ihrer Freundin, der früh verstorbenen mährischen Lyrikerin Greta Bauer-Schwind übersandt hatte. Er habe sich viel mit den Liedern beschäftigt, "wohlgefällig lauschend, wie einer reinen, wohlgeschulten und seelenvollen Stimme. Kein Zweifel, diese Frau ist eine echte und rechte Dichterin, die immer mit Sicherheit und Geschmack in die Saiten greift, jeden Missklang rein vermeidet, Ihre innere Welt - ich will nicht sagen: mit Kühnheit, auch nicht mit benehmender Kraft, aber unfehlbar mit Wohllaut, Takt und Innigkeit feinhörig aussagt und aussingt. Diese Feinheit des Ohrs ist ihre stärkste Seite und gewiss das, was Sie beide zusammengeführt hat. Ich, auch ein Ohrenmensch auf meine Art, habe allen Sinn und alle Sympathie dafür. So sind für mich, aber auch wohl absolut gesprochen, die lyrischen Musiker- und Musik-Charakteristiken und Verherrlichungen das Beste und, im Wortsinn, Trefflichste, was Ihrer Freundin gelungen. Aber ich liebe auch sehr das Mythisch-Seelenhafte und lieblich Wehe der Echo-Gesänge ... Ob unserer wilden, mühseligen Zeit diese Poesie etwas zu geben, zu sagen hat? Vielleicht doch, durch das menschlich Begütigende darin, durch Zartheit, Holdheit, Harmonie ...". - Beiliegend ein Brief des Zsolnay-Verlages an Greta Bauer-Schwinds Mutter Gertrud (Wien 1948) und ein Verlagsvertrag (Wien 1953), beides betreffend die Übernahme von Gretas Gedichten für einen Sammelband. - Die Dichterin, eine Nachfahrin von Moritz von Schwind, war 1944 im Alter von 40 Jahren makabrerweise an der Schwindsucht gestorben. - Bei Bürgin/Mayer (die für diesen Tag 10 Briefe Manns verzeichnen) nicht bekannt. - Lotte Lehmann und Thomas Mann siehe auch im Kapitel "Musik".
"ich finde nur eigene Fehler"
- 12 eigh. Briefe, 2 masch. Briefe und 2 eigh. Ansichts-Postkarten m. U. "Thomas Mann". Zus. ca 13 S. In deutscher und lateinischer Schrift. Mit 8 meist eigh. Umschlägen. Gr. 8vo und gr. 4to. Erlenbach-Zürich, Kilchberg und Sils Maria 27.I.1953 - 9.VIII.1954.
An die aus Lübeck stammende Lore Rümelin in Bern, später Bonn, die - durch Gottfried Bermann-Fischers Vermittlung - Thomas Manns handschriftliche Manuskripte für den Druck in Maschinenschrift übertrug. Eine erste Probe fiel so vielversprechend aus, daß der Autor im Januar 1953 an Frau Rümelin schreibt: "... Die Abschrift ist tadellos, und ich bin froh, dass dies für mich so wichtige Problem glücklich gelöst ist, und schicke Ihnen vertrauensvoll eine grössere Partie, die meine Frau, wenn Sie so weit sind, wieder abholen kann ...".
Es handelte sich um die Erzählung "Die Betrogene", die in drei Folgen von Mai bis Juni 1853 in der Stuttgarter Zeitschrift "Merkur" erschien. Die Arbeit erfuhr gleich eine Unterbrechung durch eine Grippe-Erkrankung Manns, so daß er am 15. März schreiben muß: "... Meine Frau hat Ihnen ja von der unliebsamen Unterbrechung berichtet, die die Arbeit an der 'Betrogenen' erfahren musste und hat Ihnen auch den Ausdruck meiner Bewunderung übermittelt für Ihre tadellose Wiedergabe meiner so schwer leserlichen Handschrift ...". Nachdem er Vertrauen in die Fähigkeiten Lore Rümelins gefaßt hat, folgen nun kontinuierlich auch für andere Veröffentlichungen (z. B. den "Felix Krull"), Text-Lieferungen, oft begleitet von Kommentaren des Autors: "... gestern fertig geworden, schickte ich Ihnen den Rest des Manuskripts, ohne mir auch nur Zeit zu nehmen, diese Zeilen gleich beizulegen. Sie sind eilig, ich bin es auch. Die Zeitschrift wartet auf mehr Manuskript. Ich denke, schon geübt und eingelesen, werden Ihnen die verbleibenden Tage dieses Monats ... genügen, die Abschrift zu bewältigen - obgleich es einiges rückseitige Gekritzel gibt [19.III.1953] ... Es ist Alles in meinen Händen. Ich bin bei der Durchsicht und habe kaum irgendwo die rote Feder anzusetzen. Properly! Eine bewundernswerte Leistung! Empfehle mich bestens für künftige Fälle. - Die Geschichte ist gut in den Anfängen und am Schluß. Mittendrin ist allerlei Flaues, wofür es wohl Entschuldigungen gäbe. Aber da gilt keine Entschuldigung [27.III.1953] ... Mit der Absendung der Handschriften, die ich ruhig der Post anvertrauen werde, zögere ich noch etwas, weil ich noch niemandem daraus vorgelesen habe und vielleicht noch Korrekturen daran vornehmen werde [8.IX.1953] ... hier sende ich Ihnen etwas Manuskript. Weiteres wird bald folgen. Hoffentlich hat meine Arbeitsschrift sich nicht noch weiter verschlechtert ... Nicht wahr, Sie haben von der Abschrift immer zwei Durchschläge gemacht. Oder waren es drei? Ich bitte, es damit zu halten wie das vorige Mal [10.XI.1953] ... Es heißt im Portugiesischen Senhora und Senhor, mit einem h und ohne ~. Auch Dona wird ohne das Zeichen geschrieben ..." [20.XI.1953].
Wenig später teilt Lore Rümelin mit, daß sie nach Bonn am Rhein übersiedeln werde, und Thomas Mann ist erschrocken: "... Das ist ein harter Schlag. Ich sehe nicht, wie Sie zu ersetzen sein sollten. Gleich kann ich Weiteres nicht schicken. Aber sagen Sie mir: Wenn Sie sich in Bonn eingelebt haben werden, können Sie denn die Arbeit an der Abschrift nicht dort ebenso gut fortsetzen, wie in Bern? ..." [27.XI.1953]. Tatsächlich kann die Zusammenarbeit fortgesetzt werden: "... anbei die beiden noch unabgeschriebenen Kapitel. Der Vorname der Senhora ist jetzt Maria Pia ... Ich werde mich nicht wundern, wenn Sie nicht gleich zu der Arbeit kommen. Ich möchte das Manuskript nur für den rechten Augenblick in Ihren Händen wissen [3.I.1954] ... dies nur zur Nachricht, ... daß wir schon am Donnerstag die Abschriften vom Konsulat richtig erhalten haben. Ich sehe sie gerade durch und finde nur eigene Fehler - von Ihnen so gut wie keine. Sie haben glänzend und, wenn ich alle Umstände in Betracht ziehe, mit erstaunlicher Schnelligkeit gearbeitet ... Der Frankfurter Verlag [S. Fischer] kann Sie in D. Mark honorieren [25.I.1954] ... ich bin wirklich ergriffen von der Promptheit mit der Sie mir diesen neuen Dienst erwiesen haben - und von der Akkuratesse, mit der es obendrein geschah. Die Abschrift enthält überhaupt keinen nennenswerten Fehler. Der Aufsatz trägt den Stempel 'Made for America'. Bei uns kann ich mich, glaube ich, kaum damit sehen lassen ...". [31.V.1954]. Als nächstes steht Thomas Manns "Tschechow"-Aufsatz für die Zeitschrift "Sinn und Form" auf dem Programm, und so schreibt er am 6. August 1954 auf einer Ansichtskarte aus dem Fextal (Oberengadin): "... Nur damit Sie im Bilde sind: Wir bleiben bis zum 17ten hier. Nicht daß ich annähme, daß Sie bis dahin schon fertig sein können. Sie sollten es nur wissen. Auf Wiedersehen in Köln! ...". Und drei Tage später aus Sils Maria: "Bravissima! Besonders für die Fixigkeit. Aber ebenso für die Richtigkeit. Einmal Auslassung eines Satzteils, verschuldet durch Wortwiederholung, die sehr leicht falsche Anknüpfung bewirkt. Sonst alles tadellos, erstaunlicherweise. Allerdings: Stanislawski ..." [Sils Maria 9.VIII.1954].
Damit endet der hier vorliegende Briefwechsel mit dem plötzlich ernsthaft erkrankten Thomas Mann, aber noch nicht die rundum gelungene Zusammenarbeit, an der auch Katia Mann beteiligt war: 2 eigenhändige und 6 maschinenschriftliche Briefe (mit 7 Umschlägen) Katias an Lore Rümelin, die gleichfalls hier vorliegen, zeugen von der brieflichen und organisatorischen Unterstützung, die sie ihrem Mann zukommen ließ: Nachrichten von Reisen, Anfragen wegen neuer Projekte ("Versuch über Tschechow", "Ansprache im Schillerjahr") und nicht zuletzt die Überweisung der Honorare an die so wichtige "Schreibkraft". Am 4. Dezember 1954 schreibt Katia: "... Mein Mann lässt Sie fragen, ob Sie, gleich nach Neujahr, wohl bereit wären, eine grössere Arbeit für ihn zu schreiben. Es handelt sich um die Festrede zu Schillers 150. Todestag, die aber durchaus keine Rede, sondern ein grosser Aufsatz, vielleicht ein kleines Buch von 60 bis 90 Maschinenseiten wird, aus denen die Rede dann herauspräpariert wird werden müssen ...". Am 25. Januar 1955 kommt sie (aus dem Excelsior Hotel in Arosa) handschriftlich auf einen fehlgeleiteten Brief zurück: "... In diesem Schreiben drückte ich Ihnen unsere freudige Überraschung über die ans Übernatürliche grenzende Leistung aus und musste gleichzeitig leider mitteilen, dass mein Mann dies nicht selbst tun könne, weil er recht krank im Bette liege. Er muss sich hier rätselhafter Weise irgendeine Infektion geholt haben, die mit Schüttelfrost und hohem Fieber einsetzte, durch Penicilin konnte die Heftigkeit der Krankheit gebrochen werden, aber Tage lang war er beunruhigend schwach und hinfällig ... Immerhin fühlt er sich heute schon kräftig genug, um Ihre Abschrift zum grossen Teil ... durchzulesen und er war entzückt, wie tadellos Sie das teilweise recht gekritzelte und vielfach mit Einschaltungen versehene Manuskript wiedergegeben haben. - Ich hatte ihm von der Lektüre sehr abgeraten, weil ich befürchtete, er werde bei seinem reduzierten Zustand nicht mit Ihrer, sondern mit seiner Arbeit unzufrieden sein. Aber das war glücklicherweise nicht der Fall ...". - Diverse Beilagen: Katias gedruckte Danksagung anläßlich des Begräbnisses von Thomas Mann, die Durchschrift eines Briefes von Lore Rümelin an Thomas Mann (22.I.1955), die Einladung zu einer Thomas-Mann-Ausstellung des Goethe-Instituts in Athen unter Mitwirkung Lore Rümelins, die gedruckte Kopie eines hier nicht vorhandenen Briefes von Mann an Frau Rümelin und die Kopie eines Artikels (1995) über die gesamte Periode der Zusammenarbeit der Manns mit Lore Rümelin. - Schöne Brieffolge mit vielerlei biographischen Details aus den letzten Lebensjahren Thomas Manns.
Matthisson, Friedrich von, Dichter, Pädagoge, Vorleser, Privatsekretär der Fürstin Luise von Anhalt-Dessau in Wörlitz, später Geh. Legationsrat, Theaterintendant und Oberbibliothekar in Stuttgart (1761-1831). Eigh. Brief m. U. "Matthisson". 2 S. 8vo. Lyon 20.VIII.1791.
An die Schriftstellerin Friederike Lohmann (1749-1811), für Matthisson eine "gütige, unbekannte Freundin", die ihm ein Gedicht gesandt hatte, "welches ich, der Himmel weiß durch welchen Unstern, erst vor einigen Tagen, auf meiner Reise nach Frankreich erhielt. Empfangen Sie den wärmsten Dank für diesen lieblichen Kranz! ihn sollen meine Freunde, wen ich todt bin, an die Urne hängen die sie meiner Erinnerung weihen. - Alles an diesem schönen Gedichte hat mir gefallen; überall ist Bestimmtheit der Formen, Wahrheit des Colorits u. Harmonie aller Theile zu einem schönen Ganzen. Haben Sie die Güte mir zu sagen, ob ich es meinem Freunde Wieland für den Merkur senden darf ... Es ist eine schöne Aussicht für mich Ihnen dereinst in meinem Vaterlande zu begegnen. Ich ahnde in Ihnen eine der schönsten weiblichen Seelen. Fahren Sie fort der Trost der Meinigen zu seyn und erinnern Sie sich zuweilen am Arme meiner Schwester, daß Sie an den Ufern der Saône einen Freund haben, der Ihnen eine der seligsten Stunden seines Lebens verdankt ...". - Matthisson war von 1790 bis 1794 Hofmeister bei der Familie Scherer in Lyon. - Mit roter Inventarnummer einer zeitgenössischen Sammlung sowie mit einem kleinen Tintenfleck.
Gegen Geibel
Meissner, Alfred von, deutsch-böhmischer Schriftsteller, dem Jungen Deutschland nahestehend, in Paris mit Heine befreundet, starb durch Selbstmord (1822-1885). Eigh. Brief m. U. "Meissner". 21/2 S. Gr. 8vo. Prag 8.XII. (1858).
An den Philosophen und Schriftsteller Alexander Jung in Königsberg, der stets in finanziellen Nöten steckte und, wie auch Meissner, um Besprechung und Anerkennung seiner Werke kämpfte. Meissner bemüht sich, Kontakte für Jung herzustellen, hier z. B. durch Empfehlung einer Gedichtsammlung Jungs an Emanuel Geibel. "... Drei Tage nach Empfang Ihres Briefes ging die Gedichtsammlung an Geibel ab. Die Verzögerung entstand dadurch, daß ich das Ms. nochmals zu Bellmann getragen hatte, mit dem Ersuchen, es nochmals & aufmerksamer zu lesen. Möchte die andere Hand, in welche die Gedichte gekommen, glücklicher sein als die meinige. Mächtiger ist sie allerdings Tausendmal! Geibel sitzt zur Rechten des Landesvaters, die Allgemeine kreist als heiliger Geist über dem Paare. Ein ganzer Chorus lobt den Herrn in der Höhe & streut Weirauch [sic]. Wem der Herr wohl will, dem wird es gut ergehen auf Erden. - Ich war ganz beschämt & doch tief gerührt als ich Ihren Artikel las. Leider bin ich in der Lage Petrowsky's, den nur ein einziger Mensch verstanden hatte. Glauben Sie nicht, daß ich für die vielen, vielen Mängel meines Buches blind bin - aber Manches darin schreiben mir doch nicht viele im heutigen Deutschland nach, & das erkannt zu sehn, wenn auch nur von Einem, freut! In meiner Hand war der Artikel todt - ich konnte doch Niemandem mein eigenes Lob zusenden -, ich habe ihn somit an Grunow (Herbig) geschickt. Auch den Verleger in eigener Sache zu manipuliren, ist schwer ... Ist Ihre Sammlung gedruckt, so will ich mit aller Kraft, die ich besitze, dazu behilflich sein dem Publicum das Verständniß dieser so eigenthümlichen & großartigen Gemüthsart aufzuschliessen ... Erinnern Sie sich des Verses, den Schopenhauer so oft citirt: Ich sah des Ruhmes heil'ge Kränze / Auf der gemeinen Stirn entweiht, schlimmer noch ist Eins zu sehn, den Genius verkannt, verlacht, in Noth & Kummer ... Haben Sie & Prof. Rosenkranz die neue Auflage zugesandt erhalten? Grun. ist nicht zu traun; er hat zu viel im Kopf." - Mit "der Allgemeinen" ist die einflußreiche "Augsburger Allgemeine Zeitung" gemeint. "Ihren Artikel": Jung hatte einen längeren lobenden Artikel über Meissners neueste Buchveröffentlichung verfaßt, den 4bändigen Roman "Die Sansara".
- Eigh. Brief m. U. "Meissner" sowie mit Adresse und Siegel. 13/4 S. Gr. 8vo. Prag 13.XI. (1859).
Gleichfalls an Alexander Jung. "... Wohl fast ein Jahr ist es her, seitdem ich zuletzt von Ihnen einen Brief erhalten. Es war in der Geibel'schen Angelegenheit ... Nun aber hält es mich nicht mehr. Ich muß wissen, was mein verehrter Freund, den ich vor einem Jahr wahrlich in trüber Stimmung zurückließ, jetzt thut & ob ihn das Leben heitrer anblickt ... Ich bin doppelt besorgt wenn Sie so schweigen! - Auch in der Presse ist's still, ich weiß nicht was das bedeutet ... Dabei eine Bitte: Ich möchte gar zu gern den Artikel, den Sie über den Roman schrieben, als eine Erinnerung von Ihnen besitzen! Zum Druck ist er leider nicht gelangt & Kuranda, dem ich dreimal darum schrieb, hat mir das Manuscript nie zurückgeschickt. Ist noch der Brouillon in Ihrer Hand o. das Blatt der Königsberger Ztg, so senden Sie es mir, oder lassen Sie eine Abschrift machen. Er war mir die größte Freude, die mir das Buch brachte & - ich hätte den Artikel gar zu gern! ...". - "Kuranda": der Publizist und Schriftsteller Ignaz Kuranda (1811-1884), Herausgeber der "Grenzboten" und der "Ostdeutschen Post".
Gegen Schiller
- Eigh. Brief m. U. "Meissner". 4 S. Gr. 8vo. Prag 3.XII. (1859).
Umfangreicher Brief an Alexander Jung in Königsberg, der ihm ein Festgedicht und eine Festrede zu Schillers 100. Geburtstag geschickt hatte. "... Ihre Festrede - & ebenso das Gedicht - ist herrlich, ich - übersättigt von allem, was ich über Schiller in letzter Zeit lesen mußte - las sie mit höchstem Interesse, als gält es einem mir ganz neuen Gegenstand & wie fühlte ich mich zu Ihnen hingezogen, wie gewann ich Sie lieb! Welch origineller Geist sind Sie, welcher Reichthum des Gemüths & der Phantasie, wie verstehn Sie's über diese Welt eine schönere Welt zu baun! Ja, wenn Schiller das wäre, was Sie von ihm sagen, wenn Schiller von Ihnen beleuchtet, der wahre Schiller wäre! Ich bewunderte nur immer Ihr schönes Gemüth, als Sie mich aufforderten, ihn zu bewundern. Denn, daß ich's Ihnen gestehe, nicht der Beifall der ganzen Welt wird mich überzeugen, daß Schiller das ist, wofür die Welt ihn hält, ein Ebenbürtiger Shakesperes oder selbst Goethes. Ich sehe Intentionen, edle Intentionen, dabei Pomp, unechten, zum großen Theil gestohlenen Flitter, Rhetorik, viel Worte, nur aber - äußerst wenig wahre Empfindung. Die ist schnell bei ihm vertrocknet ... Daß es mit Ihren Gedichten nicht vorwärts will, ist trostlos! Ich hatte viel von Geibel erwartet. Von Carrière hoffe ich gar nichts. Wenn diese Poesien für irgendjemanden nicht gemacht sind, ist es für diesen schönrednerischen Flachkopf.
Den Alfonso dächte ich sollte man doch ... anbringen können. Dem steht ja nicht der hohe Herstellungskostenpunkt im Weg wie den Gedichten. Haben Sie's mit Kohn versucht? Wo nicht, bitte ich mir den Alfonso hieher zu senden, wo ich dann nach Kräften dafür werben werde ... Sie mahnen mich, daß Hostivin [Meissners 2bändiger Roman "Der Freiherr von Hostiwin", 1855, erweitert unter dem Titel "Die Sansara", 4 Bde, 1858] nicht den Erfolg gehabt, den er nach Ihrer Überzeugung verdient. Er hat ... gar keinen Erfolg gehabt, es geht mir wie Ihnen, theurer Freund, mit den Gedichten. 'Das Wahre & Aechte würde in der Welt leichter Raum gewinnen, wenn nicht die, welche unfähig sind, es hervorzubringen, zugleich verschworen wären, es nicht aufkommen zu lassen' sagt Schopenhauer. Ich bin ignorirt ... d. h. in allen Institutionen verpönt worden, weil ich einsam bin & in keiner Clique stehe. Nur ein Mensch von Poesie, eingehender Liebe, edler, neidloser, menschlicher Gesinnung hat darüber geschrieben - Sie, und diese Kritik ist unter den Tisch geworfen worden. - Ja von Kuranda ist sie nicht zurückgekommen, er giebt vor, sie verloren zu haben! Ihr Brief jedoch gibt mir einen Gedanken, den ich selbst hätte haben sollen. Herbig will Exemplare vor Weihnachten nochmals verschicken, ich bestimme ihn, Ihre Kritik hinten andrucken zu lassen! ...
Trotz aller Melancholie fahre ich mit Schreiben fort. Ich habe ein Schauspiel 'Die Memoiren des Grafen v. Montmorency' an die Bühnen verschickt, - auch nach Königsberg - & habe die Hälfte eines Romans fertig. In der Arbeit, nicht wahr, vergisst man alles, was drückt & schmerzt, auf ein paar Stunden! Wann werde ich Ihren Roman sehn können! Fünf Bände - welche Riesenarbeit! Das wird ein Welttheil neuer Dinge sein! Nächstens will ich - für Westermann vielleicht - ein Charakterbild Ihrer Gesamtthätigkeit entwerfen. Da soll Alles zusammenkommen, was ich seit langer Zeit über Sie gedacht & für Sie empfinde ...". - Erwähnt den ihm befreundeten Königsberger Philosophen Karl Rosenkranz. - Jungs Schiller-Festrede wurde 1859 gedruckt; sein 5bändiger Roman kam nicht zustande. Meissners Schauspiel "Die Memoiren ..." sind 1859 als Manuskriptdruck erschienen.
Mörike, Eduard, Dichter (1804-1875). Eigh. Brief m. U. "Mörike". 1/2 S. 4to. O. O. "Samstag früh" (1856).
An einen Redakteur des "Salon", eines Beiblatts der "Frauenzeitung", der Mörike um einen Beitrag gebeten hatte. "Es thut mir herzlich leid, ... Ihren Wunsch nicht vollkommen befriedigen zu können. Ich fand durchaus nichts passendes für den Salon als etwa, wenn Sie meinen, beifolgendes lyrische Stück, dem wenigstens die Wahrheit der Empfindung nicht abgeht ...". - Mörike schickte das Gedicht "Scherz" ("Einen Morgengruß ihr früh zu bringen ..."), das in Nr. 21 des "Salon" vom 1. November 1856 erschien. - Etwas verblasste Schrift; verso kleine (alte) Ausbesserungen.
Musil, Robert, österr. Schriftsteller (1880-1942). Eigh. Postkarte m. U. "Ihr Musil". 11/2 S., eng beschrieben. (Berlin-Charlottenburg, 1920).
Inhaltsreiche Karte aus Berlin, wo Musil sich um die Aufführung seiner Theaterstücke "Die Schwärmer" und "Vinzenz und die Freundin bedeutender Männer" bemühte, an den Schriftsteller Oskar Maurus Fontana in Wien. "... Ich habe so lange nicht geschrieben, weil ich weder mit Ihren, noch mit meinen Angelegenheiten weitergekommen bin. Bei mir dreht sich ... alles um die Aufführung, aber es dreht sich eben unaufhörlich; nach dem Stand in diesem Augenblick soll sie im Februar stattfinden, auf der Tribüne und mit [Berthold] Viertel oder [Karl Heinz] Martin. Für die Komödie habe ich bloß mit [Leopold] Jessner eine Verbindung angeknüpft, aber auch noch sehr hypothetisch. - Ihre Novellen habe ich erst dieser Tage bei [Rudolf] Leonhard durchgeschleust, er hatte zuviel Rückstände und kam zu jeder Zusammenkunft statt mit einem Bescheid mit einer Entschuldigung. Nun hat er sie aber gestern dem Verlag empfohlen und morgen rufe ich diesen an, um selbst mit den Herrn zu sprechen. Ich werde Ihnen darüber berichten, nur ist die materielle Seite so undurchsichtig, daß Sie den Abschluß wohl selbst und am besten persönlich werden machen müssen ... Wenn Sie [Béla] Balasz sehn, entschuldigen Sie mich bitte bei ihm. Für 'meinen' Aufsatz konnte ich noch gar nichts tun und mit dem Essayband bin ich bei der Leonhardschen Langsamkeit auch noch nicht weitergekommen ... Eine Bitte; Ich weiß nicht, ob die Manipul. der S.Kl. II noch genügend Unterschriften für meine Gehälter hat; bitte fragen Sie nach; ich hoffe, in 14 Tagen spätabend in W. zu sein ...". - Mit zusätzlichem Gruß von Martha Musil. - Beide genannten Stücke Robert Musils wurden erst mit großer Verspätung an kurzlebigen Berliner Bühnen aufgeführt: "Vinzenz" am 4. Dez. 1923 von Berthold Viertels Ensemble "Die Truppe" im Lustspielhaus, "Die Schwärmer" sogar erst am 3. April 1929 unter der Regie von Jo Lhermann im "Theater in der Stadt". Mit den "Novellen" Fontanas ist möglicherweise die Sammlung "Empörer" gemeint, die 1920 bei E. P. Tal in Wien erschien. Rudolf Leonhard (1889-1953) war Lektor im Verlag "Die Schmiede". - Die Textseite mit Stempelspur.
- Eigh. Postkarte m. U. "Ihr Robert Musil". 11/2 S., eng beschrieben. (Berlin-Charlottenburg) 19.XII.1922.
Gleichfalls an Oskar Maurus Fontana. "... Ich renne wie ein Billardball in Berlin umher, um in den verschiedenen vitalen Angelegenheiten den Horizont etwas aufzuhellen, und vieleicht findet sich auch noch irgendein Weg, der nicht gerade der letzte ist. Die Novellen habe ich D[er]. Sch[miede]. gegeben und entsprechend in die Trompete geblasen; und zwar gleich gegeben, aber heute erst sind sie, wie ich nachschreibend feststellte, in die Hand [Rudolf] Leonhards gekommen; morgen oder übermorgen rede ich wieder mit ihm. Ich setze aber nicht viel Hoffnung auf den Verlag, der die Ehre, gedruckt zu werden, allzu hoch einschätzt und nur ein paar hundert Exemplare voraus honorieren will. ... Für E. habe ich D[ie]. Sch[miede]. so gut es ging interessirt; aber ich halte es für besser, wenn wir zuerst Ihren Weg versuchen, da ich wie gesagt von D[er]. Sch[miede]. nicht allzuviel erwarte. Außerdem dürfte ich ja im Januar wieder hier sein u. könnte dann die Sache hier betreiben, während Sie die Zwischenzeit nutzen. Ich habe mich über unsre Übereinstimmung sehr gefreut! - Schwärm[er] voraussichtlich Ende Januar. Wann ich nach Wien komme, weiß Gott; aber ich möchte bald ...". - Rudolf Leonhard war Lektor des Verlags "Die Schmiede". - Die Textseite etwas tinten- und stempelfleckig.
Nestroy, Johann Nepomuk, österr. Bühnenautor, Schauspieler und Theaterdirektor, einer der geistreichsten Satiriker der Theatergeschichte (1801-1862). Eigh. Brief m. U. "J. Nestroy". 1 S. Gr. 4to. Wien 17.VIII.1858.
An einen Herrn. "... Nach genommener Rücksprache mit Herrn Ascher erlaube ich mir an Euer Wohlgeboren die Bitte zu stellen, mich - wenn es Ihre Zeit gestatten sollte, - diesen Abend zwischen 6 und 7 Uhr mit Ihrem Besuche gütigst beehren zu wollen ...". - Am folgenden Tag endete das Gastspiel des in Berlin engagierten Schauspielers Anton Ascher (1820-1884). - Obermaier 177. - Briefe Nestroys sind selten, da er sich ungern mit Korrespondenz beschäftigte. Trotz seiner mehr als 40jährigen ausgedehnten Tätigkeit als gefeierter Autor, Schauspieler und Direktor sind nur 230 Briefe bekannt. - Geringfügige Knitterspuren und kleine Randläsuren.
Raimund, Ferdinand, österr. Schauspieler und Bühnenautor, wichtigster Vertreter des romantischen Zauberspiels und Besserungsstückes (1790-1836, starb durch Selbstmord). Eigh. Gedichtmanuskript m. U. "Ferdinand Raimund". 2 S. (Innenseiten eines Doppelblattes). 8vo. O. O. 1828.
"Rhrapsodie" [sic]. Titel und 54 Zeilen. Vollständige und signierte Niederschrift des Gedichtes, das in der Ausgabe "Sämtliche Werke" (München 1960) unter dem Titel "Der Menschenfeind (Monolog eines ungerecht Verfolgten)" und mit dem Datum "Weidling am Bach, am 5. Mai 1828" gedruckt ist. Der Verfasser erträumt sich die Welt als "unermessnes Meer", aus dem "kahl und unbelaubt" ein hoher Fels hervorragt. "... Und auf ihm, so spricht mein Traum, / Stünd ein ungeheurer Baum, / der so ewig fest verzweiget, / Daß die Windsbraut ihn nicht beuget. / An den Ästen, fruchtbehangen, / Müßte stolz die Menschheit prangen!! / Und beseelt von Rachefeuer / Als ein riesig Ungeheuer, / Möcht ich solcher Welt zum Beben / Zwischen Meer und Himmel schweben. / Dann! mit stahlbenervten Armen / Würde ich ohn all Erbarmen / Diesen Baum mit Macht erschüttern, / Bis daß fielen all die bittern, / All die faulen Früchte ab. / Und das Weltmeer würd ihr Grab. / Nur die Edlen glänzten oben, / Um des Baumes Saft zu loben, / Der blos kern'ge Frucht besitzt / Und verlor was ihm nicht nützt ...". - Das vorliegende, ebenfalls "1828" datierte Manuskript weicht in kleinen Details - außer der modernisierten Schreibung - von dem genannten Druck ab; so heißt es z. B. dort: "Und mit Myriaden Augen / Wollt ich diesen Anblick saugen! / Doch wo bist du, eitler Traum -? / Luftverronnen ist der Baum", während in unserem Manuskript steht: "Und mit Miriaden Augen / Wollt ich diesen Anblick schauen - / Doch - wo bist du eitler Traum / Luftverronnen ist der Baum ...". - Das Gedicht mit dem Wunsch, den schlechten Teil der Menschheit zu vertilgen, entstand wohl in Zusammenhang mit dem Zauberspiel "Der Alpenkönig und der Menschenfeind"; es hätte aber wohl in seiner Radikalität die Zensur nicht passiert und wurde vielleicht deshalb nicht in das Stück aufgenommen. - Sehr selten.
"in der Stille mich auszubreiten über die Dinge"
Rilke, Rainer Maria, Dichter (1875-1926). Eigh. Brief m. U. "Rainer Maria Rilke". 4 S. Gr. 8vo. Schmargendorf bei Berlin, Villa Waldfrieden, 17.IX.1899.
Früher und sehr umfangreicher Brief an Ernst von Wolzogen in München. Rilke entschuldigt sich, daß er so lange geschwiegen habe, aber: "... unter Zeit und Firniß leuchten Ihnen in den allen Farben meine Sympathie und meine Ergebenheit entgegen." Er habe nun wieder zwei kleine Bitten "zu Gunsten Anderer": "... Es handelt sich einmal darum, der Gräfin Franziska Reventlow irgendeinen Verleger anzurathen. Sie kennen sie dem Namen nach gewiß. Sie hat eine Menge für den Langen'schen Verlag übersetzt und hat von dem spärlichen Erwerb, der ihre Nächte wie ihre Tage in Anspruch nahm, sich und ihr Kind mit einer Froheit und Muthigkeit durchgeschlagen, die mir immer noch als ein Wunder erscheint. Bedrängt von den ärgsten Verhältnissen, von dem eigenen Leiden oft und oft gefährdet, hat sie mit beiden Händen das Leben hochgehalten, das liebe und freundige Leben, das sie in jeder Minute anerkennt und zu dem sie 'Ja' sagt mit jeder Geberde ihrer mütterlichen Tapferkeit. Sie hat nach vielem Übersetzen neuerdings Lust zu eigener Arbeit bekommen und bedürfte nun des Rathes ...
Das andere ist weniger mühsam: Im Vorjahr hatten wir hier in der 'Urania' einen überaus interessanten Theaterabend: Maeterlincks 'Intérieur' wurde mit ganz einfachen Mitteln, ganz in seinem Geiste, in dem intimen Hause des winzigen Theaters an der Invalidenstrasse aufgeführt. Es war ein festliches Zusammenkommen von Gästen, welches sich von dem üblichen Premierenwesen schön unterschied, und was auf der Bühne geschah, war eine mächtige Zusammenfassung der Anwesenden ... Derjenige, welche die Aufführung veranstaltet hat, Herr Dr. Martin Zickel, kommt heuer (nicht ganz freiwillig, d. h. als Einjährig-Freiwilliger) nach München und würde sich glücklich schätzen, in Ihrem lieben gastlichen Hause vorsprechen zu dürfen ... Ich kenne Dr. Zickel nicht persönlich und habe nur in brieflichem Verkehr mit ihm gestanden, glaube aber, Ihnen denselben als einen Mann von Geschmack und Begabung anempfehlen zu können ... Ich glaube überdies, daß Dr. Zickel, der für diesen Winter (ehe das Loos ihn traf) einige feine Theaterabende mit Maeterlinck, Wedekinds 'Kammersänger' etc. vorbereitet hat, viel theatertechnisches Geschick hat und Ihnen in der Inszenierung irgendwelcher neuen Dinge eine gute Hilfe sein wird ... Uns, hier in Berlin, geht mit Zickel die letzte Hoffnung davon, in diesem Winter einen besonders feinen Bissen zu bekommen; denn selbst was das Deutsche Theater [unter Leitung von Otto Brahm] bringt, wird durch das ganze Unwesen einer solchen Première für mein Gefühl stark störend beeinflußt. Wollte Gott unsere Theater wären wie unsere Kunstsalons. So unconventionell, so geschmakvoll, so rücksichtlos geschmakvoll! ...". Erinnert an den letzten Brief des Adressaten vor zwei Jahren. "... Ich war indessen nicht träge. - Nächstens kommt ein Buch, welches ich Ihnen senden werde - vielleicht finden Sie mich darin so, wie Sie mich einmal gewollt haben. - Ich war viel unterwegs. In Italien und lange in Russland. Überall kam mir ein Stück meiner selbst hinzu, und ich habe keinen Wunsch, als so in der Stille mich auszubreiten über die Dinge, so daß sie alle in meinen Grenzen stehen, will sagen: in meiner Liebe ...". - Vgl. Schnack, Rilke-Chronik, Neuausgabe S. 97.
Gegen Anthologien
- Eigh. Brief m. U. "Rilke". 41/2 S. 4to. Château de Muzot (Schweiz) 14.IX.1922.
Umfangreicher Brief an den Balladendichter Börries von Münchhausen, der die Herausgabe einer Anthologie zur Förderung junger Dichter angeregt und Rilke zu sich eingeladen hatte. Rilke antwortet, er habe sich in seinen Urlaubsort im Berner Oberland ausnahmsweise keine Post nachsenden lassen, um einmal "abschalten" zu können. "... Ohne diese Ausnahme hätte Ihr freundlicher und lebhafter Vorschlag (schon weil ich mich freute, einmal wieder von Ihnen angerufen zu sein!) raschere Erwiderung gefunden: zu bedenken hatte ich ihn keinen Augenblick, leider wußte ich sofort, daß ich ihn in keiner Weise in Betracht nehmen kann. Es würde ein zu langes Capitel abgeben, wollte ich Ihnen erzählen, was ich alles gegen Anthologien einzuwenden habe; (wo ich etwa in eine gerieth, wars immer - oder doch seit fünfzehn Jahren! - ohne oder völlig gegen meinen Willen): so wäre ich der Letzte, dergleichen Unternehmung hervorzurufen, sei es auch in der rühmlichsten und angenehmsten Verbindung. Dazu theile ich auch nicht Ihre Meinung, daß es jungen Menschen heute noch, wie vor zwanzig Jahren, schwer sei, für ihre lyrischen Versuche einen Verleger (fast hätte ich gesagt: Unternehmer) zu finden - und auch den Leser für Lyrisches braucht man nicht mehr so ängstlich zu suchen ... Jemand wahrhaft Gültigen zu 'entdecken', wäre freilich aller Mühe werth, aber die Manuskripte sind gewiß, ebenso zu Ihnen wie zu mir, auch unterwegs, ohne daß wir Ihnen anthologische Aussichten versprechen; und Sie wissen so gut wie ich, daß es, in den meisten Fällen, leider ein verlegenes Geschäft ist, sie zurückzugeben. - Welche Überraschung, Sie mit Prosa beschäftigt zu denken! Übrigens las ich Ihrige Prosa, eben, im 'Litterarischen Echo', diese ausgezeichneten eindringlichen Aufsätze über die Meisterballade, von der ja allerdings niemand so vom Grunde her mitwissend zu sprechen berufen und befähigt ist, wie Sie ...". Bedankt sich für Münchhausens Gastfreundschaft, die er gern einmal genießen würde (Münchhausen bewohnte bekanntlich die Burg Windischleuba). Aber: "... Vor der Hand sitze ich - mitten in dieser erhabenen und dabei doch sanften Landschaft des Wallis - in einem alten Thurm, den ein schweizer Freund, solang ich ihn brauchen mag, zu meiner Verfügung gestellt hat: dieser Vergünstigung verdank ich - nach vielen unruhigen und verstörten - einen gesammelten und aus reiner Sammlung ergiebigen Winter, und sähe gern, wenn es ginge, noch einen ähnlichen vor mir ...". - In diesem Winter waren die "Duineser Elegien" vollendet worden und die "Sonette an Orpheus" entstanden.
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