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Freytag, Gustav
Signierte Buchbestellung 1858
Los 2031

Zuschlag
80€ (US$ 86)

Details

Freytag, Gustav, Dramatiker, Kulturhistoriker, Erzähler und Publizist (1816-1895). Eigh. Brief (Buchbestellung) mit U. "Gustav Freytag, S. Hofrath". 1 S. Gr. 8vo. Leipzig 15.III.1858.
An einen Antiquariatsbuchhändler. "... Aus Ihrem 22 Verzeichniß erbitte mir durch Ihren hiesigen Commissionär gegen Nachnahme des Betrages
J B. Mathesius Historie u.s.w. - 20
Eberti Schlesiens gelehrte Frauenzimmer 8
Flögel Gesch. d. Hofnarren 12
Zugleich ersuche ich Sie, mir Ihre Kataloge bald nach dem Erscheinen direct zusenden zu wollen ...". - Der erste, undeutlich geschriebene Titel passt zu zwei Schriften des Mathesius über Martin Luther, die eine 1715, die zweite 1730. - J. C. Ebertis "Eröffnetes Cabinet des gelehrten Frauen-Zimmers. Schlesiens hoch- und wohlgelehrtes Frauenzimmer" erschien 1706 und 1727. - Karl Friedrich Flögels "Geschichte der Hofnarren" erschien 1789. - Einrisse im breiten unteren Rand.

Gästebuch Picard
der Buchhandlung "Calligrammes" in Paris
Los 2032

Zuschlag
8.500€ (US$ 9,140)

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Gästebuch der Pariser Buchhandlung "Calligrammes" und ihres Inhabers Fritz Picard. 2 Bände. 144, 4 S. beschriftet oder illustriert. Mit mehreren hundert schriftlichen und graphischen Beiträgen (Bleistift, Tinte, Kugelschreiber, Farbstift). Quer-4to und 4to. Roter Lederband (Ecken und Kanten zerschlissen) mit Goldschnitt bzw. roter Leinenband. Paris 1952-1976.
Reichhaltiges Gästebuch von Fritz Picard (1888-1973), dem deutschstämmigen Inhaber der Buchhandlung „Calligrammes“ in Paris, Rue Dragon, eines bekannten Treffpunktes von Schriftstellern und Künstlern, sowohl Einheimischen als auch Touristen, die sich nach anregendem Aufenthalt und Gesprächen mit Picard in sein Gästebuch eintrugen. Aus Hinweisen von Beiträgern wird ersichtlich, daß Picard offenbar in den Zwanziger Jahren seine Buchhandlung in Berlin hatte. Seine regelmäßigen Ausstellungen in Paris knüpften an die Epoche der damaligen Moderne, und so finden sich etliche ehemalige Dada- und Bauhaus-Künstler unter den Beiträgern des Gästebuches.
Vertreten sind die Schriftsteller Alfred Andersch mit Gisela Andersch, François Bondy, Paul Celan, Georg Glaser, Peter Handke, Ludwig Harig, Raoul Hausmann (mit Zeichnung), Julius Hay, Franz Jung, Ursula von Kardorff, Annette Kolb, Marianne Langewiesche, Jakov Lind, Erich Lissner, André Pieyre de Mandiargues, Walter Mehring (mit Zeichnung), Jacob Picard, Gustav Regler, Paul Schallück, Philippe Soupault, Mario Spiro, Thea und Mopsa Sternheim, Emil Szittya, Elmar Tophoven, Georg Stefan Troller, Tristan Tzara (mit Zeichnung) und andere.
Die bildenden Künstler Lou Albert-Lazard, Hans Arp, César Domela, Max Ernst, Johnny Friedlaender, Willi Jever, Marino Marini, Hans Richter, Martin Schmid (Sohn von Carlo Schmid), Michel Seuphor, Ré Soupault, Katerina Wilszynski und andere.
Die Philosophen und Literaturwissenschaftler Ernst Bloch, Robert Minder, Manès Sperber, Jakob Taubes; die Verleger Karl Hanser, Günter Neske und Siegfried Unseld; die Kunsthändler und -sammler Heinz Berggruen, Hans Bolliger, Lothar-Günther Buchheim, Paul Rosenberg. Ferner der Politiker Carlo Schmid und der Pantomime Marcel Marceau (mit großem Selbstporträt 1959). Die vielfältigen graphischen Beiträge zeigen mehrere Porträts des Buchhändlers sowie Außen- und Innenansichten seines Ladens. Bis 1958 wurde nur mit Bleistift und ohne Illustrationen eingetragen. Mit einem hübschen Selbstbildnis macht Marcel Marceau 1959 den Anfang mit Illustrationen, denen bis in die 70er Jahre noch 26 Zeichnungen, Druckgraphiken und Collagen verschiedenster Künstler und Autoren folgen. - Beachtliches Beispiel für eine Buchhandlung als kultureller Treffpunkt einer Millionenstadt.

Geibel, Emanuel von
Gedichtmanuskript "Mädchenlied"
Los 2034

Zuschlag
100€ (US$ 108)

Details

- Eigh. Gedichtmanuskript. 1 S. (schwarze Tinte). Gr. 8vo. O. O. (ca. 1875).
"Mädchenlied. (nordisch)". 15 Zeilen: "Die Luft ist grau und grau das Meer, / Der Wind fegt pfeifend drüberher, / Die Möwe kreischt, die Brandung wallt - / Wie ward mein Herz so sterbensalt! / Traurig rinnen die Tage. - Wohl hab' ich andre Zeit gekannt, / Wir fuhren im Nachen Hand in Hand, / Das Meer war blau, die Sonne schien, / Ich sah und wußte nichts als ihn; / Selig waren die Tage ...". - Das mehrmals vertonte Gedicht erschien 1877 in "Spätherbstblätter" (Stuttgart, Cotta). - Randläsuren; rückseitig Montagespuren; am oberen und unteren Rand mit Tinte die Notiz: "Autogramm von Emanuel Geibel. Rosa Livingston. 16. März 1886."

Geibel, Emanuel von
Brief 1854
Los 2035

Zuschlag
250€ (US$ 269)

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- Eigh. Brief m. U. ""Emanuel Geibel". 4 S. Gr. 8vo. München 4.XI.1854.
An einen Hobby-Lyriker, der ihm ein Konvolut Gedichte zur Prüfung und ggf. Überreichung beim bayerischen König übersandt hatte. Geibel antwortet ausführlich und geduldig. "... Was zunächst Ihren Wunsch in Betreff der Bianche und des Rosenmärchens angeht, so bedaure ich sehr denselben nicht erfüllen zu können, indem bei den strengen hier waltenden Formen eine solche Ueberreichung mir durchaus nicht zusteht. Wollen Sie die Werke dem Könige vorlegen, so kann dies nur auf dem geschäftlichen Wege geschehen; d. h. Sie müssen direkt an ihn schreiben und Brief und Bücher an das K. Kabinet einsenden. Doch glaube ich - offen gestanden - kaum, daß ein solcher Schritt von irgendwelchem Erfolg sein würde; ja er dürfte, wie das bei ähnlichen Fällen vorgekommen ist, selbst ohne Rückäußerung bleiben, da der Monarch in folge dessen, was er für literarische Zwecke gethan, von bayerischen und nichtbayerischen Dichtern mit einer wahren Sündflut poetischer Zusendungen überschwemmt wird ...". Er, Geibel, habe nun die Gedichte des Adressaten gelesen und z. T. mit Anmerkungen versehen. "... Leider muß ich gestehen, daß der Gesammteindruck kein befriedigender war. Die Summe von neuen Gedanken und eigenthümlichen Empfindungen, die sich in der ganzen Sammlung findet, erscheint zu deren Umfang verhältnißmäßig nur gering, eine tiefere für Ihr persönliches Wesen bezeichnende Weltanschauung tritt fast nirgends hervor ... So kann ich nicht zu einer Veröffentlichung rathen, die dem Publikum wenig Gewinn, Ihnen selbst aber - wie Sie bald erkennen dürften - wenig Freude bringen würde ...". Auch eine Übersetzung der "Henry'schen Poesien" kann Geibel nicht recht erfreuen: "Der Verfasser scheint nach seinen Gedichten einer jener sonderbar liebenswürdigen Charaktere zu sein, wie sie das grüne Irland so oft hervorbringt, eine poetische Natur, kein Poet. Man gewinnt den Menschen lieb, wenn man die Verse liest; die englische Literatur aber hat mit denselben wohl ebenso wenig einen Schritt vorwärts gethan, als die deutsche durch ihre Uebertragung ...".

Lot 2037, Auction  111, Gundolf, Friedrich, Postkarte 1920 an C. A. Klein

Gundolf, Friedrich
Postkarte 1920 an C. A. Klein
Los 2037

Zuschlag
170€ (US$ 183)

Details

George-Kreis. - Gundolf, Friedrich, Literaturhistoriker, Professor in Heidelberg, Mitglied des George-Kreises (1880-1931). Eigh. Ansichts-Postkarte m. U. "Friedrich Gundolf". (Heidelberg 31.XII.1920?).
An Familie Dr. C. A. Klein in Hamburg. "Die besten Wünsche zum neuen Jahr, auch von meiner Frau, und Dank für das freundliche Gedenken sendet Ihr Friedrich Gundolf". Die Karte (Orig.-Photographie) zeigt eine große Villa in Heidelberg, möglicherweise die Villa Lobstein von der Bergseite.

Hellingrath, Norbert von
4 Typoskripte
Los 2038

Zuschlag
4.400€ (US$ 4,731)

Details

- Hellingrath, Norbert von, Münchener Germanist, Schüler Friedrich von der Leyens, mit Wolfskehl befreundet, Wiederentdecker und wissenschaftlicher Herausgeber Hölderlins (1888-1916, an der Westfront gefallen). Konvolut von 4 Typoskripten. Zus. 72 Bl., einseitig beschriftet. Gr. 4to. Lose Bl. in einem Halbleinen-Deckel d. Z. (München 1905-1908).
2 Arbeiten aus dem Seminar von der Leyens und 2 Gymnasial-Aufsätze des mit 28 Jahren im Krieg gefallenen, hoch talentierten Germanisten, der einen Teil seiner Hölderlin-Entdeckungen in Stefan Georges "Blättern für die Kunst" veröffentlichte. Hier liegen, aus Friedrich von der Leyens Nachlaß, die vollständigen Typoskripte von folgenden Arbeiten Hellingraths vor: "Ueber Verlaineübertragungen von Stefan George" (31 Seiten, 28. Juni 1907). - "Der Aphorismus bei Friedrich Nietzsche und den französischen Moralisten (Pascal, Rochefoucauld, La Bruyère, Vanvenargues)" (27 S., 1908). - Die 1905/06 entstandenen Schul-Aufsätze "Inwiefern passt auf Schiller selbst das Wort: 'Er preiset das Höchste, das Beste'?" (8 S.) und "Reform und Revolution. Vergleichende Entwickelung" (6 S.). - Vor allem die Seminar-Arbeiten über George und Nietzsche sind von höherer Qualität und zeigen einen hoffnungsvollen jungen Gelehrten, dessen früher, sinnloser Tod noch heute schmerzlich berühren muß.

Lot 2039, Auction  111, Lechter, Melchior, Postkarte 1901 mit Zeichnung

Lechter, Melchior
Postkarte 1901 mit Zeichnung
Los 2039

Zuschlag
900€ (US$ 968)

Details

- Lechter, Melchior, Maler, Graphiker, Schrift- und Buchkünstler, als Mitglied des George-Kreises prägte er dessen Veröffentlichungen (1865-1937). Eigh. Postkarte mit Orig.-Federzeichnung sowie Widmung u. U. „Melchior". 1 S. Berlin 2.II.1901.
An seine Schwester Anna Lechter in Münster. "Seiner lieben Schwester herzlichen Gruss: Melchior". In symmetrisch gestalteter Schrift unter einer kreisförmigen Federzeichnung: Durch die Wolken ragende steile Bergspitzen unter sternenbesätem Himmel; eine von rechts unten ins Bild ragend zierliche Hand hält eine Rose.

Lechter, Melchior
Ansichts-Postkarte 1928
Los 2040

Zuschlag
800€ (US$ 860)

Details

- (Lechter, Melchior) Eigh. Ansichts-Postkarte m. U. "ML". 1/2 S. Berlin 23.V.1928.
An Marga Oppenheimer in Heidelberg. In einer Schrift, deren bekannte Qualität hier durch eine Augenoperation des Künstlers etwas eingeschränkt ist. "... aus Dahlem wurde leider nichts, da es gewitterte u. in Strömen goss. Auch das Schreiben ist durch die Augen-Operation recht beschwerlich: ich sehe nichts, alles verschwimmt mir beständig. Lesen kann ich gar nicht, auch nicht arbeiten; den ganzen Tag untätig zubringen, das ist trüb. Doch Julia Culp tröstete mich mich mit ihrer süssen, beseelten Stimme. Vorhin liess ich sie, ihr zur Freude, auf- und niederschweben wie auf weichem Lichtgefieder ...". - Darüber, in ähnlicher Schrift, ein elfzeiliger Text mit Grüßen einer Elisabeth (Gundolf?). - Die Bildseite der Karte zeigt ein Fleet in Hamburg. - Dabei: 2 Postkarten an Melchior Lechter: I. Gemeinschafts-Postkarte aus München, mit Grüßen von dem Schriftsteller Richard Dehmel ("Wann sehn wir Sie in Florenz?") samt Ehefrau, dem Pianisten Conrad Ansorge ("Wann seh' ich Sie in Westend?") und dem Musikschriftsteller Dr. Arthur Seidl (3.II.1900). - II. Ansichts-Postkarte aus Darmstadt von "W. de Haan", d. i. vermutlich der Pianist, Dirigent, Komponist und langjährige Darmstädter Hofkapellmeister Willem de Haan (1849-1930). Sie ist adressiert an "Herrn Melchior Lechter bei Herrn Dr. Wolfskehl, München, Römerstrasse 16I.". Wolfskehl war mit Hanna de Haan verheiratet, die Willem auf der Karte auch erwähnt: "... Geniessen Sie München mit Hanna und Karl von ganzem Herzen" (Darmstadt 5.XI.1917).

Lot 2041, Auction  111, Gerstäcker, Friedrich, Gutachten 1847  über das Elend im Erzgebirge

Gerstäcker, Friedrich
Gutachten 1847 über das Elend im Erzgebirge
Los 2041

Zuschlag
13.000€ (US$ 13,978)

Details

Über Armut und Auswanderung im Erzgebirge
Gerstäcker, Friedrich, weit gereister Schriftsteller und Abenteurer, authentischer Schilderer Amerikas und Asiens (1816-1872). Eigh. Gutachten in Briefform m. U. "Friedrich Gerstäcker". 91/2 S., eng beschrieben. Folio. O. O. u. J. (wohl Dresden 1847).
Wohl an einen sächsischen Minister ("Excellenz"). In dessen, also amtlichem Auftrag erstelltes, sehr umfangreiches Gutachten des Experten für Emigration über Armut und Elend der durch die englische Industrieware brotlos gewordene Spitzenklöppler-Bevölkerung des Erzgebirges und Möglichkeiten der Besserung durch organisierte Auswanderung. Auf mehr als neun Folioseiten schildert Gerstäcker in eindringlicher Weise die dortigen Verhältnisse und stellt Überlegungen an, wie nicht etwa durch Investitionen im Land, sondern durch staatlich gelenkte Auswanderung Abhilfe geschaffen werden könnte. "... Ich bin fest davon überzeugt, daß der Noth und dem nackten Elend unseres Erzgebirges auf keine andere Art möglicher Weise abgeholfen werden kann, als durch eine Auswanderung, und zwar Auswanderung nach einem großartigen allgemeinen Plan, der von der Regierung selbst, ausgehen und geleitet werden müßte. Das Geschlecht jener Gebirge ist durch Noth und Mangel langer Leidensjahre entnervt und erschlafft und die ungeheuere Bevölkerung jenes armen Landstrichs hat es, trotz allen und gewiß in vieler Hinsicht segensreichen Bemühungen der Regierung, zur Unmöglichkeit gemacht, so auf die Erziehung der heranwachsenden Jugend einwirken zu können, um die unwissende Masse aus ihrer Lethargie aufrütteln, und mit dem jetzt rasend schnell weiter treibenden Leben fortreißen zu können. In seine Berge eingeschlossen, deren Horizont ihm die Welt scheint, verbrütet der Gebirger seine Tage, und kommt er je einmal hinaus in's flache Land, treibt ihn die entsetzlichste Noth dazu, den heimischen Heerd zu verlassen, so sieht er sich, seiner Ungeschicklichkeit, seines linkischen Benehmens wegen, bald verlacht ... Es ist denn auch, meiner Ansicht nach, mehr die geistige Stumpfheit, die den Armen gleichsam in den Fluch seiner Umgebung bannt, und es würde den angestrengtesten Bemühungen des Staates sicherlich nur nach langen langen Jahren und mit ungeheueren Opfern - wenn überhaupt - je gelingen ihn soweit heranzubilden, um diese Art von Wahnsinn ... zu besiegen. Die Noth ist dort aber gegenwärtig zu einer Höhe gestiegen, die jeden Menschenfreund mit größter Besorgniß erfüllen muß. Die Arbeiter jener Districkte, denen das englische Fabrikwesen eine so fürchterliche und nicht zu bekämpfende Concurrenz eröffnet hat, gehen nicht einmal mehr mit langsamen Schritten, nein sie fliegen förmlich ihrem Verderben entgegen ...".
Kommt dann auf die Teuerung, die Lebensmittelpreise und die Lohnentwicklung der Jahre 1846 und 1847 zu sprechen und fürchtet Schlimmstes bei einer neuen Teuerung: "... wenn dann die Unglücklichen mit den heruntergedrückten Löhnen nicht einmal mehr im Stande sind ihr elendes Leben zu fristen, und nun gänzlich vom Staat erhalten werden müssen, wenn sie nicht elendiglich verderben sollen, denn eine Empörung gegen das Bestehende ist von diesem Geschlecht nicht zu fürchten, sie würden, ohne eine Hand für sich selbst zu heben, von ihren Klöppelstühlen fallen und sterben. Allerdings tragen die sogenannten Facktoren große Schuld an dem Elend der Armen ... Sie drücken die Preise mehr und mehr herunter und zwar gewaltsam herunter, indem sich der unglückliche Klöppler, der seine Arbeit augenblicklich verkaufen muß, um nur das nothwendigste Brod zu haben, gezwungen sieht, ihren oft niederträchtigen Bedingungen zu fügen. Auch das scheußliche Trucksystem fängt an von Einigen dieser Händler wieder eingeführt zu werden ...". Berichtet dann von einem solchen Händler in Großgöhlen, "der die armen Kinder großen Theils mit Waaren ablohnen soll, die sie für einen Spottpreis wieder verkaufen müssen. Als ich in Breitenbaum war, kam auch ein kleines Mädchen und bat die Pastorinn dort um Gotteswillen ihr ein Stückchen Cattun, das sie um sieben Groschen hatte annehmen müssen, wieder abzukaufen, da sie sonst nicht wüßte, wovon sie leben sollten ...

Hier, in diesem fürchterlichen endlosen Jammer, ist es nur die Auswanderung, die helfen, die retten kann. Mir brach fast das Herz, als ich in die Hütten der Elenden trat, als ich die Jammergestalten sah, die hier vergingen und verdarben und mir nun sagen mußte 'dort, dort liegt ein Land, in dem Alle - alle diese glücklich werden könnten - gar nicht so weit entfernt, dehnt es sich mit seinen fruchtbaren Flächen und Wäldern aus - für alle eine Heimath, aber - sie können es nicht erreichen ...". Geht nun sehr ausführlich auf die Vorzüge dieser neuen Heimat Amerika und auf die Organisation der Massen-Auswanderung ein, wobei er mehrmals den 1846 erschienenen "Rathgeber für Auswanderungslustige" von Traugott Bromme zitiert und dazu bemerkt: "Herr Bromme kennt allerdings Amerika, durch einen längeren Aufenthalt daselbst, genau genug, und weiß ebenso gut wie ich, von wie segensreicher Folge eine Uebersiedlung der Proletarier dorthin, nicht allein für die Uebersiedelten, sondern auch für die, durch Hinwegschaffung so bedeutender Concurrenz sich freier regenden Zurückbleibenden sein würde, aber er scheint die Menge unserer Proletarier nicht in's Auge gefaßt zu haben, er hat noch keinen Blick in das massenhafte Elend der Armen gethan, er würde sonst nicht von 800-1000 Auswanderern für ganz Deutschland reden, wo, meiner Meinung nach, 20.000 allein aus dem Erzgebirge fortgeschafft werden müßten ... Meiner Ansicht nach müßten, besonders aus dem Klöppeldistrickt, da gerade das Klöppeln seine Opfer dem gewissen Verderben entgegentreibt, zwanzig tausend Arme, und zwar keineswegs durch Vereine, deren Kräfte das weit übersteigen würde, nein, durch die Regierung selbst, nach Nord Amerika übersiedelt ... werden ...". Stellt dann sehr ausführlich die Vorteile und Segnungen der Ansiedlung in Amerika den Zuständen und aussichtslosen Prognosen im Erzgebirge gegenüber, erinnert an die Entwicklung der sozialen und politischen Verhältnisse in Sachsen und ruft dazu auf, von Regierungsseite zum Wohle des sächsischen Volkes die Auswanderung zu organisieren und zunächst einmal 1 Million Taler zu Verfügung zu stellen, 50 Taler für jeden Emigranten. Auch der moralische Gewinn, den sich die sächsische Regierung durch diese Maßnahme erwerbe, sei nicht zu unterschätzen. "... Das, Excellenz, ist nur der kurze Entwurf eines großen Werkes, und gebe Gott, daß er Ihnen zum Herzen spricht ...". - Der Plan blieb natürlich Wunschtraum, und die Revolution im nächsten Jahr nahm die öffentliche Aufmerksamkeit erst einmal anderweitig gefangen. - Höchst bedeutende Quelle zur Sozialgeschichte Deutschlands im allgemeinen und des Erzgebirges im Besonderen sowie der Auswanderer-Bewegung am Vorabend der 1848er Revolution.

Gervinus, Georg Gottfried
Brief 1860
Los 2042

Zuschlag
240€ (US$ 258)

Details

Gervinus, Georg Gottfried, Literaturwissenschaftler, liberaler Historiker und Politiker, einer der „Göttinger Sieben" (1805-1871). Eigh. Brief m. U. „Dr. Gervinus". 11/2 S., in winziger Schrift. Mit blindgepr. Monogramm. Gr. 8vo. Heidelberg 8.III.1860.
Politischer Brief an den Coburger Diplomaten Christian Frhr. von Stockmar (1787-1863), einflußreicher Staatsmann, enger Berater und Freund von Königin Viktoria und Prinz Albert von Großbritannien. Gervinus, kämpferisch wie in alten Zeiten, versendet ein Zirkular mit dem Ziel, die "Deutsche Zeitung", die in den 40er Jahren unter seiner Redaktion zu einem wichtigen und einflußreichen Sprachrohr der gemäßigten Liberalen in Deutschland geworden war, wieder aufleben zu lassen. "... Das Projekt, das die Beilage betrifft, wird sie an frühere Zeiten erinnern und sie wahrscheinlich lächeln machen. Mir aber ist es ein bitterer Ernst damit. Mich läßt es nicht schlafen zu sehen, in welchen trübseligen Wahn dieß unberathene Volk seit vorigem Jahre hineingestürzt ist und wie die Presse nicht ruht, diese Bethörungen zu unterhalten. Ich habe alle Lust und den besten Wunsch, mich aller Wuth und alter Bosheit blos zu stellen, um hier im Süden dem verderblichen Wirken der Allg. Zeitung entgegen zu arbeiten und dem Austriacismus wie der Franzosenfresserei gleichmässig die Stirn zu zeigen ... Ich mache mir nicht die geringsten Illusionen, dass es nur ein Versuch ist, den wir mit dem Circulare machen, und daß er scheitern kann. Die Zeit kreist mit mancherlei großen Dingen, aber die Geburtsstunde scheint noch fern zu liegen; es ist bei aller Bewegung eine seltsame Lähmung da; und ich könnte mir denken, daß unser Entwurf an den bloßen Befürchtungen vor aller Entschiedenheit scheitern könnte. Käme er doch zur Ausführung, so dürfte ich wohl seiner Zeit ... vor Ihnen erscheinen, um mir guten Rath zu guten Verbindungen zu holen ...". Von Stockmar erhoffe er sich die nötige Unterstützung für sein Unternehmen. Aber es blieb bei dem "Versuch". - Gervinus war 1848 Abgeordneter in der Frankfurter Nationalversammlung gewesen und hatte sich dort für die Einigung Deutschlands unter preußischer Führung eingesetzt. Nach dem Scheitern der Revolution wandte er sich seinem wissenschaftlichen Hauptwerk, der 8bändigen "Geschichte des 19. Jahrhunderts" zu.

Lot 2043, Auction  111, Goethe, Johann Wolfgang von, Illustr. Albumblatt 1826

Goethe, Johann Wolfgang von
Illustr. Albumblatt 1826
Los 2043

Zuschlag
23.000€ (US$ 24,731)

Details

Goethe, Johann Wolfgang von, Dichter und Staatsmann (1749-1832). Eigh. Gedichtmanuskript m. U. "JW Goethe" und Datum. Geschrieben unter einem koloriertem Kupferstich. 19,5 x 13 cm. Weimar 30.III.1826.
Unter der kolorierten Abbildung eines schwebenden Genius, der zur Erdkugel unter sich und zum Himmel über sich zeigt, hat Goethe die 4 Anfangszeilen eines 1826 entstandenen Gedichtes geschrieben: "Zwischen oben, zwischen unten / Schweb ich hin zu muntrer Schau; / Ich ergötze mich am Bunten, / Ich erquicke mich am Blau." - Das Bildchen gehörte zu den Emblemen, die Goethe bei der Jubiläumsfeier Carl Augusts am 3. September 1825 an seinem Hause angebracht hatte. Im darauffolgenden Jahr schrieb er erläuternde Sprüche dazu und benutzte mit diesen Emblemen illustrierte, gestochene Blätter, mit Text versehen, als Albumblätter und zur Versendung an Freunde. Am Tag der Entstehung des vorliegenden Blattes empfing Goethe den Besuch des J. N. Hummel-Schülers Ferdinand Hiller.

Carl Friedrich, Großherzog von Sachsen-Weimar
Brief 1835
Los 2044

Zuschlag
190€ (US$ 204)

Details

Goethekreis. - Carl Friedrich, Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach (1783-1853). Brief m. U. "Charles Frédéric Grand Duc de Saxe". In franz. Sprache. 2/3 S. 4to. Weimar 26.XII.1835.
Sehr freundlicher Brief an die hervorragende Violinistin Regina Schlick, geb. Strina-Sacchi, deren Sohn Johann Friedrich Wilhelm Schlick (Violoncellist der Dresdener Hofkapelle und Instrumentenbauer, 1801-1874) ein Konzert in Weimar gegeben hatte. "... J'ai été bien faché d'être privé du plaisir d'entendre le concert que Mr Votre fils avoit l'intention de donner ici dans le courant de l'Automne. Mais lors de son arrivée à Weimar, mon départ de cette ville m'a empêché de jouir de cet agrément. Cela m'a été très pénible de ne pas pouvoir satisfaire à la prière que vous m'aviez adressé à cet égard ...". - Mozart hat bekanntlich seine große Sonate in B-dur für Regina Strina-Sacchi geschrieben. - Gleichmäßig etwas gebräunt; Erhaltungsmängel durch (teils unterlegte) Faltenrisse.

Lot 2045, Auction  111, Eckermann, Johann Peter, Brief 1832 über Goethe

Eckermann, Johann Peter
Brief 1832 über Goethe
Los 2045

Zuschlag
3.500€ (US$ 3,763)

Details

Eckermann über Goethe
- Eckermann, Johann Peter, Schriftsteller, Goethes enger Vertrauter und Mitarbeiter, Herausgeber seiner berühmten "Gespräche mit Goethe" (1792-1854). Eigh. Brief m. U. "Eckermann". 2 S. 4to. Weimar 13.IV.1832.
Nach Goethes Tod an (die nicht genannte) Emilie von Spiegel, geb. von Stolberg, die Gemahlin des Ober-Hofmarschalls Carl Emil Freiherrn Spiegel von und zu Pickelsheim, der von 1828-1847 die Leitung des Weimarer Hoftheaters innehatte. Eckermann schreibt ihr: "Auszug aus meinem Tagebuche. Goethe erzählte bey Tisch, daß der junge Herr v. Spiegel ihn besucht und ihm über die Maßen wohl gefallen. 'Er ist ein sehr hübscher junger Mann, sagte Goethe, und er hat in seiner Art, in seinem Benehmen ein Etwas woran man sogleich den Edelmann erkennet. Seine Abkunft könnte er ebensowenig verleugnen, als jemand einen höheren Geist verleugnen könnte. Denn Beydes, Geburt und Geist, geben dem der sie einmal besitzet ein Gepräge [...].' Ich kam nicht umhin, Ihnen gnädige Frau, Vorstehendes mitzutheilen. Denn da Goethes Worte schon für mich ein solches Intereße hatten daß ich sie aufschrieb, so dürften sie für die Mutter des jungen Mannes über den er sie aussprach, von noch höherer Bedeutung seyn ...". - Der junge Karl von Spiegel hatte Goethe am 25. Februar dieses Jahres besucht; am 22. März war der Dichter gestorben. - Es dürfte sich hier um eines der ersten von Eckermann bekannt gemachten Zitate aus seinen "Gesprächen mit Goethe" handeln. Bis auf geringfügige Abweichungen entspricht der Text bereits weitestgehend dem späteren Abdruck in den "Gesprächen" (vgl. die Ausgabe von H. H. Houben, 1948, S. 403).

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